{"id":56792,"date":"2018-02-13T09:15:54","date_gmt":"2018-02-13T08:15:54","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=56792"},"modified":"2018-02-12T20:53:33","modified_gmt":"2018-02-12T19:53:33","slug":"das-leitbild-das-irgendwie-niemand-befolgt","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/fusball-in-osterreich\/bundesliga\/das-leitbild-das-irgendwie-niemand-befolgt\/","title":{"rendered":"Das Leitbild, das irgendwie niemand befolgt"},"content":{"rendered":"\n\n
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Das Leitbild des SK Rapid umfasst f\u00fcnf Abs\u00e4tze. Allesamt in m\u00fchevoller, monatelanger Arbeit aufs Wort genau ausformuliert. Jedes einzelne Wort sollte einen gr\u00fcn-wei\u00dfen Wiedererkennungswert in sich bergen und das Selbstverst\u00e4ndnis des Klubs perfekt widerspiegeln. Nicht erst seit gestern muss die Frage erlaubt sein, wof\u00fcr das Leitbild \u00fcberhaupt gut ist, wenn sich doch kaum jemand im Klub daran h\u00e4lt.<\/p>\n

\u201eDer SK Rapid ist eine Gemeinschaft\u201c<\/em>, hei\u00dft es im ersten Absatz. Ein fl\u00fcchtiger Blick durch Foren und soziale Medien gen\u00fcgt aber momentan schon, um die Instabilit\u00e4t dieser Gemeinschaft zu bemerken. Lebenslange Mitglieder, die immerhin stolze 1.899\u20ac f\u00fcr ihr \u201eEinmal Rapidler, immer Rapidler\u201c-Gel\u00fcbde hinbl\u00e4tterten, drohen bereits damit das teure St\u00fcck zur\u00fcckzubringen. Von normalen Mitgliedschaften oder Abos ganz zu schweigen.<\/p>\n

Schwierige Lage zwischen unterschiedlichen Fans<\/h2>\n

Die Unzufriedenheit hat mittlerweile viele Facetten. Zu Beginn des laufenden Fr\u00fchjahrs wurde der Graben zwischen der aktiven Fanszene und den gem\u00e4\u00dfigten \u201eL\u00e4ngsseiten\u201c-Fans gr\u00f6\u00dfer. Die Wurfgeschosse im Derby wurden korrekterweise vom Gros der ver\u00e4rgerten Rapid-Fans nicht pauschal verurteilt. Man solle die einzelnen Idioten herauspicken und den Block West ein f\u00fcr alle Mal von ihnen befreien. Das gemeinsam pr\u00e4sentierte, homophobe Transparent gegen Austria-Kapit\u00e4n Holzhauser lie\u00df die k\u00f6chelnde Situation innerhalb der Fangemeinde aber \u00fcberschwappen. Auch wenn es wohl keinen Rapidler gibt, der Holzhauser besonders sch\u00e4tzt, fokussierte sich der Block mit bewusst provokanter Wortwahl aufs Herunterspielen der vergangenen Ereignisse. Dass die zahlreichen sensitiven Rapid-Fans mit ebendieser Wortwahl nicht einverstanden waren, machten sie online mehr als deutlich. Und die skandalhungrige Presse freute sich nat\u00fcrlich \u00fcber den neuerlichen \u201eAusrutscher\u201c.<\/p>\n

Der Block muss seinen Teil beitragen<\/h2>\n

Springen wir zum vierten Absatz des Leitbilds. \u201eDer SK Rapid ist offen\u201c<\/em>, hei\u00dft es hier. Gefolgt von Bekenntnissen zu menschlicher Vielfalt und sozialer Verantwortung f\u00fcr eine offene Gesellschaft. Auch wenn der Ton in Fu\u00dfballstadien immer schon rauer war, sollte der Block gerade nach der letzten Woche und stets mit dem Leitbild im Hinterkopf, zumindest geschriebene Messages feiner \u00fcberdenken. Das hat nichts mit Konformismus oder der Notwendigkeit sich zu beugen zu tun, sondern vielmehr damit, dass auch von au\u00dfen die einfachen, im Leitbild verankerten Spielregeln be- und geachtet werden m\u00fcssen, wenn gleichzeitig verlangt wird, dass etwa die Spieler ihren Teil dazu beitragen.<\/p>\n

Rapids spielerische (und k\u00e4mpferische) Tradition<\/h2>\n

Was uns zum zweiten Absatz zur\u00fcckbringt. \u201eDer SK Rapid steht f\u00fcr Werte aus Tradition\u201c<\/em> \u2013 und damit ist nicht nur die beeindruckende Geschichte und der historische Troph\u00e4enschrank gemeint, sondern auch spielerische Tradition. Die Arbeiter von der Schmelz, Rapids Ur-V\u00e4ter, galten seit jeher als Fighter, die niemals aufgeben. Dass diese Spielweise die Antithese zur historisch gepflegteren Spielweise der Austria darstellt, macht die Rivalit\u00e4t zwischen den Wiener Gro\u00dfklubs extrapikant.<\/p>\n

Blutleer bis peinlich in der S\u00fcdstadt<\/h2>\n

Weiter hei\u00dft es nun in diesem zweiten Absatz: \u201eAls Team sind wir angriffslustig, dynamisch und w\u00e4hlen stets den direkten Weg zum Ziel. Unsere Gegner behandeln wir hart, aber fair und mit Respekt.\u201c<\/em> \u2013 die junge Admira-Mannschaft haben die Rapid-Spieler am vergangenen Sonntag sogar sehr fair und respektvoll behandelt. Von H\u00e4rte war weniger zu sehen. Gerade in der inferioren ersten Halbzeit, aber auch in der keineswegs guten zweiten, spielte Rapid mehr Nonnenhockey als Fu\u00dfball. Von Angriffslust, Dynamik und einem direkten Weg zum Ziel keine Spur. Gleichzeitig bezeichnete Goran Djuricin die zweite Halbzeit als \u201egut bis sehr gut\u201c<\/em>. Die vergebenen Chancen seien einfach Pech und man m\u00fcsse schlichtweg weiter\u00fcben. Damit reiht sich Djuricin nahtlos in die Tradition seiner Vorg\u00e4nger ein \u2013 denn auch die waren praktisch durch die Bank nicht innovativ und zogen stur nicht funktionierende Konzepte durch, bis es wieder zum n\u00e4chsten, unausweichlichen Crash kam. Fu\u00dfball ist Kopfsache<\/a> \u2013 und wenn eine Mannschaft immer wieder Schlafphasen hat, dann ist nicht die schlechte \u00dcbung, sondern auch der Trainer schuld. So wie es etwa Sturms Neo-Coach Heiko Vogel nach dem 0:1 gegen Wolfsberg klar und deutlich machte.<\/p>\n

Himmelhochjauchzend \/ Zu Tode betr\u00fcbt<\/h2>\n

Bei Rapid h\u00e4ngt noch viel mehr von Erfolg ab, als bei allen anderen Fu\u00dfballklubs des Landes. Steht Rapid auf dem ersten Platz, dann haben sich alle lieb, der Block West ist unantastbar und f\u00fcr eine der besten Stimmungen Europas verantwortlich, die Schl\u00fcsselspieler potentiell k\u00fcnftige Top-Stars, f\u00fcr die man achtstellige Summen lukrieren wird. Wenn\u2019s nicht l\u00e4uft, dann w\u00fcrde man als Fan am liebsten den halben Kader verschenken, der Block West regt sich dar\u00fcber auf, missverstanden zu werden und relativiert Frustaktionen, die \u201eNormalos\u201c schimpfen auf den Block und irgendwie schimpfen alle auf die starre Masse auf der Haupttrib\u00fcne, die nun mal das Geld in die Vereinskassen sp\u00fclt. Dazwischen gibt\u2019s nicht viel.<\/p>\n

Aber gerade auf der Haupttrib\u00fcne ist man jetzt \u2013 schon wieder \u2013 gefragt. Der letzte Absatz des Rapid-Leitbildes beginnt mit den Worten: \u201eDer SK Rapid ist \u00f6sterreichischer\u00a0Rekordmeister. Erfolg ist uns Erbe und Gebot zugleich. Daher ist es unser Anspruch, immer ganz oben zu stehen.\u201c<\/em><\/p>\n

Die Federn der Vergangenheit<\/h2>\n

Rapids letzter Titel liegt Stand jetzt knapp zehn Jahre zur\u00fcck. In den letzten 29 Jahren wurde dieser gro\u00dfe Verein ganze dreimal Meister, holte ein einziges Mal den Cup. Rapid lebt in der Vergangenheit. Trotz einer mittlerweile beeindruckenden Infrastruktur sind es noch immer dieselben laschen Ansagen, vorsichtige Vorgehensweisen, das ewige Abw\u00e4gen von Entscheidungen und schlie\u00dflich auch die fehlenden sportlichen Innovationen, die jede k\u00e4mpferische Parole, aber auch das Leitbild, ad absurdum f\u00fchren und nicht glaubw\u00fcrdig erscheinen lassen. Eine beherzt k\u00e4mpfende Admira hat Rapid am Sonntag mal wieder die Grenzen aufgezeigt und gl\u00fccklich, aber v\u00f6llig verdient gewonnen.<\/p>\n

L\u00e4ngste titellose Phase der Vereinsgeschichte<\/h2>\n

Und das wird auch nicht das letzte Mal sein. W\u00e4hrend die echten internationalen Top-Klubs in ihren heimischen Ligen praktisch keine Ausrutscher haben und auf unerwartete Niederlagen zumeist bravour\u00f6s reagieren, bekommt Rapid regelm\u00e4\u00dfig, nahezu alle paar Wochen, eine Watsch\u2019n, die sich gewaschen hat. Und zwar seit gut acht Jahren. Das ist n\u00e4mlich der Zeitraum, in dem Rapid keine Souver\u00e4nit\u00e4t mehr ausstrahlt, sportlich keine deutliche Entwicklung in eine klar erkennbare Richtung aufweist. Schlimmer noch: Rapid wird immer langweiliger. Noch nie zuvor in der 119-j\u00e4hrigen Geschichte war man so lange titellos wie derzeit. Zwischen 1968 und 1982 wurde Rapid 14 Jahre lang nicht Meister, gewann aber immerhin dreimal den \u00d6FB-Pokal. Die acht titellosen Jahre zwischen 1988 und 1996 schnupfte man schon letztes Jahr, als man phasenweise sogar gegen den Abstieg spielen musste.<\/p>\n

Die Basis als schlummernder Vulkan<\/h2>\n

Rapid ist in seiner jetzigen Form nicht mehr authentisch. Zu viel des eigenen Erbes wird mit F\u00fc\u00dfen getreten, sowohl spielerisch, als auch politisch. Der hundertste Poolsponsor bringt nichts, wenn der Sport vernachl\u00e4ssigt und jede noch so notwendige Investition zu Tode \u00fcberdacht wird. Das Resultat ist eine nach wie vor Rapid-unw\u00fcrdige, mental schwer inkonstante Mannschaft, die von einem durchschnittlichen, nicht ausreichend innovativen Trainer gef\u00fchrt wird. S\u00e4mtliche Umbr\u00fcche werden \u201ezitzerlweise\u201c \u00fcber die B\u00fchne gebracht, anstatt einmal einen richtig harten und wom\u00f6glich auch riskanten Cut zu machen. Das n\u00e4chste Resultat dessen \u2013 in Kombination mit dem beschriebenen Unmut in der Vereinsperipherie \u2013 wird Gleichg\u00fcltigkeit sein. Und die wird sicher nicht vom Block West ausgehen, sondern von der vernachl\u00e4ssigten Basis des SK Rapid \u2013 der L\u00e4ngsseite. Also von den Fans, die im Fanshop einkaufen, Mitglieder sind, Hauptversammlungen besuchen, ihre Kinder mit ins Stadion nehmen. Dass diese Str\u00f6mungen bereits jetzt anfangen, ist offensichtlich. Wenige Gespr\u00e4che mit Einzelnen reichen aus, das Echo ist einhellig. Und wenn zu einem unruhigen Block auch noch eine konsternierte Basis hinzukommt, dann wird der Business Plan des gro\u00dfen Zugpferds Rapid nicht aufgehen.<\/p>\n

Jetzt sind H\u00e4rte und Mut gefragt<\/h2>\n

Genauso schnell wie Rapid zu einer Attraktion werden kann, wenn man \u00fcber ein paar Jahre oder gar nur Monate, alles richtig macht, kann es auch in die andere Richtung gehen. Genau vor einem solchen Crash steht der Verein gerade, woran sicher nicht ein 1:2 in der S\u00fcdstadt, sondern die derzeitige Gesamtbefindlichkeit in allen Bereichen schuld ist. Und dieser Crash kann nicht durch stetige, ruhige Arbeit, gutes Zusprechen und alle denkbaren Situationsanalysen verhindert werden, sondern einzig allein mit H\u00e4rte und Entschlossenheit. Es braucht harte Pr\u00e4sidiumsentscheidungen, ein gro\u00dfz\u00fcgiges Investitionsvolumen f\u00fcr Sportchef Fredy Bickel (und wiederum H\u00e4rte von ihm selbst), eine innovative sportliche Linie, beinharte und gestandene Spieler, sowie auch einen Selbstreinigungsprozess in mehreren Bereichen der Fanschicht. Mit jeder sportlichen Bankrotterkl\u00e4rung wie am Sonntagnachmittag wird das Gesamtkonstrukt instabiler \u2013 und dann wird der hunderterste Poolsponsor vielleicht gar nicht mehr unterschreiben wollen, weil Rapid auch die stadionbegeisterte Masse nicht mehr erreicht. Diese Fallt\u00fcr macht man sich gerade gemeinsam auf. Mit dem n\u00f6tigen Schwung kriegt man sie allerdings auch wieder zu.<\/p>\n