{"id":94516,"date":"2024-09-15T11:50:44","date_gmt":"2024-09-15T09:50:44","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=94516"},"modified":"2024-09-05T17:08:11","modified_gmt":"2024-09-05T15:08:11","slug":"anekdote-zum-sonntag-240-ein-strike-zum-einstand","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/fusball-in-osterreich\/sonstiges\/anekdote-zum-sonntag-240-ein-strike-zum-einstand\/","title":{"rendered":"Anekdote zum Sonntag (240) \u2013 Ein Strike zum Einstand"},"content":{"rendered":"\n\n
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\"\"<\/a>Die Tendenz des SK Rapid ab den 80ern vermehrt Spieler aus Osteurop\u00e4er zu verpflichten, brachte den H\u00fctteldorfern – insbesondere bei manchen Fans ihres Stadtrivalen – die Schm\u00e4hbezeichnung \u201eFC Jugo\u201c ein. Gewisse Teile der gr\u00fcn-wei\u00dfen Anh\u00e4ngerschaft quittierten dies mit geschmacklosen Verweisen auf die j\u00fcdische Identit\u00e4t der Austria, die vor dem Hintergrund des Holocausts an Widerlichkeit nicht zu \u00fcberbieten ist. Man\/frau kann heute nur hoffen, dass nach dem Aussterben des kollektiven Fan-Rassismus bzw. -Antisemitismus irgendwann auch homophobe Schlachtges\u00e4nge auf \u00d6sterreichs Trib\u00fcnen Tabu sein werden.<\/p>\n

Ein Jugoslawe, der bereits 1963 vom \u00f6sterreichischen Rekordmeister umworben wurde, war der St\u00fcrmer Aleksandar Ivo\u0161. Ivo\u0161, der 1931 im heutigen Serbien geboren wurde, wechselte auch tats\u00e4chlich nach Wien, unterschrieb jedoch nicht bei Rapid, sondern beim 1. SC Simmering. Der Angreifer machte aus den Gr\u00fcnden f\u00fcr diesen Transfer keinen Hehl: \u201eMein Motiv war finanziell. Wenn man bei einem kleinen Verein im Ausland spielt, m\u00f6chte man viel Geld verdienen.\u201c<\/em> Ivo\u0161 hatte zuvor in der ersten und zweiten Liga seiner Heimat gekickt und avancierte nun zum Top-Verdiener des Traditionsvereins aus dem elften Wiener Gemeindebezirk. Simmering spielte damals in der h\u00f6chsten Spielklasse und war – nicht nur aufgrund des Qualtinger-Zitats \u201eSimmering \u2013 Kapfenberg, das nenn‘ ich Brutalit\u00e4t.\u201c<\/em> \u2013 ein Kultklub. Fans und Kollegen mochte den 1,70 Meter gro\u00dfen Angreifer, der auf dem Feld stets alles gab. F\u00fcr Peter Pumm, Gustl Starek und Co. war es kein Problem, dass Ivo\u0161 als Legion\u00e4r mehr kassierte als sie; sie bem\u00fchten sich ihn zu integrieren.<\/p>\n

Einmal ging die gesamte Simmeringer-Mannschaft in den Prater, wo es eine brandneue Bowlinghalle gab. \u201eXandi\u201c \u2013 wie man Ivo\u0161 im Team nannte \u2013 behauptete auf Nachfrage, er habe auch schon in seiner Heimat die mit dem Kegeln verwandte amerikanische Sportart ausprobiert. In Wahrheit war dem Kicker die Kugelschieberei jedoch v\u00f6llig unbekannt. Als er an der Reihe war nahm Aleksander also mit mulmigem Gef\u00fchl den Ball auf. Kurz stutzte er, als er die zwei L\u00f6cher f\u00fcr seine Finger entdeckte. \u201eHoffentlich kappe ich mir die Finger nicht ab.\u201c<\/em>, dachte er und schob vorsichtig Daumen sowie Mittel- und Ringfinger in die \u00d6ffnung. Als er nichts Scharfes ertastete, f\u00fchlte er Erleichterung und packte ordentlich zu. Nun versuchte es \u201eXandi\u201c seinen Kollegen gleich zu tun: Er trat nach vorne und warf die Kugel mit Schwung die Bahn hinunter. Und tats\u00e4chlich: Wie durch ein Wunder erledigte der Neo-Bowler alle zehn Pins auf einmal \u2013 Strike! Seine Teamkollegen jubelten! Ivo\u0161 Herz machte einen H\u00fcpfer; doch schnell wurde ihm bewusst, dass er trotz dieses Erfolges seine Tarnung aufrechterhalten musste: Ihm war klar, dass er diesen \u201eTausend-Gulden-Wurf\u201c nicht nochmals hinbekommen w\u00fcrde. Sp\u00e4testens beim n\u00e4chsten Versuch w\u00e4re seinen Mitspielern angesichts seiner wenig erprobten Technik klar, dass er vom Bowlen keine Ahnung hatte. Also griff sich Ivo\u0161 mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Schulter. Simmering\u2011Trainer Horejs erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei; darauf meinte \u201eXandi\u201c: \u201eJa, Trainer. Aber wissen Sie, ich hatte einmal eine Schulterverletzung. Vielleicht w\u00e4re es gut, wenn ich nicht kegeln w\u00fcrde.\u201c<\/em> Horejs nickte verst\u00e4ndnisvoll. Aleksandar Ivo\u0161 setzte sich mit klopfendem Herzen zu seinen Kollegen, die ihn zu seinem Volltreffer begl\u00fcckw\u00fcnschten. Noch lange Zeit erz\u00e4hlten sich die Simmeringer-Kicker, dass ihr \u201eXandi\u201c bei seinem Einstand einen glatten Strike erzielt hatte. Ivo\u0161 kl\u00e4rte sie \u00fcber die kuriosen Umst\u00e4nde nie auf.<\/p>\n

Als Simmering am Ende der Saison 1963\/64 absteigen musste, zog Aleksandar Ivo\u0161 weiter nach Belgien, wo er bei Beringen kickte. Dort beendete er nach drei Saisonen seine aktive Karriere und kehrte in seine Heimat zur\u00fcck. Bis zu seinem Pensionsantritt lebte er in Novi Sad und arbeitete als Fu\u00dfballfunktion\u00e4r. Der dreifache jugoslawischen Nationalspieler starb am 24. Dezember 2020 im Alter von 89 Jahren. \u00dcber seine kurze Spielerkarriere in Wien sagte er einmal knapp: \u201eIch verbrachte ein wundersch\u00f6nes Jahr in \u00d6sterreich.\u201c<\/em> Zu diesem sch\u00f6nen Jahr geh\u00f6rte wahrscheinlich auch die Erinnerung an jenen \u201elucky strike\u201c, der er beim ersten Bowlingspiel seines Lebens erzielt hatte. Ein Volltreffer!<\/p>\n

Marie Samstag, abseits.at<\/em><\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Die Tendenz des SK Rapid ab den 80ern vermehrt Spieler aus Osteurop\u00e4er zu verpflichten, brachte den H\u00fctteldorfern – insbesondere bei manchen Fans ihres Stadtrivalen – die Schm\u00e4hbezeichnung \u201eFC Jugo\u201c ein. Gewisse Teile der gr\u00fcn-wei\u00dfen Anh\u00e4ngerschaft quittierten dies mit geschmacklosen Verweisen auf die j\u00fcdische Identit\u00e4t der Austria, die vor dem Hintergrund…<\/p>\n","protected":false},"author":65,"featured_media":86106,"comment_status":"closed","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_expiration-date-status":"","_expiration-date":0,"_expiration-date-type":"","_expiration-date-categories":[],"_expiration-date-options":[]},"categories":[12],"tags":[11270,8076,10370,29919],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/94516"}],"collection":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/users\/65"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=94516"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/94516\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":94517,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/94516\/revisions\/94517"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/media\/86106"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=94516"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=94516"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=94516"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}