{"id":84137,"date":"2023-02-24T10:30:12","date_gmt":"2023-02-24T09:30:12","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=84137"},"modified":"2023-02-23T16:13:13","modified_gmt":"2023-02-23T15:13:13","slug":"buchrezension-andy-mareks-leben-mit-rapid","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/in-depth\/fusballkunst\/buchrezension-andy-mareks-leben-mit-rapid\/","title":{"rendered":"Buchrezension | Andy Mareks Leben mit Rapid"},"content":{"rendered":"\n\n
\n\"\"\/\n<\/div>\n\n

\"\"<\/a>\u201eHui, das ist aber ein Schinken!\u201c, war mein zweiter Gedanke als ich Andy Mareks Buch \u201eMein Leben mit Rapid – 27,5\u201c in den H\u00e4nden hielt. (Mein erste Gedanke war \u00fcbrigens die Frage, was es mit \u201e27,5\u201c auf sich hat, obwohl ziemlich logisch ist, dass Marek seine in Jahren bezifferte Schaffensperiode bei den Gr\u00fcn-Wei\u00dfen in den Titel aufgenommen hat.) Der ehemalige Stadionsprecher und Klubserviceleiter erz\u00e4hlte anl\u00e4sslich der Erscheinung seiner Autobiografie im Mai 2021, dass der schon langgehegte Wunsch seine Zeit beim \u00f6sterreichischen Rekordmeister zusammenzufassen w\u00e4hrend der Corona-Krise endlich in die Tat umgesetzt wurde. In seinen eigenen Worten diktierte Andy sein Wirken bei den H\u00fctteldorfern von Anfang bis Ende und konservierte so f\u00fcr die Nachwelt seinen Beitrag zum Wachsen des Traditionsklubs zu dem Verein, der er heute ist.<\/em><\/p>\n

296 km<\/strong><\/h3>\n

legte Marek t\u00e4glich zur\u00fcck, um f\u00fcr die Gr\u00fcn-Wei\u00dfen zu arbeiten: Er verlie\u00df sein Haus im n\u00f6rdlichen Nieder\u00f6sterreich um 7:00 Uhr fr\u00fch (mit dem Fr\u00fchst\u00fcck im Tupperware-Geschirr) und kehrte erst drei Stunden vor Mitternacht zur\u00fcck. Beinahe sieben Tage die Woche \u2013 nur von seltenen Familienurlauben unterbrochen \u2013 gab der quirlige Moderator Vollgas: Er avancierte vom Stadionsprecher zum \u201eBaumeister des gr\u00fcn-wei\u00dfen Hauses\u201c, regelte mit seinem Klubservice den Kontakt zwischen Anh\u00e4ngern und Verein, organisierte Fanreisen, Abos, Events, instruierte die Spieler, war der Kontaktmann f\u00fcr Exekutive, Ultras, Verantwortliche. Seine 599 Rapid-Spiele in Serie geben viel Raum f\u00fcr Geschichten. Ihnen folgte kein Abschied auf Raten, sondern ein glatter Cut, denn Marek ist kein Mann der halben Sachen: \u201eAm Samstag [\u2026] moderierte ich dann noch beim Heimspiel gegen St. P\u00f6lten, ehe ich einen Tag sp\u00e4ter ins Krankenhaus einr\u00fcckte. Und da sp\u00fcrte ich erstmals, dass es sich nicht mehr nur um eine Verk\u00fchlung oder Grippe handelte, sondern, dass es mehr war. Viel, viel mehr.\u201c<\/em> Im November 2019 k\u00fcndigte Marek seinen Abschied an, sein Prostatakrebs war die rote Flagge f\u00fcr den gr\u00fcn-wei\u00dfen Nieder\u00f6sterreicher: \u201eBei Rapid geht man nicht von selbst, h\u00f6chstens man wird krank!\u201c <\/em>Er legte seine T\u00e4tigkeiten f\u00fcr die H\u00fctteldorfer nieder, woraufhin ihm die Gemeinschaft Respekt zollte.<\/p>\n

Jene Rapid-Community ist (naturgem\u00e4\u00df) die Zielgruppe von Mareks Biografie. Vielleicht erspart sich der Autor deshalb die Ausschm\u00fcckung sportlicher Schaupl\u00e4tze, die man in Internetarchiven oder Chroniken sowieso nachlesen kann und konzentriert sich neben seiner Lebensgeschichte und besonderen Ereignissen mit Rapid auf seine Weggef\u00e4hrten, Emotionen und Anekdoten in gr\u00fcn-wei\u00df. Trotzdem nervt sein Vollst\u00e4ndigkeitsanspruch etwas: Jedem Trainer oder Pr\u00e4sidenten einige Worte zu widmen, ist aus Sicht des Lesenden nicht notwendig. Die \u00fcblichen Phrasen hinterlassen sowieso keinen Eindruck. Erforderlich war es auch nicht Fu\u00dfballbegriffe wie Choreo, Ultra und Co. zu erkl\u00e4ren, der angesprochene Leserkreis kennt sich sowieso aus. Wuchteln sind in Mareks Buch im \u00dcbrigen weniger ges\u00e4t, als man erwarten konnte. Wahrscheinlich ist das so weil Rapidlegende Funki Feurer diese schon mehrfach zu Papier gebracht hat.<\/p>\n

Insgesamt ist die Gliederung der Autobiografie etwas gew\u00f6hnungsbed\u00fcrftig und die Sortierung der Ereignisse manchmal nicht ganz nachvollziehbar. Die Perspektive des Erz\u00e4hlers, der so viel mehr als nur die \u201eStimme Rapids\u201c war, macht jedoch zweifellos den Reiz der Geschichte(n) aus: Andy beweist pointiert zum Beispiel, dass viele Fans nur im Internet eine gro\u00dfe Klappe haben. Er erz\u00e4hlt, wie er einen ihm bekannten Fan, der virtuell seine Entlassung gefordert hatte, postwendend angerufen hatte: \u201e,Hier spricht Andy Marek!\u2018, sagte ich in den H\u00f6rer und noch vor allem anderen kam wie aus der Pistole geschossen zur\u00fcck: ,Ich werde es sofort l\u00f6schen!\u2018 \u2013 ,Nein, mach das nicht. Sag mir einfach, was das Problem ist und was dich st\u00f6rt!\u2018 Er wiederholte sich: ,Es tut mir leid, ich l\u00f6sche es sofort!\u2018\u201c <\/em>Doch der Reihe nach:<\/p>\n

Die Kassette von Queen<\/strong><\/h2>\n

Wie viele Rapid-Fans und -Sympathisanten bereits wissen, wurde Andreas \u201eAndy\u201c Marek im Waldviertel geboren. Seine Eltern f\u00fchrten ein kleines Textilunternehmen, den Junior zog es jedoch zur B\u00fchne: \u201eIch war zehn Jahre alt und mir war klar: Ich m\u00f6chte S\u00e4nger werden.\u201c<\/em> Erste Erfahrungen sammelte er als Volkssch\u00fcler bei den Altenburger S\u00e4ngerknaben und versuchte \u2013 neben seiner Ausbildung an der Textil-HTL in Wien \u2013 in der Musikbranche Fu\u00df zu fassen: Bis zu seinem 21. Lebensjahr verdingte sich Andy als DJ und S\u00e4nger mit seinem eigenen Mix aus Schlager und (Austro)pop. Nach dem pl\u00f6tzlichen Tod seines Vaters musste er seine Zelte in der Bundeshauptstadt jedoch abbrechen, um im famili\u00e4ren Betrieb auszuhelfen. Obwohl Textilkaufmann nie sein Traumjob war, sch\u00f6pfte er aus den Zweifeln seines Umfelds Kraft und f\u00fchrte jahrelang erfolgreich das Modenunternehmen.<\/p>\n

Im Sommer \u201992 sa\u00df Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer Marek eines Nachmittags im Wiener Modecenter, bl\u00e4tterte in einer Zeitschrift und entdeckte eine Anzeige: \u201eStadionsprecher gesucht \u2013 SK Rapid Wien\u201c. Das reizte ihn. Er telefonierte daraufhin mit Klubchef Franz Binder Jr., moderierte wenige Stunden sp\u00e4ter als Feuerprobe den Tag der offenen T\u00fcr und mutierte vom Sch\u00f6nwetter-Rapid-Fan zur \u201eStimme von H\u00fctteldorf\u201c. Bei seinem ersten Heimspiel bat ihn der damalige SCR-Trainer Starek \u201eWe will rock you\u201c<\/em> von Queen zum Aufw\u00e4rmen aufzulegen. F\u00fcr Marek ein gutes Omen: \u201eIch hatte die Kassette im Auto, lief zur\u00fcck und strahlte \u00fcber meinen ersten, kleinen Erfolg. Aber wo sollte ich jetzt eigentlich hin?\u201c<\/em> Keine Sorge, der Nieder\u00f6sterreicher fand seinen Platz.<\/p>\n

Er geh\u00f6rt zu jenen Menschen, denen es zu verdanken ist, dass es Rapid Wien heute \u00fcberhaupt noch gibt: Nach dem Aktienflop bangte der Klub ums \u00dcberleben, die wenigen Angestellten werkelten mit viel Herzblut, improvisierten ohne Provision. Sekret\u00e4rin Gabi Fr\u00f6schl schupfte das Administrative quasi allein und Trainer Dokupil tr\u00e4umte kurz nach dem Abwenden des Konkurses schon von 10.000 Abonnenten. Nachdem er sich seine ersten Sporen verdient hatte, bekam Andy Marek von Manager Kuhn und Pr\u00e4sident Kaltenbrunner 1998 ein Angebot, das er nicht ablehnen wollte: \u201eMarek Moden\u201c wurde daraufhin erst verpachtet und dann verkauft und der einstige S\u00e4ngerknabe zum Klubserviceleiter umgeschult. Von A wie Ausw\u00e4rtsfahrt bis Z wie Zweierabo strickte Marek fortan am gr\u00fcn-wei\u00dfen Band zwischen Fans und Verein.<\/p>\n

Nachdem die Startbedingungen seines Rapid-Lebens chronologisch erz\u00e4hlt sind, gleitet der Autor fortan mit emotionalem Kompass durch seine Zeit bei den H\u00fctteldorfern: Abende im Happelstadion, Trikotpr\u00e4sentationen, Abrissparty, Europacupfahrten, drei Meistertitel, B\u00fcrgerkriegszust\u00e4nde in Saloniki, Tage der offenen T\u00fcr, leutselige Weihnachtsfeiern, Audienz beim Pabst, spontane T-Shirt-Aktionen, Europacupausw\u00e4rtsfahrten, Checks mit der UEFA (\u201eAndy, we have a problem!\u201c<\/em>) und so weiter. Marek erz\u00e4hlt wie ihn die Polizei im wohlverdienten Winterurlaub st\u00f6rte oder ein griechischer Molotowcocktail direkt neben ihm explodierte. Wie er 2009 in Glasgow f\u00fcr Rapidfans ein komplett violett ausgestattetes Hotel buchte, WAC-Trainer Struber bat still zu sein (\u201eHoit de Papp\u2019n!\u201c<\/em>) oder wie die Polonaise am R\u00fcckflug von Kazan ihren Anfang nahm. Trauriger wird es beim Schicksal seines Mitarbeiters Ivo, der nach einer Hirnblutung nun in einem Pflegeheim lebt: \u201eMan konnte alles von ihm haben und auch wenn er manchmal anfangs knurrte, war auf ihn Verlass und er erledigte die Angelegenheit.\u201c<\/em> Die Berichte des Stadionspreches reichen von gr\u00fcn-wei\u00dfen Events, dem Legendklub bis zum Merchandise, das mit en-d\u00e9tail-Verkauf im Container anfing und bis zum 350 m2<\/sup> gro\u00dfen Fanshop samt kleinem Bruder in St. P\u00f6lten ging. Rapid wurde gr\u00f6\u00dfer, moderner und der Waldviertler wuchs mit den Aufgaben.<\/p>\n

Erst gegen Ende der ca. 400 Seiten widmet sich Marek auch seinem \u2013 auf der Strecke gebliebenen – Familienleben mit seinen zwei Kindern: \u201eLukas war schon als kleiner Bub viel mit mir unterwegs [\u2026], bei Kathi wiederum versuchte ich meine Abwesenheit mit besonderen Erlebnissen zu kompensieren wie erste Reihe bei Konzerten wie von Miley Cyrus oder Justin Bieber. Meine Liebe hatten sie, aber ihnen Zeit zu schenken, gelang mir leider viel zu selten.\u201c<\/em>, r\u00e4umt der Tausendsassa ein. \u00a0<\/em><\/p>\n

Ein Fan-Buch<\/strong><\/h3>\n

Das Geheimnis seines Erfolges entschl\u00fcsselt der Ex-Textilh\u00e4ndler letztendlich wie folgt: Alles im Dialog und so viel wie m\u00f6glich im pers\u00f6nlichen Kontakt regeln. In tausenden Telefonaten spielte Marek seine rhetorischen St\u00e4rken aus, moderne Mitteilungsdienste verweigerte er deswegen lange. Der damalige Stadionsprecher mutierte zu einem vielbegehrten Mann: Wenn er nicht gerade f\u00fcr Rapid im Einsatz war, bet\u00e4tigte er sich als Moderator oder Eventorganisator. Au\u00dferdem arbeitete er seit 1993 als \u201eTeamspeaker\u201c des \u00d6FB-Nationalteams. Der Entschluss, sein Lebenswerk nicht kaputt zu machen, weil er nur mehr auf Sparflamme laufen kann, erleichterte seine Entscheidung schlie\u00dflich in die gr\u00fcn-wei\u00dfe Pension zu gehen.<\/p>\n

Letztendlich ist Mareks \u201eLeben mit Rapid\u201c ein kurzsichtiger, aber interessanter Blick hinter die Kulissen des Traditionsvereins. Es ist das Buch eines Rapidfans f\u00fcr andere Rapidfans \u2013 versehen mit so manchem rhetorischen oder dialektischen Lapsus, wie er Gelegenheitsschriftstellern eben passiert. Bisweilen st\u00f6rt die Tatsache, dass Marek in seiner Biografie so manchen \u00dcbelmeinenden in die Schranken weisen will: An mehreren Stellen wehrt sich der Waldviertler auf die eine oder andere Art gegen Unterstellungen von au\u00dfen: \u201eAlle Aufgaben, die ich bei dem Verein gemacht habe, vollzog ich mit sehr viel Herzblut [\u2026] Ja, man mag es kaum glauben, dass so etwas auch ohne Beteiligungen, Provisionen oder dem Besitz von Markenrechten geht.\u201c<\/em> Das k\u00f6nigliche Motto \u201eNicht einmal ignorieren\u201c w\u00e4re diesbez\u00fcglich sinnvoller gewesen.<\/p>\n

Relativ unkritisch geht der Autor auch mit der aktiven Fanszene um. Seine Haltung: Gro\u00dfteils seien die Hardcore-Rapidfans tolle Menschen, deren karitative Arbeit zu wenig Geh\u00f6r findet. Angesichts der von ihm thematisierten Causa Ivanschitz ist hier doch etwas zu viel gr\u00fcn-wei\u00dfe Brille im Spiel. O-Ton: \u201eVielleicht sind wir Rapid-Fans oft zu sehr Romantiker [\u2026] Vielleicht macht uns aber gerade diese Liebe und Eigenart so besonders leidenschaftlich. Jedenfalls: Eine bl\u00f6de Sache, die Causa Ivanschitz.\u201c <\/em>Hm. Sicher ist jedenfalls: \u201eMein Leben mit Rapid\u201c verdeutlicht, was die gr\u00fcn-wei\u00dfe Familie schon lange wei\u00df: Andy Marek \u2013 einer von ihnen.<\/p>\n

\u201e<\/em>Mein Leben mit Rapid 27,5<\/em>\u201c <\/em>von Andy Marek ist 2021 erschienen und kostet 27,50,– EUR. <\/em><\/p>\n

Marie Samstag, abseits.at<\/em><\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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