{"id":92259,"date":"2024-05-20T09:27:12","date_gmt":"2024-05-20T07:27:12","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=92259"},"modified":"2024-05-20T09:27:29","modified_gmt":"2024-05-20T07:27:29","slug":"kommentar-ein-erlebnisbericht-von-sturms-meisterspieltag","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/fusball-in-osterreich\/bundesliga\/kommentar-ein-erlebnisbericht-von-sturms-meisterspieltag\/","title":{"rendered":"Kommentar: Ein Erlebnisbericht von Sturms Meisterspieltag"},"content":{"rendered":"\n\n
\n\"\"\/\n<\/div>\n\n

\"\"<\/a><\/p>\n

8.30 Uhr. Wecker? Eher unn\u00f6tig. Geschlafen? Eher kurz. Heute ist Sonntag, der 19. Mai 2024 nach Christus. Pfingstsonntag. Seit Wochen denke ich nur mehr von Sonntag zu Sonntag. Die alte Floskel „ich schaue von Spiel zu Spiel“ bekommt pl\u00f6tzlich eine v\u00f6llig neue, nahezu k\u00f6rperlich sp\u00fcrbare Bedeutung. Werktags gehe ich meiner Arbeit nach, funktioniere. Sonntags: Ausnahmezustand.<\/em><\/p>\n

Salzburg ausw\u00e4rts, Hartberg daheim, LASK ausw\u00e4rts. Kein Sieg. 2:0 in Salzburg aus der Hand gegeben, Rote f\u00fcr Stankovic gegen Hartberg, Jatta-Lattenk\u00f6pfler in Linz… Trotzdem Tabellenf\u00fchrer. Aber noch nicht mehr. Heute, an diesem Pfingstsonntag, muss ein Sieg her. Austria Klagenfurt, unangenehmer Gegner. F\u00fcr die geht es um genau nix. Und genau das werden sie uns sp\u00fcren lassen. Gedanken wie diese sind es, die mir die ganze Woche durch den Kopf gehen. Durch den Kopf schie\u00dfen, eindreschen auf s\u00e4mtliche Synapsen zwischen Gro\u00df- und Kleinhirn.<\/p>\n

Das Fr\u00fchst\u00fcck lass ich aus. Kaffee muss reichen. Schwarz. Eh klar. Stunden sp\u00e4ter: Mittagessen? Unm\u00f6glich. „Kann nichts mehr essen, kann das alles nicht vergessen“ von Herbert Gr\u00f6nemeyer klingt im Ohr. Wieder: Kaffee muss reichen.<\/p>\n

Es ist 15.30 Uhr, ich gehe zum Stadion. Ich gehe extra eine Strecke voller Umwege und brauche nicht wie \u00fcblich 15 Minuten nach Liebenau sondern eine geschlagene Stunde. Das Gehen soll mich runterholen. Es hilft nicht. Der ganze Weg, vorbei am ORF Park und der Rot-Kreuz-Zentrale, ist wie ein endloser Stadiontunnel. Ich nehme das Handy raus und lese eine Story \u00fcber einen Kater aus England der einen akademischen Titel bekommen hat weil er viele M\u00e4use f\u00e4ngt. V\u00f6lligen Schwachsinn ziehe ich mir rein. Nur auf andere Gedanken kommen. Aussichtslos. Tunnelblick.<\/p>\n

Ich erreiche das Stadion, treffe mich mit Martin. Martin ist Sturm-Fan seit 2006, als er als Student aus Hamburg in die Steiermark kam. Heute ist er ausgebildeter Soziologe. Mit ihm habe ich schon den Titel 2011 gefeiert. Ich \u00fcberlege, ob ich ihn mit auf die Nord begleite oder auf die Pressetrib\u00fcne gehe. Ich entscheide mich f\u00fcr zweiteres. Vielleicht wirkt sich die Anwesenheit von Kollegen beruhigend auf mich aus. Ich kann ja sp\u00e4ter in die Kurve kommen, sag ich zu Martin. Er ruft mir noch nach: „Der Camara macht heut a Tor!“<\/p>\n

Auf den Pressepl\u00e4tzen kommt Reporter-Legende Walter Kowatsch-Schwarz auf mich zu. Er dr\u00fcckt mir ein kleines Steiermark-Herz in die Hand. „Stecks ein, das bringt Gl\u00fcck.“ Ich stecke es ein. Und hoffe.<\/p>\n

17 Uhr. Gro\u00dfartige Choreo der Nord, ausgeweitet aufs ganze Stadion. Es geht los. Neben mir steht die Legende schlechthin, Mario Haas. Das ganze Spiel \u00fcber. Ein gutes Omen? Sturm spielt gef\u00e4llig, aber Klagenfurt ist unangenehm, setzt immer wieder Nadelstiche. Biereth und Gazibegovic finden gute Chancen vor. Tor f\u00e4llt keines. Ich verlagere mein K\u00f6rpergewicht abwechselnd von links auf rechts und umgekehrt. Gehe einen Schritt nach vor, einen zur\u00fcck. Als ob ich in der Coaching Z<\/span>one stehen w\u00fcrde. In Bewegung bleiben. Sitzen? Undenkbar. Pause.<\/p>\n

In der Halbzeit sitze ich in der Presselounge. Normalerweise stehe ich immer in einer Ecke und unterhalte mich mit Kollegen. Das stehen hat doch Substanz gekostet, die Beine sind schwer und butterweich zugleich. Auf dem Bildschirm sehe ich die Tore aus Salzburg. Die Bullen f\u00fchren 3:1. Nach zehn Minuten stand es schon 2:0. Stand jetzt: Salzburg: Meister. Wir: nicht. Ich rede mit niemandem. Sitze nur da. Kein Handyempfang. Nach 15 Minuten retour nach oben. Ein Gedanke dominiert: was, wenn wir nicht schaffen? Was dann?<\/p>\n

Zweite Halbzeit. Wir brauchen ein Tor. Wir brauchen ein Tor! In den ersten f\u00fcnf Minuten des zweiten Durchgangs vergeben Horvath und B\u00f6ving Riesensitzer. Und in Salzburg f\u00e4llt ein Tor nach dem anderen. 4:1, 5:1.<\/p>\n

Minute 69. Eckball. W\u00fcthrich schraubt sich hoch. Und. k\u00f6pft. den. Ball. ins. Tor. Explosion. Ich finde mich in einem Kn\u00e4uel bestehend aus einem Ordner, Mario Haas und ORF-Mann Hannes Kargl wieder. Jeder umarmt jeden. Sturm! f\u00fchrt! Rauch aus der Kurve steigt auf. Doch pl\u00f6tzlich: Klagenfurt dr\u00fcckt immer mehr. Sturm schaltet in einen Verwaltungsmodus. Wie in Linz vor einer Woche. Was das dort f\u00fcr Folgen hatte, ist bekannt. Die K\u00e4rntner rennen um ihr Leben. Dabei geht es f\u00fcr die doch um nix! Doch sie sind wahre Sportsm\u00e4nner und geben Vollgas. Anders in Salzburg, wo der Noch-Meister schon 7:1 f\u00fchrt. Respekt LASK: so eine Charakterlosigkeit muss man erst mal bewerkstelligen.<\/p>\n

Dann Minute 80: ein verl\u00e4ngerter Ball der Klagenfurter findet keinen Abnehmer. Und wird immer l\u00e4nger. Und l\u00e4nger. Vorbei an Jaros – an die Stange. Mein Herz scheint nicht mehr zu schlagen, ich f\u00fchle nichts, atme erst wieder als Johnston das Ding aus der Gefahrenzone drischt. Nachspielzeit: drei Minuten. Langer Pass auf den eingewechselten Camara. Schuss. Langes Eck. ZWEI ZU NULL! Ich kriege die Arme nicht rauf weil ich sie mir vors Gesicht halte und sp\u00fcre: Ja, jetzt ist es geschafft. Mario Haas eilt nach unten Richtung Spielfeld. Er soll sp\u00e4ter die Meistermedaillen \u00fcberreichen. Dann ein Pfiff. Die Ersatzbank st\u00fcrmt schon Richtung Spielfeld. Doch zu fr\u00fch! Nur Einwurf. Stankovic kontrolliert die Kugel, alles safe.<\/p>\n

Dann doch: der Pfiff der ein altes Leben beendet und ein neues einleitet. Jenes als Meister. Ich stehe stumm da, klatsche zwischendurch mit Kollegen ab. Dann: ab zum Spielfeld. Ich verfolge die Teller\u00fcbergabe gemeinsam mit den Kollegen vom Sturm Echo. Als die Bierduschen absolviert sind, schlendere ich gedankenversunken zwischen den Spielern und Betreuern durch den Strafraum. Darf Hand anlegen an Meisterteller und Cup-Pokal. Bilder f\u00fcr die Ewigkeit. Es ist der sch\u00f6nste Meistertitel von allen. Weil er so verdient ist, weil er das Resultat solch gro\u00dfartiger Arbeit von Schicker, Ilzer und der ganzen Truppe ist. Als ich gerade auf der 16er-Linie schwarzwei\u00dfes Konfetti vom Rasen aufsammle, komme ich mit dem Meistertrainer ins Gespr\u00e4ch. „Du glaubst nicht, was uns dieser Titel bedeutet“. Ilzer nickt, sagt: „Das alles ist f\u00fcr die Menschen hier.“ Ein bedeutungsvoller Satz. Jeden Buchstaben nimmt man ihm ab, dem Mann, der Sturm in einer totalen Leere vor vier Jahren \u00fcbernahm und jetzt an die Spitze gef\u00fchrt hat.<\/p>\n

Ich sitze noch eine Weile in der Presselounge. Spieler und deren Familien, Journalisten, Funktion\u00e4re…die Stimmung ist gel\u00f6st. Irgendwann gehe ich. Vor dem Stadion erlebe ich das Feuerwerk das in den Nachthimmel der Meisterstadt geschossen wird. Dann mach ich mich auf den Heimweg. Diesmal ohne Umwege. Mich erreichen WhatsApp-Nachrichten von den Freunden aus Karlsruhe, aus Kroatien, aus Lignano; jeder freut sich mit. Am Neufeldweg begegnet mir ein \u00e4lteres Ehepaar. Der Herr h\u00f6rt das Feuerwerk, das noch immer erklingt, und fragt seine Frau: „Was ist denn da heute los um diese Zeit?“ Die Dame antwortet: „Ja wei\u00dft du denn nicht? Wir sind Meister.“<\/p>\n

Philipp Braunegger f\u00fcr abseits.at<\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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