Zwei interessante taktische Gesichter, aber einige Mängel – das ist die Niederlande bei der WM 2014!
WM 2014 | Taktikanalyse 4.Juni.2014 Stefan Karger 0
Es sieht stark danach aus, dass Louis van Gaal sich zumindest im Eröffnungsspiel gegen die favorisierten Spanier für ein 5-3-2-System entscheiden dürfte, um der Defensive mehr Stabilität zu verleihen. Die Ausrichtung wird dann ganz auf den schnellen Konterangriffen liegen – gar nicht typisch für das niederländische Nationalteam, was Louis van Gaal jedoch komplett egal sein wird.
Was das Pressing betrifft werden wir vermutlich zwei unterschiedliche niederländische Mannschaften zu Gesicht bekommen. Im Eröffnungsspiel gegen Spanien werden sich die Oranje eher weiter nach hinten zurückziehen, um dann nach Ballgewinn schnelle und direkte Konter zu spielen. Die Hoffnungen liegen hier auf dem Kreativspieler Wesley Sneijder, der nach Balleroberungen gesucht wird und in weiterer Folge Arjen Robben und Robin van Persie einsetzen soll. Die Niederländer werden hier kein unnötiges Risiko eingehen. Gegen Chile und Australien wird man jedoch eine andere Spielweise sehen, denn egal welches System – die Offensivakteure werden auf frühe Ballgewinne gehen und ein hohes Pressing praktizieren.
Die Defensive ist sicherlich die Schwachstelle der Mannschaft, denn es fehlen einfach die Charaktere in der Abwehr, die dem Team auch in Druckphasen des Gegners die nötige Absicherung geben können. Die 5-3-2-Formation wird jedoch voraussichtlich stabiler stehen, als die zuvor praktizierte Viererkette, mit der Trainer van Gaal alles andere als zufrieden war. Die niederländischen Fans fürchten sich vor Konzentrationsfehlern und mangelnder Routine, wobei diese Sorgen nicht unbegründet erscheinen.
Im Gegensatz zum vorigen Punkt sieht es in Sachen Flexibilität weitaus besser aus. Louis van Gaal kann mit einem einzigen Wechsel von einem gefestigten 5-3-2-System auf ein 4-3-3 umstellen. Sollte das Team gegen Spanien in Rückstand geraten, kann der Coach beispielsweise statt Kongolo oder Martins Indi den linken Flügelspieler Jeremain Lens ins Rennen werfen. Die Niederlande stellen dann einfach auf eine Viererkette um und Arjen Robben schiebt auf den rechten Flügel zurück. Mit Louis van Gaal steht zudem ein erfahrener Coach auf der Seitenlinie, der mit allen Wassern gewaschen ist und die Zeichen auf dem Spielfeld richtig deuten kann.
Die meisten niederländischen Fans rechnen damit, dass die Mannschaft hinter Spanien den zweiten Platz erobern wird und dann gegen die Brasilianer im darauffolgenden K.o.-Spiel den Kürzeren ziehen wird. Während bei der letzten Weltmeisterschaft überraschend das Finale erreicht wurde, setzte es bei der Europameisterschaft 2012 gleich drei schmerzhafte Niederlagen in der Gruppenphase gegen Dänemark, Deutschland und Portugal. Den meisten Fans ist es bewusst, dass gerade ein Umbruch stattfindet und viele junge Spieler ins Turnier geschickt werden, die über wenig internationale Erfahrung verfügen. Sollte jedoch im ersten Gruppenspiel gegen Spanien ein Punktegewinn herausschauen, wird sich im Land blitzschnell eine Euphorie entwickeln, die die Mannschaft anstecken könnte. Dann werden alle von der vierten Finalteilnahme und eventuell sogar dem ersten Titel träumen. Bis dorthin ist es aber ein langer und steiniger Weg.
Die Niederländer reisen traditionell mit einigen Stars zur WM, müssen aber auf Schlüsselpositionen immer wieder auf junge, unerfahrene Spieler zurückgreifen. Gut ist diese Mannschaft ohne Zweifel, aber für den ganz großen Traum wird es 2014 einmal mehr nicht reichen.
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Stefan Karger
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