Borussia Dortmund marschiert in der deutschen Bundesliga weiter vorne weg und konnte auch das Revierderby gegen Schalke 04 verdient mit 2:1 für sich entscheiden.... Analyse: Dortmund nach Derbysieg weiter auf Titelkurs

Borussia Dortmund marschiert in der deutschen Bundesliga weiter vorne weg und konnte auch das Revierderby gegen Schalke 04 verdient mit 2:1 für sich entscheiden. Die Zuschauer in der Veltins-Arena bekamen dabei ein taktisch gut entwickeltes, intensives und spannendes Spiel zu sehen.

Beide Teams agierten gegen den Ball wie gewohnt äußerst aufmerksam und griffig, aber sowohl die Mannen von Domenico Tedesco als auch jene von Lucien Favre hatten in der Spieleröffnung neben einer sauberen Raumaufteilung auch kreative Lösungsansätze und Entscheidungsfindungen, allerdings mit dem besseren Ende für den Tabellenführer aus Dortmund.

Die Power und individuelle Qualität des BVB im Angriffsdrittel hat schlussendlich den Ausschlag gegenüber den strukturellen Anpassungen von Tedesco gegeben, dem neben den Anfälligkeiten bei Standardsituationen auch die äußerst überschaubare Spielerbesetzung auf den Offensivpositionen diesen Herbst zum Verhängnis wurde.

Wir analysieren das Derby kurz und blicken dabei auf die Schalker Raute, deren Pressing sowie die offensiven Lösungsmöglichkeiten des BVB, die nebenbei mit einem blitzsauberen Mittelfeldpressing potentielle Unterzahlsituationen sehr effektiv balancieren konnten. Kein Wunder möchte man fast sagen, wenn ein Trainer namens Favre an der Seitenlinie steht.

In der Raute den Gegner auf den Flügel lenken, …

Tedesco positionierte seine Elf gegen den Ball in einer 4-3-1-2 Ordnung. Der Tiroler Alessandro Schöpf nahm dabei die rechte Achterposition ein, neben ihm im Mittelfeld agierten Rudy als alleiniger Sechser sowie Harit als zweiter Achter im linken Halbraum.  Bentaleb ordnete sich sozusagen als klassischer Zehner hinter den beiden Spitzen McKennie und Burgstaller ein. Bitter für ÖFB-Teamspieler Guido Burgstaller, der bereits Mitte der ersten Hälfte verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste. Für Burgstaller kam der nominell linke Außenverteidiger Mendyl. Auch das sagt schon einiges über das aktuelle Schalke aus.

Im Spiel gegen den Ball waren aber Leidenschaft und läuferischer Aufwand groß, dazu passte die Organisation und Raumaufteilung auf Seiten der Königsblauen. Das Ziel mit der Raute war dabei klar. Man wollte das spielstarke Zentrum des BVB um Witsel, Delaney und Reus geschlossen halten, den Spielaufbau der Dortmunder frühzeitig auf die Flügel lenken und dann dort mit den entsprechenden aggressiven Verschiebebewegungen Raum und Zeit für den ballführenden BVB-Spieler verknappen und den Angriff abwürgen bzw. im besten Fall den Ball für eine eigene Umschaltaktion gewinnen. Und das funktionierte über weite Strecken sehr passabel, vor allem im ersten Durchgang.

Im Detail sah das so aus, dass sich die beiden Stürmer Burgstaller und McKennie sehr hoch positionierten und immer Kontakt zu den beiden Innenverteidigern hielten. Vereinzelt gingen die beiden Stürmer auch ins aktive Angriffspressing über und attackierten die gegnerischen Innenverteidiger. Im Regelfall war es aber so, dass sie die horizontale Ballzirkulation zwischen Diallo und Hakimi zuließen und sich stattdessen darauf konzentrierten, den Sechserraum des BVB zusammen mit Zehner Bentaleb im Dreieck kompakt zuzustellen.

Der Spielaufbau durch das Zentrum über die beiden Sechser Witsel und Delaney war daher für die Mannschaft von Lucien Favre äußerst schwer möglich bzw. mit viel Risiko verbunden, weshalb die beiden Innenverteidiger häufig den diagonalen Pass auf die Außenverteidiger wählen „mussten“. Genau dort wollten die Schalker nämlich den Ball haben und waren dementsprechend vorbereitet. Der ballnahe Achter fühlte bereits vor und schob beim Pass auf den Außenverteidiger vom Halbraum auf den Flügel durch, wo er mit Unterstützung der Seitenoutlinie den ballführenden Gegenspieler aggressiv unter Druck setzen sollte. Die Bewegungen der umliegenden Spieler waren ebenfalls konsistent und schlüssig. Sechser Rudy schob zur Seite nach und verstärkte den ballnahen Raum bzw. nahm je nach Situation Reus auf, Zehner Bentaleb ging auf den ballnahen Sechser des BVB und stellte den horizontalen Passweg zu und eine Linie dahinter orientierten sich die Außenverteidiger an den gegnerischen Flügelspielern. An und für sich ein in sich geschlossenes System mit Zugriff und viel Kompaktheit auf der ballnahen Seite, allerdings in einigen Situationen mit (zu) weiten Laufwegen (vor allem für die Achter) für die verteidigenden Spieler. Gegen den Großteil der Mannschaften reicht dies vermutlich auch aus, gegen den BVB in seiner derzeitigen Verfassung und mit derartigen Qualitäten auf den Flügelpositionen kann das aber schon zu viel sein.

… der das dankend annimmt

Die Dortmunder ließen sich auf dieses Spiel ein und versuchten erst gar nicht lange, zwanghaft über das Zentrum zu spielen. Favre positionierte seine Mannschaft bei eigenem Ballbesitz wie gewohnt in einer breit aufgefächerten 2-4-4 Organisation mit breiten Außenverteidigern, vertikal versetzten Sechsern und im Normalfall mit breiten Flügelspielern, die je nach Situation und Verhalten der eigenen Außenverteidiger auch etwas einrücken konnten. Im Zentrum rochierten Reus und Alcacer durch die Räume neben Rudy und gaben so dem Spiel den notwendigen Funken Variabilität und Tiefe.
Was den BVB unabhängig von Organisation und Raumaufteilung derzeit so stark macht ist die unglaublich stabile und rasche Entscheidungsfindung in den einzelnen Spielsituationen samt der dazugehörigen technischen Ausführung. Jeder weiß wo er zu stehen hat und wo seine umliegenden Mitspieler stehen (Stichwort Organisation), welche Lösungsmöglichkeiten er hat und in welchem Tempo die ganze Situation durchzuführen ist. So etwas nennt man dann wohl Trainerarbeit. Und diese klaren Entscheidungsprozesse versetzen die Spieler in die Lage, eine technisch hochwertige Anschlussaktion zu vollziehen (das Passspiel ist schon auf sehr hohem Niveau).

Taktisch interessant und effizient eingesetzt in diesem Spiel waren die situativen Abkippbewegungen der Sechser zwischen die beiden Innenverteidiger. Witsel oder Delaney lösten sich abwechselnd aus dem engen Sechserraum und ließen sich zwischen den zwei IV’s den Ball von Bürki zuspielen. Dadurch konnte die Gleichzahl-Situation im ersten Drittel in einer 3 gegen 2 bzw. 4 gegen 2 (mit Bürki) Überzahlsituation verwandelt werden und die Schalker Pressingversuche etwas zurückgedrängt werden. Diallo und Hakimi konnten durch dieses Abkippen breiter auffächern und hatten so kürzere Verbindungen zu den Außenverteidigern und Flügelspielern. Dies versetzte sie unter anderem in die Lage, eine Linie komplett zu überspielen und sofort die Flügelspieler zu bedienen, ohne Zwischenstation über die jeweiligen Außenverteidiger. So entstand auch der 2:1 Führungstreffer durch Sancho über den linken Flügel. Aber auch ansonsten suchte der BVB die Tiefe über die Flügel. Die Außenverteidiger Piszczek und Akanji zeigten sich ziemlich unbeeindruckt von den herausstechenden Achtern und fanden auch unter Druck konstant die passenden Lösungen, meist war es einfach ein recht simpler Longline-Pass, mit dem die pfeilschnellen Flügelspieler in aussichtsreiche 1 gegen 1 Situationen kamen.

Unterm Strich kann man sagen, dass sich die Dortmunder blitzschnell auf das Pressingsystem von Schalke einstellten (bzw. es womöglich genau so erwartete hatten), die strategisch richtigen Räume über die Flügel bespielten und dabei die notwendige Ruhe und Klarheit in ihren Aktionen hatten, die in einem derart intensiven Derby auch absolut notwendig ist. Aber nicht nur bei eigenem Ballbesitz zeigt Favres Mannschaft Geduld, sondern auch im Spiel gegen den Ball.

Potentielle Unterzahlsituationen intelligent balanciert

Der frühe Führungstreffer durch Delaney nach einer Standardsituation spielte dem BVB natürlich in die Karten. Witsel und Co. konnten sich so auf eine kompakte und etwas abwartende Defensive konzentrieren und durch Fehler von Schalke ohne großen Aufwand in aussichtsreiche Umschaltsituationen kommen.

Der Block des BVB positionierte sich in einem 4-4-2 Mittelfeldpressing, die Innenverteidiger von Schalke wurden nicht angelaufen. Durch die Raute von Schalke hätten sich im zentralen Mittelfeld potentielle Unterzahlsituationen für den BVB ergeben können (vier Schalker um Witsel und Delaney herum, dazu Entscheidungskonflikte zwischen Einrücken und Breite halten für die Flügelspieler), welche man allerdings bravourös neutralisierte.

Die erste Pressinglinie um Reus und Alcacer leistete dafür schon einen wichtigen Beitrag. Sie positionierten sich nämlich immer diagonal versetzt zueinander und kappten somit die vertikalen Verbindungen der Innenverteidiger in den Sechserraum auf Rudy. Meist war es Reus, der sich um Rudy kümmerte und diesen so weitestgehend aus dem Spiel nehmen konnte. Eine Linie dahinter gestalteten es die Borussen so, dass sich der ballnahe Sechser am gegnerischen Achter orientierte, während der zweite Sechser ihn in der Tiefe absicherte und so den Zehner Bentaleb zustellen konnte. Der einrückende ballferne Flügelspieler komplettierte diesen kompakten Block um den Ball herum und verengte so das gesamte Spielfeld.

Interessant war auch die Reaktion auf die ausweichenden Bewegungen der Schalker Achter. Diese bewegten sich nämlich häufig von den Halbräumen in die Flügelzonen, vor allem bei Harit war das oft zu beobachten. Darauf reagierten die Dortmunder ziemlich mannorientiert im ansonsten ballorientierten Verteidigungsverbund. Vor allem Piszczek verließ deutlich seine Außenverteidigerposition und rückte ein und vor auf den freien Harit, um diesen nicht die Möglichkeit zum Aufdrehen zu geben. Dies war auch deshalb möglich, weil die Flügelpositionen bei Schalke nicht wirklich besetzt waren.

In Summe reichte dem BVB dieses doch recht simple angelegte Mittelfeldpressing aus, um den Schalkern den Schwung und die Durchschlagskraft aus ihren Angriffsbemühungen zu nehmen. Dabei muss man an dieser Stelle sagen, dass dies aktuell zu einem großen Teil an den Königsblauen selbst liegt. Trotzdem sieht man, wie viel man mit der entsprechenden Detailarbeit aus einem flachen 4-4-2 (wie aus jedem anderen System auch) herausholen kann.

Fazit

Der knappe 2:1 Sieg für die Dortmunder war unterm Strich verdient, auch wenn sich Schalke mit den bekannten Tugenden lange Zeit gut wehren konnte und für kurze Zeit das Spiel sogar hätte drehen können. Aufgrund der offensiven Harmlosigkeit wäre das aber wohl zu viel des Guten gewesen.

Im Umkehrschluss hat der BVB gezeigt, wie stabil diese Truppe mittlerweile auf dem Feld steht. Nach dem vergangenen Jahr hätte man das eigentlich nicht für möglich halten können. Aber der aktuelle Erfolg der Schwarz-Gelben basiert auf einer perfekten Symbiose zwischen Management (Zorc, Kehl, Sammer), Scouting und Trainer. Und wie man sieht, kann man im Tagesgeschäft Fußball mit ein paar richtigen Entscheidungen sofort eine beachtliche Trendumkehr einleiten, die vielleicht mit dem Meistertitel endet.

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

Keine Kommentare bisher.

Sei der/die Erste mit einem Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert