{"id":69840,"date":"2020-04-15T14:24:27","date_gmt":"2020-04-15T12:24:27","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=69840"},"modified":"2020-04-15T14:24:57","modified_gmt":"2020-04-15T12:24:57","slug":"kommentar-geld-weicht-moral-auf","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/in-depth\/gesellschaft-ethik\/kommentar-geld-weicht-moral-auf\/","title":{"rendered":"Kommentar: Geld weicht Moral auf"},"content":{"rendered":"\n\n
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\"\"<\/a><\/em><\/p>\n

Mitten in der Corona-Krise k\u00f6nnte Newcastle United einen neuen Eigent\u00fcmer bekommen, denn der britische Milliard\u00e4r Mike Ashley scheint genug von seinem \u201eSpielzeug\u201c zu haben. Bereits in der Vergangenheit machte er in Interviews keinen Hehl daraus, dass er den Kauf der Magpies bereue und den Klub lieber heute als morgen verkaufen w\u00fcrde. Nun scheint es so, als ob Ashleys Wunsch in Erf\u00fcllung geht \u2013 doch die Fans sind alles andere als gl\u00fccklich.<\/em><\/p>\n

Newcastle United wollte den Eigent\u00fcmerwechsel bisher noch nicht best\u00e4tigen, doch laut dem Telegraph<\/a>, der sich auf mehrere Quellen bezieht, ist die Tinte auf dem Vertrag bereits trocken. Der saudi-arabische Public Investment Fund, der mit einem gesch\u00e4tzten Gesamtverm\u00f6gen von rund 400 Milliarden Dollar zu den gr\u00f6\u00dften Staatsfonds der Welt z\u00e4hlt, soll f\u00fcr rund 300 Millionen Pfund 80 Prozent der Anteile am Verein erworben haben. Der Vorsitzende dieses Staatsfonds ist kein Geringerer als der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der bei den strategischen Investment-Entscheidungen stets ein Wort mitredet. Der Staatsfond besitzt unter anderem f\u00fcnf Prozent an Uber und Tesla, investierte in US-Firmen wie Lockheed Martin und General Electric und steht hinter dem Red Sea Project<\/a> sowie dem Mega-Projekt Neom<\/a>. Im M\u00e4rz 2019 wurde zudem bekannt, dass der Public Investment Fund einem New Yorker PR-Unternehmen jeden Monat 120.000 Dollar \u00fcberweist, damit der diplomatische Schaden nach der Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi in Grenzen gehalten wird \u2013 man tut eben was man kann.<\/p>\n

Womit wir auch schon bei den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen sind, die vielen Newcastle-United-Fans nun schwer im Magen liegen. Im Jemen werden seit vielen Jahren unter anderem Krankenh\u00e4user und Schulen bombardiert, Saudi-Arabien geh\u00f6rt zu den L\u00e4ndern mit den meisten Hinrichtungen weltweit, regierungskritische Stimmen werden brutal unterdr\u00fcckt, weggesperrt und gefoltert. Religi\u00f6se Minderheiten werden systematisch diskriminiert, Frauenrechtlerinnen und Homosexuelle m\u00fcssen mit Haft- und sogar der Todesstrafe rechnen.<\/p>\n

Der moderne Fu\u00dfball \u2013 insbesondere die Premier League \u2013 mutierte ohnehin l\u00e4ngst zu einem Spielball von Investoren. Der Haupt-Gesellschafter von Manchester City, die Abu Dhabi United Group, pumpt auch hunderte Millionen in die Citizens um das Image der Vereinigten Arabischen Emirate aufzupolieren. PSG-Eigent\u00fcmer Qatar Sports Investments machte unter anderem 222 Millionen Euro f\u00fcr Neymar locker und die Inter-Spieler hatten bei einem Meisterschaftsspiel gegen Bologna ihre Spielernamen in chinesischen Schriftzeichen auf ihren Trikots verewigt.<\/p>\n

Die Magpies<\/em> w\u00e4ren also bei weitem nicht der einzige Verein, der zweifelhafte Investoren anlockt, wobei sich die Dimensionen dann eben doch unterscheiden. Newcastle-United-Fans machen deshalb ihren \u00c4rger deutlich:<\/p>\n

\u201eI’d rather toil in mediocrity for a lifetime than win the Champions League with these twats at the helm, using our club to whitewash their tyranny.\u201d<\/em><\/p>\n

\u201eI love Newcastle and they have been the Premier League team I followed for like the last 20 years, but it feels like there could not have been a worse party to sell the club to<\/em>.\u201d<\/p><\/blockquote>\n

Es ist aber immer bequem mit dem Finger auf andere zu zeigen, w\u00e4hrend man selbst ein winzig kleines R\u00e4dchen in diesem System ist. Die Frage, wie abseits.at beispielsweise mit der Weltmeisterschaft 2022 in Katar umgehen wird, besch\u00e4ftigt mich und meinen Kollegen Daniel Mandl immer wieder. Reicht es aus von Zeit zu Zeit mit kritischen Artikel auf die Missst\u00e4nde aufmerksam zu machen? Sollen wir die Weltmeisterschaft 2022 boykottieren und keine Vorschauen, Berichte und Taktikanalysen verfassen? W\u00fcrde das einen kleinen Unterschied machen, oder w\u00e4re das letztendlich sowieso umsonst, weil es keine sp\u00fcrbaren Auswirkungen auf die geopolitische Gesamtentwicklung haben wird? Wenn man die Endrunde in Katar boykottiert, m\u00fcsste man dann nicht auch angesichts der dubiosen Eigent\u00fcmer die Premier League links liegen lassen? Wo ist die Grenze, wenn es \u00fcberhaupt eine gibt? Ich habe keine Ahnung.<\/p>\n

Ich war seit den 90er-Jahren ein recht gl\u00fchender Manchester-City-Fan und habe bei den zahlreichen Auf- und Abstiegen des Underdogs mitgezittert – Shaun Goater ist heute noch einer meiner absoluten Lieblingsspieler. Heute ist es mir dank der Abu Dhabi United Group egal, wer englischer Meister wird. Mich der Liga verweigern kann und will ich aber trotzdem nicht, dazu liebe ich diesen Sport zu sehr. Die Verbundenheit zu City ist weg, mein Pay-TV-Abo m\u00f6chte ich dennoch nicht canceln. Letztendlich entscheiden wir alle als Konsumenten wohin die Reise geht, denn ohne zahlendes Publikum in den Stadien und vor den TV-Apparaten, l\u00e4sst sich auch kein Image mehr aufpolieren.<\/p>\n

Zum Abschluss: Ein Blick auf die Seite der Wirtschaftskammer zeigt, dass nat\u00fcrlich nicht nur der Fu\u00dfball dieses Problem hat. Auf der WKO-Unterseite zur saudi-arabischen Wirtschaft<\/a> wird lobend erw\u00e4hnt, dass Frauen nicht mehr vom Autofahrverbot betroffen sind und welche Chancen f\u00fcr \u00f6sterreichische Unternehmen bestehen. Ein Wort \u00fcber Menschenrechtsverletzungen sucht man hier vergeblich \u2013 das zu erwarten, war aber wahrscheinlich auch ein wenig naiv. Um es wie der deutsche Spieleautor Torsten Marold zu formulieren: \u201eGeld weicht Moral auf.\u201c<\/em><\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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