Szenenanalyse: So bespielte Deutschland das Pressing von Frankreich
WM 2014 | Taktikanalyse 5.Juli.2014 Alexander Semeliker 0
Der erste Halbfinalist der WM 2014 heißt Deutschland. Der dreimalige Weltmeister setzte sich im Viertelfinale gegen Frankreich mit 1:0 durch. Matchwinner war Innenverteidiger Mats Hummels, der in der 13. Minute einen Freistoß per Kopf ins Tor verlängerte. Ein interessanter Aspekt dieses Spiels waren die Abläufe im deutschen Aufbauspiel.
Besonders spektakulär war diese Begegnung nicht, denn dafür fehlten schlicht die dafür nötigen Strafraumszenen bzw. Torchancen. Dennoch bot es die eine oder andere taktisch äußerst interessante Szene, besonders wenn die beiden Teams pressten. In diesem Artikel wollen wir uns drei Szenen ansehen, in denen die Franzosen zwar ein durchaus gutes Pressing ansetzten, die Deutschen dieses aber noch besser umspielten.
Frankreichs Ansatz im Pressing
In seinen WM-Spielen war Frankreich stets bemüht, ein hohes Mittelfeld- bis Angriffspressing zu praktizieren und den Gegner so bereits früh im Aufbauspiel zu stören. Ein wichtiges Merkmal dabei war, dass sie das Zentrum kontrollierten. In der 4-3-3-Grundordnung positionierten sich die Flügelspieler eng am Mittelspieler und die Zentrumsspieler rückten aus der Tiefe nach – insbesondere die beiden Achter taten dies sehr aggressiv. Daraus ergaben sich im Wesentlichen zwei Szenarien.
Entweder wurde der Gegner aufgrund des dichten französischen Zentrums nach außen gedrängt, wohin die Franzosen aber gut verschoben und den jeweiligen Gegenspieler gut isolieren konnten. Versuchte es der Gegner durch die Mitte, so ging der Ball gegen die physisch starken Franzosen recht schnell verloren. So konnte man durchaus früh, meist im Mittelfelddrittel oder sogar gegnerischen Drittel den Ball erobern. Die nachstehende Grafik verdeutlicht das.
Auch gegen Deutschland versuchten die Franzosen ihr hohes Pressing durchzusetzen, agierten dabei allerdings vorsichtiger und variabler. So sah man neben der gewohnten 4-1-2-3-Pressingformation auch 4-1-4-1- und 4-4-2-Staffelungen. Im Gegensatz zu den beiden Spielen davor konnten die Franzosen die Angriffe erst relativ spät abfangen, wie man in der nächsten Grafik erkennt. Die Balleroberungen fanden erst beim Übergang vom Mittelfeld- ins Verteidigungsdrittel statt, meist auf den Seiten.
Wie und warum es Deutschland gelang die erste Pressinglinie der Franzosen zu umspielen wollen wir uns nun im Folgenden anhand von drei Szenen ansehen.
Szene I
In der ersten Szene, die wir genauer unter die Lupe nehmen, nimmt Manuel Neuer eine wichtige Rolle. Eines der Hauptmerkmale im Spiel des 28-Jährigen ist, dass er aktiv am Aufbauspiel seines Teams teilnimmt und nicht nur als Notanspielstation gilt. Dies macht es dem Gegner naturgemäß schwer, Zugriff zu bekommen, da er so eine Anspielstation mehr zuzustellen hat.
Die Franzosen üben hier zunächst sehr gut Druck auf die DFB-Aufbauspieler aus, allerdings können die Deutschen dank Neuers gutem Passspiel problemlos hinter die erste Pressinglinie kommen. Im Anschluss daran will Sami Khedira seinen Gegenspieler mit einem Vertikallauf nach hinten ziehen um den Raum für Bastian Schweinsteiger zu öffnen. Der französische Sechser, Yohan Cabaye, reagiert aber richtig auf diese Situation, geht auf den Ballführenden und erzwingt einen weiteren Rückpass.
Szene II
Als nächstes sehen wir uns die Szene an, die direkt auf die obige folgte. Wieder erkennt man das Problem für Frankreich, das mit der Spielstärke von Neuer einhergeht. Dieses Mal spielt der Schlussmann allerdings keinen hohen Ball sondern passt auf den freien Innenverteidiger.
Karim Benzema läuft Neuer wie gewohnt an, der Deutsche hat aber zwei Möglichkeiten. Er kann entweder erneut nach außen auf den Rechtsverteidiger spielen oder, wie hier, zu Mats Hummels. Warum der BVB-Verteidiger in puncto Spielaufbau zu den Stärksten der Welt zählt, stellt er anschließend unter Beweis. Zunächst dirigiert er seine Mitspieler auf der Außenbahn, dann spielt er einen präzisen Vertikalpass auf den zurückfallenden Stürmer.
Zwei weitere Dinge sind in dieser Situation erwähnenswert. Einerseits ist dies die Freilaufbewegung von Toni Kroos, der den rechten Achter Frankreichs mit seinem Sprint nach außen mitzieht und den Passweg für Hummels öffnet. Zum anderen erkennt man hier auch den Vorteil, den die Aufstellung von Jerome Boateng gegenüber Per Mertesacker mit sich brachte. Der Bayern-Akteur stellt im Aufbau eine größere Gefahr dar, weshalb es für den Gegner keinen Unterschied macht, auf welchen Innenverteidiger er das Spiel leitet. Wäre nicht Benzema herausgerückt sondern Antoine Griezmann auf der anderen Seite, wäre Deutschland wohl über seine Seite nach vorne gekommen.
Szene III
In der letzten Szene erkennen wir erneut die Grundmuster, die wir in den obigen beiden Aktionen erwähnt haben. Die Deutschen spielen zunächst die starken individuellen Qualitäten der aufbauenden Akteure aus und bespielen den großen Raum hinter der ersten Pressingwelle. Dieses Loch ist das Resultat der guten Laufwege der DFB-Offensivspieler.
Wie in den beiden Szenen davor gelingt es den Franzosen aber die Angriffe der Deutschen zu entschleunigen und zu unterbinden. Dies Hin und Her zwischen um das Mittelfelddrittel war eines der Hauptcharakteristiken dieses Spiels und konnte auch in die andere Richtung beobachtete werden, wenngleich die Franzosen ihre Angriffe direkter ausführten und erst später gestoppt wurden. Dass diese Partie mit einer Standardsituation entschieden wurde, passt gut ins Bild.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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