Videoanalyse: James Rodriguez, Kolumbiens tragende Säule am Weg in die KO-Phase
WM 2014 | Taktikanalyse 20.Juni.2014 Alexander Semeliker 0
Kolumbien trat als einer der Geheimfavoriten die Reise zur WM nach Brasilien an und gab sich bisher keine Blöße. Das Team von Jose Pekerman zog mit Siegen gegen Griechenland (3:0) und gegen die Elfenbeinküste (2:1) ins WM-Achtelfinale ein. Herausragend in beiden Spielen war dabei James Rodriguez, auf dessen Leistungen wir in diesem Artikel blicken wollen.
Die Meldung, dass Radamel Falcao, der große Star und Hoffnungsträger des Teams, nicht bei der WM dabei sein wird, hat die hohe Einschätzung und die Stimmung der kolumbianischen Auswahl gedrückt. In Abwesenheit des 28-jährigen Stürmers trat dessen Mannschaftskollege von AS Monaco ins Rampenlicht und führte sein Team in die KO-Phase. In einer Videoanalyse sehen wir uns im Folgenden die wichtigsten Eigenschaften in seinem Spiel an.
Flexible Rolle im 4-2-3-1-System
In der Qualifikation agierte Kolumbien meist in einer 4-2-2-2-Grundordnung, für die WM stellte Pekerman die Ausrichtung etwas um. Sowohl gegen die Griechen als auch gegen die Ivorer spielten die Cafeteros in einer 4-2-3-1-Grudformation mit Teofilo Gutierrez als Solospitze und Rodriguez als nominellen Zehner dahinter. Der 22-Jährige hatte aber alle Freiheiten und nutzte diese auch in vollen Zügen, wie man in der folgenden Grafik erkennen kann.
Gegen Griechenland (links) ging er häufig in die Halbräume und besetzte vor allem in der zweiten Halbzeit über längere Phasen konstant die linke Flügelposition. Die Griechen ließen zuweilen den Zwischenlinienraum weit offen, sodass Rodriguez sehr dominant auftreten konnte. Gegen die Elfenbeinküste (rechts) sah man ein ähnliches Schema. Er fiel regelmäßig aus dem Zehnerraum zurück, driftete auf die Flanken ab und kam oft mit Dynamik aus der Tiefe.
Einfädler, Vorbereiter, Vollstrecker
Aufgrund dieser Flexibilität und Weiträumigkeit in seinem Spiel ist es keine große Überraschung, dass Rodriguez bei allen fünf bisherigen WM-Toren seine Beine im Spiel hatte. Das 1:0 gegen die Elfenbeinküste besorgte er selbst, das 2:0 leitete er mit einer Balleroberung im Mittelfeld und schnellem Pass auf Gutierrez entscheidend ein. Ehe er den 3:0-Endstand gegen die Griechen mit einem überlegtem Abschluss selbst herstellte, trat er die Ecke, die zum 2:0 führte und fädelte auch den ersten WM-Treffer elegant ein.
Im obigen Video sieht man das erwähnte 1:0 aus dem Griechenland-Spiel. Rodriguez lässt sich zunächst zurückfallen um dem Druck des Gegners zu entgehen. Diese Freiheiten nutzt er um einen exzellenten Pass auf den steil gehenden rechten Flügelspieler vorzubereiten. Anschließend stößt er mit Tempo in den Strafraum, zieht den griechischen Sechser mit und öffnet so den Passweg zum späteren Torschützen.
Dass Rodriguez noch ohne direkte Torvorlage dasteht liegt unter anderem daran, dass seine Teamkollegen im Abschluss zu ungenau sind. Ein Beispiel dafür sieht man im obigen Video. Besonders herausstechend ist dabei sein Timing bei der Hereingabe. Die beiden verhalten sich prinzipiell durchaus gut und setzen ihn stark unter Druck, allerdings lupft Rodriguez den Ball sehr überlegt in die Mitte.
Rhythmus- und Strukturgeber
Dass Rodriguez der Akteur ist, der den Rhythmus und die Struktur im kolumbianischen Spiel bestimmt, wurde bereits in der Mannschaftsanalyse vor der WM erwähnt. Wir wollen uns dies nun anhand von Beispielen detaillierter ansehen. Die grundsätzliche Vorgehensweise hat man bereits im obigen Video gesehen: er lässt sich zurückfallen und beschleunigt das Spiel mit seinem enorm präzisen vertikalen Passspiel. Als primäre Anspielstationen gelten dabei entweder der Stürmer oder der diagonal sprintende Flügelspieler, wie hier.
Es sind aber nicht nur schnelle Pässe in die Spitze mit denen, man das Spiel schnell machen kann, auch mit verlagernden Pässen in die Breite kann dies erreicht werden. Diese Elemente konnte man bei Rodriguez ebenfalls sehen.
Kolumbien hat hier den Ball erobert und die Griechen gehen sofort ins Gegenpressing, versuchen den Raum um Rodriguez sofort zu verengen. Dadurch ergeben sich auf der ballfernen Seite allerdings Freiräume. Der Kolumbianer erkennt dies, spielt mit dem ersten Kontakt seinen Mitspieler frei, der anschließend viel Raum überbrücken kann.
Dynamik-, Nadel- und Kombinationsspieler
Das gezielte Anspielen eines Spielers obwohl dieser dadurch unter großem Druck geraten würde, wie zuvor gesehen, ist im modernen Fußball nichts Unübliches. Wenn der Passempfänger über ein gewisses Maß an Pressingresistenz verfügt, kann dies zum eigenen Vorteil genützt werden. Rodriguez ist ein solcher Nadelspieler, den man auch in großer Bedrängnis anspielen kann.
Hier sieht man eine Szene aus dem Spiel gegen die Elfenbeinküste. Trotz großer Dynamik ist Rodriguez aufgrund seiner starken Technik und Koordination nicht vom Ball zu trennen. Der Fokus auf ihn erlaubt seinen Mitspielern Platz. Die Dynamikfähigkeiten des Zehners werden aber auch im Kombinationsspiel verstärkt eingesetzt. Auch dazu sehen wir uns ein Beispiel an.
Man erkennt hier, dass sich Rodriguez im Spiel mit dem Ball nicht auf spektakuläre Dribblings fokussiert, sondern die grundlegenden Dinge, nämlich passen und anschließend freilaufen, sehr gut beherrscht. So kann er die Spieldynamik nicht nur mit seinen Pässen sondern auch seinen Dribblings bzw. Bespielen von Freiräumen gut bestimmen.
Leitendes Element im Pressing
Neben der Vielseitigkeit im Offensivspiel sah man bei Rodriguez auch überlegte Bewegungen im Spiel gegen den Ball. Wie bei eigenem Ballbesitz hat er dabei gewisse Freiheiten. Er pendelt zwischen Sturm- und Mittelfeldlinie hin und her und presst auch nicht immer. Wenn er sich aber daran beteiligt, tut er dies intelligent.
Wie man hier erkennen kann, sieht sich Rodriguez zunächst um, ob ein Attackieren überhaupt Sinn machen würde. Dann erhöht er sprungartig seine Geschwindigkeit und läuft den Ballführenden an. Dabei positioniert er sich so, dass dieser auf keinen Fall einen Pass auf den zentralen Verteidiger spielen kann. Damit leitet er den Ballführenden in die Mitte, wo Kolumbien an und für sich eine Pressingfalle aufgebaut hätte. Allerdings rücken die Mittelfeldspieler nicht energisch genug heraus, was Rodriguez verständlicherweise verärgert.
Alexander Semeliker, abseits.at
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