Ob rote Bänder am Handgelenk, stundenlanges Meditieren oder „Auditing“ – meist sind es Berühmtheiten aus der Unterhaltungsindustrie, die mit fremdartigen religiösen Praktiken Schlagzeilen machen.... G’schichterln ums runde Leder (3) – Lars und der Fußball

Ob rote Bänder am Handgelenk, stundenlanges Meditieren oder „Auditing“ – meist sind es Berühmtheiten aus der Unterhaltungsindustrie, die mit fremdartigen religiösen Praktiken Schlagzeilen machen. Oft – aber nicht immer-, ist es nur harmlose Spiritualität. Lars Elstrup war einer, der wenigen Fußballprofis, die in die Fänge einer Sekte gerieten. 2011 erzählte der damals 48-jährige Däne, seine gesamten Habseligkeiten würden heute in zwei Kartons passen. Zwar lebt er immer noch von seinen Ersparnissen, die er bei Feyenoord Rotterdam, Odense BK und Luton Town verdient hat, viel Zaster, Freunde, Erinnerungsstücke und sein guter Ruf sind jedoch unwiederbringlich verloren gegangen. Die Geschichte des dänischen Ex-Nationalspielers ist so ungewöhnlich wie selten, doch an Elstrups traurigem Schicksal ändert das gar nichts.  

Die Älteren unter uns erinnern sich noch an den Europameistertitel der dänischen Nationalmannschaft im Jahr 1992. Die Nordeuropäer waren für das vom Bürgerkrieg zerrissene Jugoslawien nachgerückt und schafften die Sensation: Mit einer erfrischenden Kombination aus Hippie-Attitüde, Glück und Wikingermut wurden sie überraschend Turniersieger. Peter Schmeichel, Brian Laudrup und Co. amüsierten sich beim Minigolf, futterten Burger und Pommes und schauten nur von Spiel zu Spiel. Das Kunststück gelang und plötzlich waren die Bestandteile von „Danish Dynamite“ in ganz Fußballeuropa begehrt. Für einen aus der Mannschaft sollte es jedoch bergab gehen. Sein Absturz kam – wie der Titel – aus dem Nichts: Lars Elstrup saß im Finale gegen Deutschland mit versteinertem Gesicht auf der Bank. Seine Mannschaft dominierte das DFB-Team nach Belieben und so blieb ein Einsatz des 29-jährigen Edeljokers überflüssig. Zweimal war der Stürmer im Laufe der Endrunde eingewechselt worden und hatte Dänemark mit seinem Tor gegen Frankreich den Aufstieg ins Halbfinale ermöglicht.

Nach dem dänischen Meistertitel mit Odense BK war der Angreifer einst für eine Ablösesumme von 850.000 Pfund teuerster Einkauf der Klubgeschichte von Luton Town gewesen. Nördlich von London kickte der Stürmer ab 1989 zwar nur zwei Jahre, erspielte sich aber in seiner letzten Saison den Ruf des „Danish Magician“: Elstrup wusste sich durchzusetzen, war kopfballstark und torhungrig. Er versäumte 1990/91 nur zwei Spiele und bewahrte Luton unter anderem mit einem Hattrick innerhalb einer Viertelstunde gegen Norwich und dem Siegestor gegen Derby County vor dem Abstieg. Meinungsverschiedenheiten finanzieller Natur führten aber dazu, dass Elstrup im Sommer zurück in seine Heimat wechselte.

Auf den Hund gekommen

Ein Jahr später befand sich der Offensivspieler in einer schweren menschlichen Krise. Manche behaupten, seine Probleme hätten schon in England begonnen, als er seinen Stammplatz bei den Weiß-Schwarzen an Iain Dowie verloren hatte. Laut eigenen Angaben hatte der Fußballer mit Suizidgedanken und Depressionen zu kämpfen. Anstatt seinen Frust mit Alkohol wegzuspülen oder exzessiv zu feiern (wie es viele erfolgreiche Menschen tun), suchte der Däne spirituellen Halt: So geriet er in die buddhistische Sekte „Sangha“ und machte im Alter von nur 30 Jahren mit dem Profisport Schluss. Elstrup rasierte sich den Schädel, nannte sich von nun an „Darando“ („Der Fluss, der ins Meer fließt“) und wurde wunderlich.

Sportlich war es um den Mann, der kurz vor seinem Rücktritt noch das erste Tor des Cupfinales erzielt hatte, bald ruhig. Aufsehen erregte Elstrup erst wieder, als er sich in einer Kopenhagener Fußgängerzone auszog. Später spielte er in der Öffentlichkeit mit seinem Penis. Diese exhibitionistischen Ausrutscher waren selbst für „Sangha“ zu viel. Sie schmissen den Europameister von 1992 aus ihrer Gruppe, nachdem dieser ein Kind geschlagen und so für schlechte Publicity gesorgt hatte. Elstrup war erbost und beschwerte sich: „Sie haben meinen Hund Devi gestohlen!“. Zeitungen ließ er wissen, er wolle vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Sekte Klage erheben.

Spätestens jetzt wusste ganz Dänemark, dass ihr Ex-Nationalspieler wirkliche Probleme hatte. Elstrup gründete eine eigene Gruppe und richtete sich eine Webseite ein, wo er fortschreitend über seine „Selbstheilung“ berichtete und exhibitionistische Fotos postete. Odense ließ ihn zunächst nicht fallen und bot ihm 2000 an, probeweise mit den Profis zu trainieren. Der Versuch sich sportlich wieder einzugliedern misslang jedoch. Elstrup spielte sporadisch im Amateurbereich und arbeitete als Experte. Seine Aussetzer gingen jedoch weiter: Bei einem Besuch in Großbritannien beobachtete er ein Juxmatch im Regents Park, zog sich bis auf die Unterhose aus, wechselte sich selbst ein, schoss fünf Tore und verließ die Szenerie wieder. Selbstverständlich ohne sich anzukleiden. Britische Polizisten verhafteten ihn später, als er am Trafalgar Square inmitten von Touristen mit der Hand in der Unterhose dastand. In England versuchte Elstrup spirituelle Seminare zu geben. Für 30 Cent ließ er Allerweltsbotschaften wie „Lebe heute! Gestern ist vorbei. Morgen ist noch nicht da.“ vom Stapel.

Ende der 2000er-Jahre zog sich Lars Elstrup auf sein Hausboot im Kopenhagener Hafen zurück. Vorwiegend nackt gab er dänischen Zeitungen Interviews, in denen er über sein Leben als „millionenschwerer Landstreicher“ sprach. Seine EM-Medaille ließ er versteigern und spendete den Gewinn. Er lebte allein, ohne Familie und hielt selbst zu seinen Eltern und Bruder Peter, der zeitweise Trainer des gemeinsamen Stammklubs Randers FC war, nur sporadisch Kontakt. Nachdem sein Boot gekentert war, übersiedelte der Ex-Profi aufs dänische Land und verkündete sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Das funktioniert nicht so ganz: Nach einer Schlägerei wurde Elstrup festgenommen. 2016 folgte der vorläufige „Höhepunkt“: Der einstige Spitzenstürmer flitzte während des Erstliga-Spiels zwischen Randers FC und Silkeborg IF über das Spielfeld und landete so wieder in sämtlichen Sportberichterstattungen. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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