{"id":95098,"date":"2024-10-13T11:50:59","date_gmt":"2024-10-13T09:50:59","guid":{"rendered":"https:\/\/abseits.at\/?p=95098"},"modified":"2024-10-11T20:00:43","modified_gmt":"2024-10-11T18:00:43","slug":"anekdote-zum-sonntag-244-die-stunde-der-weinbergschnecke","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/abseits.at\/fusball-in-osterreich\/nationalteam\/anekdote-zum-sonntag-244-die-stunde-der-weinbergschnecke\/","title":{"rendered":"Anekdote zum Sonntag (244) \u2013 Die Stunde der Weinbergschnecke"},"content":{"rendered":"\n\n
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\"\"<\/a>Die US-amerikanische Autorin Patricia Highsmith hat Schnecken zu ihren Lebzeiten als ihre Lieblingstiere auserkoren: Nicht nur, dass die Gastropoda<\/em> in mehreren von Highsmiths Geschichten zum Teil tragende Rollen innehatten (\u201eTiefe Wasser\u201c oder \u201eDer Schneckenforscher\u201c), die geb\u00fcrtige Texanerin manifestierte ihren Ruf als Exzentrikerin einmal, indem sie eine Schnecke in ihrer Handtasche zu einer Party mitnahm und den Abend im steten Zwiegespr\u00e4ch mit dieser verbrachte.<\/p>\n

Highsmiths Begeisterung f\u00fcr die Kriechtiere ist jedoch die Ausnahme, denn grunds\u00e4tzlich erfreuen sich Schnecken bei Menschen nicht allzu gro\u00dfer Beliebtheit: Mancher ekelt sich gar vor den schleimigen Hermaphroditen; Gartenbesitzer versuchen sie mit Chemie oder Laufenten zu bek\u00e4mpfen und auch die Langsamkeit der Tiere wird gerne f\u00fcr einen uncharmanten Vergleich herangezogen.<\/p>\n

Letzteres tat vor Jahrzehnten auch ein gewisser Max Merkel<\/a>: Wortgewaltig f\u00e4llte der \u201eLange\u201c ein vernichtendes Urteil \u00fcber einen bekannten Rapidler: \u201eIm Vergleich zu Kienast ist eine Weinbergschnecke ein Laufwunder.\u201c, <\/em>t\u00f6nte er. Wie unfair \u2013 Merkel (und viele andere) verkannte(n), dass \u201eKienerls\u201c Qualit\u00e4ten einfach wo anders lagen: Andi Herzog bezeichnete den Defensiv-Allrounder sp\u00e4ter als den besten Techniker unter allen Verteidigern mit denen er je zusammengespielt hatte. Kienasts F\u00e4higkeiten am Ball f\u00fchrten allerdings dazu, dass er sich manchmal \u00fcbersch\u00e4tzte: Wenn der SCR-Kapit\u00e4n bei riskanten Dribblings in der Gefahrenzone den Ball verlor, pfiffen ihn die eigenen Fans gnadenlos aus. Dabei hielt der 1959 geborene vierzehn Saisonen lang die Knochen f\u00fcr die H\u00fctteldorfer hin und ist mit vier Meistertiteln, ebenso vielen Cupsiegen und der Finalteilnahme im Europacup 1985 der erfolgreichste Rapidler seiner Familie – wie bekannt ist spielten mit Bruder Wolfgang und Neffe Roman weitere Kienasts in gr\u00fcn-wei\u00df. Auch Reinhards Kopfballspiel und seine Ruhe z\u00e4hlten neben seiner \u00fcberragenden Technik zu seinen St\u00e4rken. Kein Wunder also, dass die \u201eWeinbergschnecke\u201c nach Steffen Hofmann und Peter Sch\u00f6ttel der Spieler mit den meisten Eins\u00e4tzen f\u00fcr die H\u00fctteldorfer ist. Im Nationalteam sollte Kienasts gro\u00dfe Stunde an einem Herbstabend schlagen; bei einem Freundschaftsspiel brachte \u201eKienerl\u201c Merkel und all seine Kritiker zum Schweigen:<\/p>\n

Am 29.\u00a0Oktober 1986 lud der \u00d6FB zur Neu-Er\u00f6ffnung des renovierten (und nunmehr \u00fcberdachten) Praterstadions seinen Lieblingsnachbarn zu einem Match ein. Der frischgebackene Vizeweltmeister mit Teamchef Beckenbauer erwartete sich von dem Ausflug nach Wien einen Kantersieg; doch letztendlich sollte Deutschland mit einer 1:4-Klatsche nachhause fahren: \u00d6sterreich ging zun\u00e4chst durch einen Elfer von Toni Polster in F\u00fchrung, diese konnte Rudi V\u00f6ller allerdings nach nur zwei Minuten egalisieren. Dann ging es aber Schlag auf Schlag: Erneut Elfmeter f\u00fcr \u00d6sterreich und \u201eToni-Doppelpack\u201c machte seinem Namen alle Ehre. Matth\u00e4us sah wegen Kritik rot ehe der Auftritt der \u201eWeinbergschnecke\u201c folgte: Reinhard Kienast erzielte zun\u00e4chst das 3:1 mit dem Kopf und konnte sp\u00e4ter unbedr\u00e4ngt mit einer Direktabnahme im F\u00fcnfmeterraum den Endstand fixieren.<\/p>\n

W\u00e4hrend Olaf Thon nach Schlusspfiff von einer \u201eKatastrophe\u201c<\/em> sprach, versuchte sich die deutsche Presse auf ein Experiment Beckenbauers und viel Pech auszureden. Tats\u00e4chlich muss man im R\u00fcckblick herausheben, dass mit Herbert Waas, Thomas H\u00f6rster oder Wolfgang Rolff Durchschnittskicker f\u00fcr den DFB am Platz standen. Auch Torwart Eike Immel verspr\u00fchte in diesem Freundschaftsmatch nicht gerade Sicherheit; Rekordnationalspieler Matth\u00e4us sah in Wien gar die einzige rote Karte seiner langen L\u00e4nderspielkarriere. Toni Polster hatte dagegen Grund zu jubeln: \u201eDiesen Sieg reihe ich angesichts der Rivalit\u00e4t weit oben ein, die Deutschen hatten damals ein Weltklasse-Team.\u201c<\/em>, meinte die Austria-Legende Jahre sp\u00e4ter. Besonders in Erinnerung blieb der Abend aber nat\u00fcrlich Reinhard Kienast: Niemand bem\u00e4ngelte sein fehlendes Tempo oder seine unn\u00f6tigen \u00dcbersteiger, an diesem Abend war der Rapidler der klassische Matchwinner. Zwei Tore gegen Deutschland schie\u00dft man nicht alle Tage. Kienasts Gl\u00fcckstr\u00e4hne sollte auch nicht abrei\u00dfen: Wenige Wochen sp\u00e4ter wurde der Verteidiger zum Fu\u00dfballer des Jahres gew\u00e4hlt und sollte im Fr\u00fchjahr 1987 mit Rapid die Meisterschaft holen. Weinbergschnecken – nicht nur in Frankreich echte Delikatessen.<\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Die US-amerikanische Autorin Patricia Highsmith hat Schnecken zu ihren Lebzeiten als ihre Lieblingstiere auserkoren: Nicht nur, dass die Gastropoda in mehreren von Highsmiths Geschichten zum Teil tragende Rollen innehatten (\u201eTiefe Wasser\u201c oder \u201eDer Schneckenforscher\u201c), die geb\u00fcrtige Texanerin manifestierte ihren Ruf als Exzentrikerin einmal, indem sie eine Schnecke in ihrer Handtasche…<\/p>\n","protected":false},"author":65,"featured_media":49145,"comment_status":"closed","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_expiration-date-status":"","_expiration-date":0,"_expiration-date-type":"","_expiration-date-categories":[],"_expiration-date-options":[]},"categories":[9],"tags":[8076,10370,9788,124,6707],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/95098"}],"collection":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/users\/65"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=95098"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/95098\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":95099,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/95098\/revisions\/95099"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/media\/49145"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=95098"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=95098"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/abseits.at\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=95098"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}