Borussia Mönchengladbach war die Überraschungsmannschaft der abgelaufenen Bundesligasaison. Sicherte sich man 2010/2011 im allerletzten Moment noch den Klassenerhalt, stürmte das Team in atemberaubender Manier... Euphorie dank teurer Neuzugänge – das ist Borussia Mönchengladbach 2012/2013

Borussia Mönchengladbach war die Überraschungsmannschaft der abgelaufenen Bundesligasaison. Sicherte sich man 2010/2011 im allerletzten Moment noch den Klassenerhalt, stürmte das Team in atemberaubender Manier letzte Saison ins Spitzenfeld der deutschen Liga. Dieser Erfolgslauf forderte allerdings auch seinen Aderlass, denn drei wichtige Stützen mussten die Fohlen ziehen lassen. Um diese Abgänge vergessen zu machen nahm man am Niederrhein jede Menge Geld in die Hand. abseits.at wirft einen Blick auf die Transferzeit und wagt eine Vorschau auf die anstehende Spielzeit.

Der Löwenanteil an der erfolgreichen letzten Saison, die man auf Platz vier abschloss, wird Marco Reus zugeschrieben. Mit 18 Toren und 12 Assists hievte er die Fohlen von der Abstiegsrelegation ins Playoff der Champions League. Das weckte Begehrlichkeiten und so wechselte der 23-Jährige für über 17 Millionen Euro zum deutschen Doublesieger Borussia Dortmund, wo er Shinji Kagawa ersetzen soll. Wenn man aus Gladbacher Sicht etwas Positives in diesem Wechsel sehen will, so ist dies – neben der hohen Ablösesumme – die Tatsache, dass der Transfer bereits im Jänner abgewickelt wurde. Dadurch hatten die Verantwortlichen genug Zeit um einen geeigneten Ersatz zu suchen. Gefunden hat man ihn schließlich in der niederländischen Eredivisie. Twente-Angreifer Luuk de Jong stellt nämlich den Abschluss des über 30 Millionen schweren Einkaufsprogramms dar.

Alvaro Dominguez für Dante

Dass der fünffache deutsche Meister eine derartige Summe in den Transfermarkt investierte und damit selbst Bayern München in den Schatten stellte, lag daran, dass wie eingangs erwähnt mehrere tragende Säulen wegbrachen. So verteidigt Abwehrhüne Dante ab der kommenden Saison für den Rekordmeister. Der Brasilianer war ein wichtiger Baustein im Defensivspiel der Gladbacher, räumte mit seiner kompromisslosen Zweikampfführung in der Verteidigungslinie ab. Darüber hinaus war er die erste Instanz im Spielaufbau. Mit sicheren Pässen auf die Mittelfeldspieler lenkte er die Geschicke von hinten heraus. Den Platz des 28-Jährigen nimmt Alvaro Dominguez ein. Für den 21-Jährigen überwiesen die Borussen kolportierte acht Millionen Euro auf das Konto von Europa-League-Sieger Atletico Madrid. Der Nachfolger des Publikumslieblings gilt im Lande des Welt- und Europameisters als großes Abwehrtalent und wurde von Teamchef del Bosque auch in den vorläufigen Kader für die Endrunde in Polen und der Ukraine nominiert. „In Spanien verstehen wir den Job des Innenverteidigers so, dass der Abwehrspieler nicht nur Zweikampfhärte mitbringen muss, sondern auf dem Feld auch so eine Art erster Spielmacher hinter dem nominellen Spielmacher ist. Und ich denke, dass ich beides mitbringe, die notwendige Aggressivität auf der einen, aber auch die gute Ballkontrolle auf der anderen Seite“, beschreibt Dominguez seinen Spielstil. Die Lücke, die Dantes Wechsel in die Mannschaft riss, ist jedoch groß und dass Dominguez aufgrund seiner Teilnahme bei den olympischen Spielen nach nur vier Trainingstagen wieder abreisen musste, stellt Gladbach vor eine große Aufgabe. Die Abstimmung der Abwehrspieler ist für Trainer Lucien Favre enorm wichtig und war der Grundstein dafür, dass sein Team 2011/2012 die zweiwenigsten Gegentore hinnehmen musste.

Granit Xhaka für Roman Neustädter

Einen ebenso wichtigen Teil nahm die Kontrolle des Mittelfelds für sich in Anspruch. Für diese sorgten vor allem Havard Nordveidt und Roman Neustädter, die sowohl defensive Stabilität gewährleisteten als auch eine hohe und sichere Passfrequenz mitbrachten. Letzterer wird der Borussia in der neuen Saison jedoch nicht mehr zur Verfügung stehen, da er ablösefrei zum FC Schalke 04 wechselte. Aber auch in dieser Personalie hatten Sportdirektor Max Eberl & Co. relativ früh Gewissheit und präsentierten mit Granit Xhaka einen hochkarätigen Neuzugang im zentralen Mittelfeld. Rund 8,5 Millionen Euro ließ man sich die Dienste des Youngsters aus Schweiz kosten. Trotz seiner erst 19 Jahre verfügt der Ex-Basler über jede Menge Erfahrung. Einsätze in der Champions League und der Europa League sowie der Schweizer „Nati“ und Teilnahmen an zahlreichen internationalen Jugendturnieren zieren die Vita des gebürtigen Kosovaren. Dementsprechend wird Xhaka auch viel Verantwortung aufgebürdet. Die fußballerischen Eigenschaften sind jenen von Neustädter sehr ähnlich, in einigen Bereichen sogar noch höher einzuschätzen. Während das Duo Nordveidt/Neustädter hauptsächlich für horizontale Pässe und Seitenverlagerungen standen, bringt Xhaka weitere Dimensionen ins Spiel ein und soll aus der Mitte heraus die Offensivleute einsetzen – etwas, das in der letzten Saison fehlte. Dadurch verschiebt sich die Aufgabenverteilung auf der Doppelsechs. Waren sie in der Vergangenheit zwischen Nordveidt und Neustädter noch annähernd gleichverteilt – wobei der Norweger einen Deut defensiver agierte – ist anzunehmen, dass in der anstehenden Saison  auch vom zentralen Mittelfeld mehr Impulse nach vorne ausgehen werden. „Ich sehe mich von Haus aus als Spielgestalter. In Basel musste ich das Spiel von hinten machen, in Gladbach erwarte ich, häufiger nach vorne stoßen zu können und zum Abschluss zu kommen“, so Xhaka, der im Gegensatz zu Dominguez nicht in London gegen den Ball treten wird. „Auf dem Platz verstecke ich mich nicht. Ich will und fordere den Ball, das ist mein Spiel, das macht mir am meisten Spaß. Nur so kann ich meine Leistung bringen.

Luuk de Jong für Marco Reus

Den Königstransfer hoben sich die Verantwortlichen für den Schluss auf. Am Mittwoch wurde nach zähen Verhandlungen mit Luuk de Jong der Wunschnachfolger für die vakante Stürmerposition offiziell vorgestellt. Die Höhe der Ablösesumme streut sich in den Medien relativ weit. War zu Beginn noch von 16 Millionen Euro die Rede, berichten einige Portale und Zeitungen nun von 14 bzw. 12 Millionen plus Bonuszahlungen – wie auch immer, er ist damit der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte. Feststeht auch, dass der 21-Jährige einen Vertrag bis 2017 unterschrieb und jede Menge Qualität mitbringt. In 75 Ligaspielen für Twente erzielte er 39 Tore und gehörte zum Kader der Nationalmannschaft bei der letzten EM. Zahlreiche europäische Spitzenvereine jagte den Stürmer, warum er sich letztlich für den deutschen Traditionsklub entschied, erklärt de Jong so: „Der Club hat sich im vergangenen Jahr gut entwickelt und ist Vierter geworden in der Liga. Ich wollte unbedingt in der Bundesliga spielen, für einen attraktiven Verein. Und Borussia ist ein attraktiver Verein. Ich möchte mich weiter entwickeln, und ich glaube, die Bundesliga ist dafür ideal. Das ist ein anderes Niveau als in den Niederlanden. Hier gibt es jedes Wochenende Spiele gegen starke Gegner. Außerdem weiß ich, dass Borussia viele tolle Fans und eine tolle Atmosphäre im Stadion hat.“ Der Niederländer soll der neue Fixpunkt in Gladbachs Angriff werden. Man könne Reus nicht eins zu eins ersetzen, sagte Eberl nach der Saison. Das ist sowohl hinsichtlich der finanziellen Möglichkeiten als auch in Bezug auf dessen Spielweise zu sehen. Der Neo-Dortmunder legte sein Spiel extrem variabel an, kam obwohl er nominell als Stürmer geführt wurde über den Flügel oder aus der Tiefe. Da sich auch sein Sturmpartner Mike Hanke viel bewegte nahm die Formation 4-2-4-0-Gestalt an. Mit de Jong ist eine leichte Verschiebung hin zum 4-2-3-1 oder je nach Nebenmann auch 4-4-2 zu erwarten. „Ich bin Stürmer. Also soll ich Tore machen. Das ist mir in der vergangenen Saison gut gelungen. Ich kann mit dem Rücken zum Tor angespielt werden, kann aber auch Flanken verarbeiten oder Bälle in die Tiefe aufnehmen und auf das Tor ziehen. Mit kreativen Spielern um mich herum kann ich gut zusammen spielen. Ich hoffe, dass ich diese Qualitäten auch bei Borussia zeigen kann“, sprach de Jong bei seiner Vorstellung über seine Qualitäten.

Mehr Kaderbreite dank weiterer Neuzugänge

Neben den drei ausführlich erwähnten Akteuren, deren Engagement auf die Abgänge ihres jeweiligen Pendants zurückzuführen ist, investierte Gladbach vor allem in die Breite des Kaders, die letzte Saison einen noch besseren Saisonabschluss verhinderte. Von der TSG Hoffenheim kam Stürmer Peniel Mlapa, Anderson und Lukas Rupp kehrten von ihren Leihstationen Eintracht Frankfurt bzw. Paderborn zurück. Weiters holte man mit Amin Younes und Branimir Hrgota zwei hoffnungsvolle Offensivtalente ins Boot. Die vergangene Spielzeit soll also keine Ausnahme darstellen. Mit derselben Taktik und Spielweise will Lucien Favre weiter erfolgreich Fußball spielen lassen. Zwar ergeben sich aufgrund der Wechsel von Dante, Neustädter und Reus geringfügige Änderungen, eine Philosophieänderung scheint aber unwahrscheinlich. Die Defensive soll einmal mehr der Grundstein sein. Die beiden Außenverteidiger werden dabei situativ für Enge gegen bzw. Breite mit dem Ball sorgen. Mit Xhaka bekommt man eine zusätzliche Komponente im zentralen Aufbauspiel, während de Jong das Spiel in vertikaler Richtung strecken könnte. Ob sich auch die Spiele ähneln werden bleibt jedoch abzuwarten. Auf das überfallsartige Umschaltspiel stellten sich die Gegner weitestgehend schon zum Ende der letzten Saison ein. Sie liefen weniger blauäugig in Konter und überließen vermehrt den Borussen das Spiel. Gerade mit dem durchschlagskräftigen Mlapa ortet man hier ein Rezept gegen tiefstehende Defensivreihen gefunden zu haben. Gemeinsam mit de Jong könnte er neben den Innenverteidiger auch noch einen weiteren Spieler binden, wodurch Xhaka mehr Platz ermöglicht wird. Bisher waren es hauptsächlich die Flügel im Verbund mit den ausweichenden Stürmern, die der Dosenöffner sein sollten, die getätigten Transfers ermöglichen nun aber ein variantenreicheres Angriffsspiel. Die steigende Euphorie und der aufkommende Mut sind also vollkommend begründet, dennoch bleibt abzuwarten wie sehr und wie schnell sich die Neuzugänge integrieren können und Gladbach mit der Favoritenrolle in so manchem Spielen umgehen wird.

axl, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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