{"id":83955,"date":"2023-02-12T10:00:49","date_gmt":"2023-02-12T09:00:49","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=83955"},"modified":"2023-02-11T11:52:46","modified_gmt":"2023-02-11T10:52:46","slug":"anekdote-zum-sonntag-157-der-regenschirm-der-frau-b","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/fusball-in-osterreich\/sonstiges\/anekdote-zum-sonntag-157-der-regenschirm-der-frau-b\/","title":{"rendered":"Anekdote zum Sonntag (157) \u2013 Der Regenschirm der Frau B"},"content":{"rendered":"\n\n
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\"\"<\/a>Pepi Bicans Name mag zwar f\u00fcr \u00f6sterreichische Fu\u00dfballhistoriker:innen einen besonderen Klang haben, international taucht er aber nur auf, wenn jene Kicker portr\u00e4tiert werden, die zu den gef\u00e4hrlichsten St\u00fcrmern ihrer Zeit gez\u00e4hlt haben: Bican, der 2001 in seiner Wahlheimat Prag verstorben ist, soll \u00fcber 5.000-mal die Kugel \u00fcber die Linie gedr\u00fcckt haben. Er z\u00e4hlt damit zu den gr\u00f6\u00dften Torj\u00e4gern der Geschichte und wird in Tschechien als Fu\u00dfballlegende verehrt.<\/em><\/p>\n

Der in Wien geborene St\u00fcrmer war ein typisches Kind der Monarchie, wie sich in seiner wechselhaften Laufbahn widerspiegelte: Pepi wuchs als Sohn tschechischer Eltern in der Favoritner Quellenstra\u00dfe auf \u2013 genauso wie der zehn Jahre \u00e4ltere Matthias Sindelar, der als Kleinkind mit seiner Familie aus der m\u00e4hrischen Provinz in die k.u.k.-Hauptstadt gekommen war. Wie der \u201ePapier\u2019ne\u201c schn\u00fcrte auch Pepi seine ersten Fu\u00dfballschuhe f\u00fcr den hiesigen ASV Hertha Wien. Danach trennten sich jedoch die Wege der beiden Ausnahmespieler und Bican feierte knapp vor seinem 18. Geburtstag sein Deb\u00fct f\u00fcr Rapid ausgerechnet gegen Sindelar und seine Austria: 5:3 hie\u00df es am Ende f\u00fcr die Gr\u00fcn\u2011Wei\u00dfen, wobei Pepi vier Treffer erzielt hatte. Zwei Jahre sp\u00e4ter trug Bican erstmals das \u00f6sterreichische Nationaltrikot und wurde Teil des \u201eWunderteams\u201c. Der St\u00fcrmer galt als Feintechniker, der nicht nur als Vollstrecker, sondern Vorbereiter gl\u00e4nzte. Bald war er ein Star des Wiener Fu\u00dfballs und kostete die Vorz\u00fcge dieses Lebens voll aus. Letzteres f\u00fchrte dazu, dass man den Torsch\u00fctzenk\u00f6nig von 1933 wegen Undiszipliniertheit aus seiner Klubmannschaft warf. Schon damals lieb\u00e4ugelte der Angreifer mit einem Wechsel in die Heimat seiner Eltern, ging nach einer Sperre aber doch zur Admira. Als zweimaliger \u00f6sterreichischer Meister 1936 und 1937 wechselte er schlie\u00dflich zu Slavia Prag, wo er ebenfalls eine erfolgreiche Karriere mit f\u00fcnf Meistertiteln und dem Mitropapokalsieg \u201938 hinlegen sollte. Pepi schoss Tor um Tor und lief auch f\u00fcr die tschechoslowakische Nationalmannschaft auf. Doch er hatte Pech, dass die Glanzzeit seiner Karriere in die Epoche des Zweiten Weltkriegs fiel: Die Teilnahme an der WM-Endrunde 1938 wurde dem frischeingeb\u00fcrgerten Tschechoslowaken aus nicht ganz klaren Umst\u00e4nden verwehrt; 1942 und 1946 fanden keine Turniere statt. 1957 beendete der Offensivspieler seine Karriere, wurde Trainer und kickte bis zu seinem 65. Lebensjahr bei den Alten Herren von Slavia Prag. Nach dem Ende des Kommunismus wurden seine Verdienste f\u00fcr den tschechischen Fu\u00dfball entsprechend gew\u00fcrdigt.<\/p>\n

Die hier erz\u00e4hlte Anekdote spielt jedoch zu jener Zeit, in der Pepi noch als Naturtalent nahe der Quellenstra\u00dfe Kinderfu\u00dfball spielte. Anfangs konnte sich der Knabe nicht einmal Schuhe leisten, f\u00fchrte deren Fehlen aber sp\u00e4ter darauf zur\u00fcck, dass er sich so eine grandiose Ballkontrolle antrainieren konnte. Schon bald galt die Tormaschine als Star des Teams: Ein Offizieller der Hertha versprach ihm f\u00fcr jedes erzielte Tor einen Schilling \u2013 damals eine Menge Geld. Pepi traf daraufhin gleich zweimal.<\/p>\n

Eine gewisse Dame war aber \u00fcber sein Hobby nicht gl\u00fccklich: Ludmila Bican, die Mutter des Ausnahmekickers. Sie kam nur selten zu den Partien ihres Sohnes, wenn sie aber dabei war, dann war bei Bicans Gegnern Achtung geboten. Mehr als einmal enterte die resolute Dame nach Schlusspfiff den Platz und schickte sich an einen Kicker, der ihren \u201ePepitschku\u201c (in ihren Augen) brutal gefoult hatte, mit einem mitgebrachten Regenschirm zu schlagen. Parapl\u00fc-Pr\u00fcgel quasi. Bei den Zuschauern sorgte die bizarre Rache der beherzten Dame mitunter f\u00fcr Heiterkeit. Pepi war es peinlich. Er beschwor seine Mutter h\u00e4nderingend diese Aktionen in Zukunft zu lassen, Ludmila besuchte seine Matches schlie\u00dflich gar nicht mehr. Ihre Nerven hielten die 90 Minuten nicht durch.<\/p>\n

Denn, die Geschichte von der Mutter, die die Ehre ihres Sohnes verteidigt, hatte einen tieftraurigen Hintergrund: Schon Pepis Vater war f\u00fcr die Hertha aufgelaufen und hatte sich bei der Attacke eines Gegenspielers einst eine schwere Nierenverletzung zugezogen. Franti\u0161ek Bican hatte aus Angst die notwendige Operation verweigert und war schlie\u00dflich als 30-j\u00e4hriger an den Sp\u00e4tfolgen dieser Sportverletzung verstorben. Der kleine Pepi wurde mit 8 Jahren Halbwaise. Auch sein \u00e4lterer Bruder Franti\u0161ek junior sollte fr\u00fch – im Alter von 17 Jahren – unter ungekl\u00e4rten Umst\u00e4nden zu Tode kommen. Nachdem Ludmila Bican Ehemann und Erstgeborenen verloren hatte, waren ihre beiden S\u00f6hne Josef und Vil\u00edk ihr Ein und Alles. Es war ihr gar nicht recht, dass Pepi die Familientradition am Fu\u00dfballplatz fortf\u00fchrte. Doch sein Talent und sein Ehrgeiz f\u00fchrten dazu, dass er den Sport auch f\u00fcr seine Mutter nicht aufgeben wollte. Sein Schicksal ver\u00e4nderte den Torj\u00e4ger allerdings schon, wie sich ein Freund aus Prager Zeiten erinnerte: \u201ePepi hat sich nie gepr\u00fcgelt; auch wenn man ihn beleidigt hat. Er ertrug sein Schicksal. Fu\u00dfball war sein Leben.\u201c<\/em><\/p>\n

Marie Samstag, abseits.at<\/em><\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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