Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen... Wiederholung in Zeitlupe (21) – Roland Linz wird 40 (KW 32)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografien im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Gedanken machen wir uns dabei über Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat: An diesem Sonntag gratulieren wir Ex-Stürmerstar Roland Linz, der am 9. August seinen 40. Geburtstag gefeiert hat…

Hoffnungsträger. Weitgereister. Meisterkicker.

Österreich lag in der FIFA-Weltrangliste auf Platz 62, hatte über sich Schottland und den Irak und unter sich Thailand und Angola, da sagte der damalige Teamchef Hans Krankl nach einer Testspielniederlage gegen die Schweiz: „Um dieses Sturmduo wird uns einmal halb Europa beneiden.“ Als die Hälfte des Sturmduos im März 2019 ihre Karriere beendete, lag Österreich auf Platz 16 der FIFA-Weltrangliste und die andere Hälfte des Duos war seit fast fünf Jahren vereinslos: Roman Wallner beehrte viele österreichische Bundesligisten und spielte unter anderem in Schottland und Griechenland nachdem sein Versuch sich bei Hannover 96 in sportlich höhere Sphären zu katapultieren gescheitert war. 36 Jahre war der gebürtige Grazer alt, als er die Fußballschuhe an den Nagel hing: Promille beim Training, Unflätigkeiten gegenüber einer Stewardess, Pizzaliebe und kurze Halbwertszeiten bei Vereinen sind jene Schlagworte, die einem einfallen, wenn man an seine Karriere denkt. Roland Linz, die andere Hälfte des angesprochenen Sturmduos, hat seine aktive Laufbahn dagegen bis heute nicht offiziell beendet. Jedoch hat uns kaum eine Nationalmannschaft um die beiden Kicker beneidet – vielleicht Thailand, der Irak oder Angola – tatsächlich gab es aber im modernen Fußball keinen Platz für die beiden Offensivkicker: Wallner war als Mittelstürmer zu klein, als Flügelstürmer zu langsam, seinem steirischen Landsmann dagegen sprach man die Fähigkeit zur Selbstkritik ab. Krankls Prognose ist demnach nicht eingetroffen, trotzdem hat dieser Satz die Karrieren von Wallner und Linz geprägt. Die Mutmaßung beruhte auf Tatsachen, denn Linz spielte sogar einmal ein Probetraining beim FC Barcelona.

Begonnen hat Roland Linz in seiner Heimat Leoben als vierjähriger Knirps mit Judotraining. Rasch entdeckte er jedoch seine fußballerischen Talente und schnürte seine Fußballschuhe beim Traditionsreichen DSV Leoben – zeitweise gemeinsam mit seinem späteren Austria-Teamkollegen Marko Stankovic. Erste TV‑Erfahrung sammelte er als 12-Jähriger beim Gewinn des Schülerligatitels als er dem Staatsrundfunk ein Interview gab. Drei Jahre später wechselte der Stürmer in den Nachwuchs von 1860 München: „Es war anfangs sehr schwierig. Taschengeld habe ich mir mit Kartenverkauf dazuverdient.“, erzählte er über seine zwei Jahre in der bayrischen Hauptstadt. Nach 53 Spielen und 27 Toren wurde der Steirer von dem von Frank Stronach gesponsertem FK Austria Wien verpflichtet und übersiedelte nach Mödling bei Wien. Bei den Veilchen machte sich der Jungspund rasch einen Namen: Er sorgte für Torgefahr, war ein echter Knipser und Goalgetter. Noch als Ergänzungsspieler wurde er fürs Nationalteam nominiert und feierte sein Debüt am 27. März 2002 gegen die Slowakei. Fußballfans des ganzen Landes waren guter Hoffnung, dass „Roli“ eine große Karriere bevorstünde.

Doch schon die Meistersaison der Violetten 2002/2003 erwies sich als kompliziert: Linz war der Konkurrenz nicht gewachsen, hatte eine miserable Torbilanz vorzuweisen und wurde meist nur eingewechselt. Zudem hörte man munkeln, dass der Stürmer nicht den notwendigen Biss vorweisen konnte und auch langen Partynächten nicht abgeneigt war. Kurz gesagt: Bei der Austria war vorerst Endstation für den gebürtigen Leobener. Er wurde zur Admira, die er mit seinen Toren vom Abstieg rettete, verliehen und kam über den OGC Nizza zu Sturm Graz. Dort machte er vier Tore in 13 Spielen und wollte in der steirischen Landeshauptstadt bleiben, doch sein vertraglicher Arbeitgeber waren immer noch die Violetten, die – in Person von Manager Kraetschmer – nicht kapierten, warum sich Linz nicht in Wien durchsetzen wollte: „Ich versteh’ Roland nicht. Warum stellt er sich nicht der Herausforderung? Austria kann keine geschützte Werkstätte mit Fixleiberl sein.“ Der Deal mit Sturm platzte und überraschenderweise spielte der 1,85 Meter große Angreifer seine erfolgreichste Saison bei den Wienern: Er wurde österreichischer Torschützenkönig und holte mit dem Klub den Meistertitel und ÖFB-Cup. Auch im ÖFB-Nationalteam hatte der Mittzwanziger mittlerweile einen Stammplatz. Fußballösterreich fragte sich, ob Hans Krankls Vorhersehung doch noch wahr werden sollte, als Linz in die erste portugiesische Liga zu Boavista Porto wechselte. Doch der rasante Aufstieg stoppte, denn im Nationalteam begann der Offensivspieler seine Kilometer mit halber Kraft abzuspulen. Das brachte ihm herbe Kritik ein. Kurz vor der Heim-EURO 2008 zerschlug sich auch noch ein Transfer zum großen FC Porto. Linz ging stattdessen zu Sporting Braga, ehe es für ihn über Grasshoppers Zürich in die Türkei ging. Während er bei seinen übrigen Auslandsstationen schon bis zu einem gewissen Grad Fuß fassen konnte, lief es bei Gaziantepspor gar nicht. Schließlich nahm ihn sein Stammverein zunächst nur für ein halbes Jahr plus Option unter Vertrag, aber es schien, als sei der Angreifer gereift: Linz spielte kontinuierlich stark, erzielte nach der Winterpause in fünfzehn Spielen sechs Tore für die Austria. Eine Saison später griffen die Veilchen in ihrer 100-Jahr-Jubiläumssaion nach dem Titel, auch weil die Tormaschine aus Leoben wie am Fließband traf. Roland Linz wurde 2011 wieder Torschützenkönig, doch als die Veilchen zwei Jahre später Meister wurden, weilte er in tropischer Hitze. „Roli“ hatte sein Stammleiberl verloren und buchte – ganz Linz-Style – einen Flieger nach Thailand. Ab Jänner 2013 ging er dort für Muangthong United auf Torejagd, danach folgte mit Belenenses Lissabon seine bisher letzte Klubstation.

Vielleicht lag es genau an dieser „Ich-bin-schon-weg-Mentalität“: „Linz ist zu schnell mit etwas zufrieden.“, urteilte etwa Ex-Austria Trainer Ivica Vastic über die Einstellung des Angreifers. Immer wieder bemängelte man die Fähigkeit des Steirers sich zu überwinden. Dazu kam, dass er einen aussterbenden Fußballertyp verkörperte: Typische Stürmer, die à la Toni Polster nur vorne auf die Bälle warten, gibt es kaum mehr. Linz jedoch ließ sich nur selten zurückfallen, um die Kugel aus dem Mittelfeld zu holen, dieses Manko konnte auch seine sensationelle Torquote nicht wettmachen. Er traf zwar an guten Tagen beidfüßig oder mit dem Kopf aus jeder erdenklichen Position und konnte sich gegen jeden Verteidiger durchsetzen, für eine Weltkarriere reichte das jedoch nicht. Dazu kam seine Einstellung, die ihn bei Problemen schnell das Handtuch werfen ließ. Da änderte auch die „erzieherische Maßnahme“ des damaligen Austria-Trainers Daxbacher nichts daran, der Linz zum Kapitän der Veilchen in der Hoffnung, er wurde mehr Verantwortung tragen, machte. So wurde der eigenbrötlerische Stürmer nur „weltberühmt in Österreich“. Roland Linz ist eine Austria-Legende, Tormaschine und echter Typ. Alles Gute zum 40er!

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag