{"id":59227,"date":"2018-06-26T12:27:47","date_gmt":"2018-06-26T10:27:47","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=59227"},"modified":"2018-06-26T12:29:48","modified_gmt":"2018-06-26T10:29:48","slug":"wm-analyse-die-minimalisten-aus-portugal-steigen-auf","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/fusball-international\/wm-2018\/wm-analyse-die-minimalisten-aus-portugal-steigen-auf\/","title":{"rendered":"WM-Analyse: Die Minimalisten aus Portugal steigen auf"},"content":{"rendered":"\n\n
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\"\"Die Portugiesen wurden ihrem Ruf als Minimalisten mal wieder gerecht und erk\u00e4mpften sich durch ein m\u00fchevolles 1:1 Unentschieden gegen den Iran den zweiten Tabellenplatz in der Gruppe B hinter den punktegleichen Spaniern. Die Partie selbst lebte vor allem von der Spannung, spielerisch und taktisch war w\u00e4hrend der 90 Minuten viel Leerlauf und Eindimensionalit\u00e4t zu sehen. Die Iraner setzten wie erwartet auf ihre stabile Defensive und lauerten auf Umschaltmomente, die Portugiesen kontrollierten zwar das Spiel mit mehr Ballbesitz, der Sicherheitsgedanke war aber auch bei den Iberern sehr stark ausgepr\u00e4gt. Aufgrund dieser Charakteristiken kam ein vorsichtiges, tr\u00e4ges und Mitte der zweiten Halbzeit auch sehr emotionales Spiel zustande. Wir schauen uns den portugiesischen Ballbesitz mit Fokus auf die Absicherung an und erkl\u00e4ren in diesem Zusammenhang auch das Defensivkonzept vom Iran. Ein kurzes Spielerportrait von William Carvalho, dem heimlichen Star im portugiesischen Spiel, rundet diese Analyse ab. <\/em><\/p>\n

Grundordnungen und Personal<\/u><\/strong><\/h3>\n

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Fernando Santos formierte seine portugiesische Mannschaft wieder in der gewohnten 4-4-2 Grundordnung, bei eigenem Ballbesitz ausgestattet mit variablen Bewegungen und Positionierungen.
\nDie Viererkette vor Torh\u00fcter Rui Patricio bestand erneut wieder aus den beiden Innenverteidigern Fonte und Pepe, unterst\u00fctzt wurden diese zwei von den beiden Au\u00dfenverteidigern Guerreiro und Cedric.
\nDas zentrale Mittelfeld bildeten William Carvalho und Adrien Silva, der etwas offensiver und weitr\u00e4umiger agierte als sein Nebenmann. Auf den Fl\u00fcgelpositionen setzte Santos ebenfalls auf zwei unterschiedliche Spielertypen. Auf der rechten Seite brachte er mit Ricardo Quaresma einen geradlinigen Dribbelspieler, der grunds\u00e4tzlich seine Position am Fl\u00fcgel konstant hielt. Joao Mario ist der kombinationsorientiertere Typ, der sich dazu von seiner Fl\u00fcgelposition auch gerne in den nahen defensiven Halbraum oder gar in das Zentrum fallen l\u00e4sst und die Ballzirkulation zusammen mit den beiden Sechsern sowie den entgegenkommenden St\u00fcrmern aufrechterh\u00e4lt.
\nIn der vordersten Sturmlinie bekam neben Cristiano Ronaldo der 22-j\u00e4hrige Andre Silva vom AC Mailand seine Chance.<\/p>\n

Carlos Queiroz, der portugiesische Trainer des Iran, vertraute wie schon gegen Spanien auf seine 4-1-4-1 Grundformation, die je nach gegnerische Ballbesitzstruktur zu einem 4-5-1, 6-3-1 oder 6-4-0 abgewandelt werden kann.
\nIn der Innenverteidigung positionierten sich daf\u00fcr Hosseini und Pouraliganji, flankiert wurden sie von den Au\u00dfenverteidigern Hajsafi auf links und Rezaeian auf rechts.
\nDen Sechser vor der Abwehr gab erneut Ezatolahi, unterst\u00fctzt wurde er von den beiden Achtern Amiri und Ebrahmi.
\nDie Fl\u00fcgelpositionen bekleideten die flinken und technisch beschlagenen Taremi und Jahanbakhsh, die in Umschaltsituationen nach vorne neben St\u00fcrmer Azmoun r\u00fcckten und durch diesen Dreier-Sturm die portugiesische Abwehr \u00f6fters (vornehmlich noch in der ersten Halbzeit) besch\u00e4ftigen und nach hinten dr\u00fccken konnten. Es blieb aber leider bei ein paar recht zahnlosen Versuchen, welche aber von der stabilen portugiesischen Restverteidigung verteidigt werden konnten.<\/p>\n

Absicherung first im portugiesischen Ballbesitzspiel <\/u><\/strong><\/h2>\n

Das portugiesische Angriffsspiel ist tats\u00e4chlich etwas zweigeteilt. Auf der einen Seite eine robuste und konstant besetzte Defensiv- und Absicherungsabteilung, die bei eigenem Aufbau und Ballbesitz \u00e4u\u00dferst vorsichtig und abwartend agiert und in erster Linie darauf bedacht ist, die fluiden Bewegungen der Offensivspieler zu balancieren und zu sichern. Auf der anderen Seite die Offensivabteilung rund um Superstar Cristiano Ronaldo. Zusammen mit seinem Sturmpartner und den beiden Fl\u00fcgelspielern sowie einem aufr\u00fcckendem Sechser (h\u00e4ufig Silva) rochieren sie fluide durch die Zonen in der gegnerischen Spielfeldh\u00e4lfte und versuchen so, lokale \u00dcberzahlsituationen herzustellen, um im Normalfall \u00fcber die Fl\u00fcgelzonen durchbrechen zu k\u00f6nnen (so gesehen beim 1:0 durch Quaresma).
\nBest\u00e4rkt wird diese These auch durch die Personalbesetzung von Trainer Santos. In den defensiven Mannschaftsteilen (Viererkette plus ein Sechser) baut er auf einen eingespielten Stamm, w\u00e4hrend er auf den kreativeren Positionen immer wieder personelle Ver\u00e4nderungen vornimmt und diese auch an den Gegner anpasst.<\/p>\n

Das portugiesische Spiel wirkt durch einen solch stabilit\u00e4tsorientierten Ansatz zwar selten fl\u00fcssig oder gar spektakul\u00e4r, in der Regel ist es aber effektiv und gut gegen Konter abgesichert. Schlie\u00dflich wurde man so auch vor zwei Jahren in Frankreich Europameister. Gegen einen ebenfalls defensiv denkenden Gegner wie dem Iran entwickelt sich dann logischerweise ein recht tr\u00e4ges und proaktives Match, so wie wir gestern eines gesehen haben.<\/p>\n

Die Portugiesen hatten zwar durch die tiefe Pressingzone des Iran eine stabile und hoch angelegte Ballzirkulation, wirklich Risiko zwecks einer Druckerh\u00f6hung oder einer besseren Durchschlagskraft gingen sie \u00fcber die gesamten 90 Minuten nie wirklich ein. So kommt es bei den Iberern eigentlich regelm\u00e4\u00dfig vor, dass immer bis zu f\u00fcnf Spieler hinter dem Ball bleiben und den eigenen Angriff dementsprechend absichern. Dazu eine exemplarische Spielszene mit einem Angriff \u00fcber die linke Seite:<\/p>\n

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Der linke Au\u00dfenverteidiger Raphael Guerreiro erh\u00e4lt in der gegnerischen H\u00e4lfte ein diagonales Zuspiel aus dem Zentrum. Zwei Bewegungen stehen dabei exemplarisch f\u00fcr den portugiesischen Absicherungsfokus. Der ballnahe Sechser Carvalho l\u00e4sst sich sofort zur\u00fcckfallen und sichert so den Raum hinter dem aufger\u00fcckten Au\u00dfenverteidiger. Dadurch stellte er auch eine stabile R\u00fcckpass-Option f\u00fcr Guerreiro dar, was Carvalho f\u00fcr einige gute, diagonal-flache Verlagerungen nutzte. Zweiter beachtlicher Punkt in diesem Zusammenhang ist das Einr\u00fccken des ballfernen Au\u00dfenverteidigers Cedric. Positionierte sich sein Gegen\u00fcber so wie in dieser Szene in h\u00f6heren Zonen, lie\u00df er sich in die Abwehrkette zur\u00fcckfallen und unterst\u00fctzte die beiden Innenverteidiger, wodurch die Breite des Platzes besser abgedeckt werden konnte. In Zusammenhang mit dem Fl\u00fcgelfokus (weiter Weg f\u00fcr den Gegner zum Tor, leichter gegenzupressen) ergab sich dadurch ein sehr robustes Absicherungs-Netz, was zwar nicht besonders attraktiv, daf\u00fcr aber effektiv ist.<\/p>\n

Selbe Struktur, aber h\u00f6here Grundpositionierung beim Iran<\/u><\/strong><\/h3>\n

Der Iran positionierte sich im Spiel gegen den Ball erneut in einer 4-1-4-1 Grundordnung, allerdings war die Grundpositionierung nicht so extrem tief gew\u00e4hlt wie eine Runde zuvor gegen Spanien, wo sie vor allem in den ersten 45 Minuten fast durchgehend im 6-3-1 verteidigten. So tief wollten es die Iraner, auch bedingt durch die Tabellenkonstellation, gegen den amtierenden Europameister nicht angehen.
\nUnterst\u00fctzt wurde die h\u00f6here Positionierung auch dadurch, dass die portugiesischen Au\u00dfenverteidiger nicht so schnell im Aufbau und nicht so hoch aufr\u00fcckten wie die Spanier, weshalb die angesprochenen Staffelungen mit einer Sechserkette seltener zu sehen waren. Ansonsten blieb vieles im Vergleich zum Spanien-Spiel gleich, daf\u00fcr war die defensive Stabilit\u00e4t zu gro\u00df. Soll hei\u00dfen, dass sich die beiden Achter Amiri und Ebrahimi an den portugiesischen Sechsern orientierten und daf\u00fcr \u00f6fters auch eine Linie nach vor schoben und kurzzeitig mit Mittelst\u00fcrmer Azmoun eine 4-4-2 Staffelung herstellten. Vereinzelt schoben die Achter auch durch und attackierten den ballf\u00fchrenden Innenverteidiger Portugals, was aber eher selten zu sehen war. Die Achter hatten generell einen ziemlich gro\u00dfen vertikalen Aktionsradius. Wie bereits erw\u00e4hnt verteidigten sie einige Male in der ersten Pressinglinie, teilweise dann aber wieder sehr nah an der eigenen Abwehrkette oder tief am Fl\u00fcgel. Generell kann man sagen, dass die Iraner ein sehr gutes Raumgef\u00fchl unter Beweis stellten. Die vielen fluiden Positionsrochaden der Portugiesen stellten sie nicht vor gro\u00dfartige Zuordnungs- oder \u00dcbergabeprobleme, stattdessen wurden die Gegenspieler gut von Raum zu Raum \u00fcbergeben und von der \u00dcberzahl in Balln\u00e4he einfach geschluckt.
\nVereinzelt brachten individualtaktische Schw\u00e4chen das iranische Defensivkonstrukt aus dem Gleichgewicht. Vor allem der linke Au\u00dfenverteidiger Hajsafi agierte einige Male zu nah an Quaresma und konnte so mit einer einfachen Auftaktbewegung \u00fcberlaufen werden.
\nEin recht interessanter Aspekt war auch die Mannorientierung von St\u00fcrmer Azmoun auf William Carvalho. Zu Spielbeginn war diese Facette noch nicht so ausgepr\u00e4gt (vermutlich war sie auch gar nicht vorgesehen), nach etwa einer Viertelstunde gestikulierte Trainer Queiroz und sein Assistent aber wild, Azmoun solle sich doch strikt an Carvalho orientieren. Ab der 25. Minute fruchtete das Einwirken von der Trainerbank auch und der iranische St\u00fcrmer lief konsequent (horizontal wie vertikal) Carvalho nach, was zu etlichen kuriosen Staffelungen f\u00fchrte. Wirklich stabilisierend wirkte diese Anpassung aber nicht (was auch am guten Verhalten von Carvalho lag), weil die Zonen vor dem iranischen Mittelfeldband v\u00f6llig verwaist waren und Carvalho Azmoun in R\u00e4ume zog, in denen er weit weg von einem etwaigen Zugriff auf das Spiel war. Deshalb wurde dieses Experiment in der Halbzeitpause auch wieder ad acta gelegt.<\/p>\n

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William Carvalho \u2013 darum tut er dem portugiesischen Spiel so gut <\/u><\/strong><\/h3>\n

\u00dcber die klaren Rollenverteilungen im portugiesischen Spiel zwischen Offensive und Defensive haben wir ja bereits geschrieben. William Carvalho ist h\u00e4ufig der Spieler, der diese Mannschaftsteile alleine miteinander verbindet. Auf der Sechserposition im zentralen Mittelfeld agiert er sehr umsichtig und vorausschauend und kommt dadurch selten in Drucksituationen bzw. l\u00f6st diese mit einfachen P\u00e4ssen auf, bevor sie \u00fcberhaupt entstehen. Das ist quasi die K\u00f6nigsdisziplin auf der Sechserposition im modernen Fu\u00dfball, gepr\u00e4gt nat\u00fcrlich durch Sergio Busquets (auch bei dieser WM wieder).
\nAber er l\u00f6st nicht nur Drucksituationen auf, er kann auch mit seinen P\u00e4ssen f\u00fcr welche beim Gegner sorgen. Vor allem mit seinen flachen, diagonalen P\u00e4ssen auf die Fl\u00fcgel zwingt er den Gegner immer wieder zum R\u00fcckzug und \u00fcberspielt so mehrere gegnerische Spieler in einer Aktion.<\/p>\n

Ziemlich cool war gegen den Iran auch sein Verhalten auf die gegnerische Manndeckung. Er agierte nicht zu ballfordernd und erh\u00f6hte durch seine Bewegungen auch nicht die gegnerische Kompaktheit, stattdessen zog er seinen direkten Bewacher mit viel Bewegung hinter sich nach und verschleppte ihn so in R\u00e4ume, in denen er f\u00fcr die eigene Defensive nicht viel leisten konnte und nebenbei auch noch R\u00e4ume vor dem eigenen Mittelfeld \u00f6ffnete. In Summe ist William Carvalho ein Spieler, der in unterschiedlichsten Spielsituationen eine sehr hohe Entscheidungsqualit\u00e4t aufweist und dadurch un\u00fcbersichtliche, enge Situationen im Mittelfeldzentrum problemlos aufl\u00f6sen kann. Er fungiert als Verbindungsmann in Portugals Team und leistet auch mit intelligenten Positionierungen bei eigenem Ballbesitz einen sehr wichtigen Beitrag zur Konterabsicherung. Fernando Santos kann sich gl\u00fccklich sch\u00e4tzen, einen solchen Spielertypen im Kader zu haben.<\/p>\n

Sebastian Ungerank, abseits.at<\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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