Große sportliche Erfolge sind in der post Sir Alex Ferguson Ära eine Rarität bei Manchester United geworden und dementsprechend getrübt war oftmals die Stimmung... Was zum Teufel passiert bei ManUnited: Ist Ten Hag der Richtige für die Red Devils?

Große sportliche Erfolge sind in der post Sir Alex Ferguson Ära eine Rarität bei Manchester United geworden und dementsprechend getrübt war oftmals die Stimmung bei den Fans des englischen Rekordchampions. Doch die Ankunft des einstigen Meistermachers von Ajax Amsterdam, Erik Ten Hag, erzeugte eine seit Fergie-Zeiten unerreichte Aufbruchsstimmung rund um die Red Devils. Die Rückkehr in die Königsklasse, der Sieg im Carabao Cup und das Erreichen des FA Cup Finales in der vergangenen Debütsaison des Niederländers waren nicht nur vielversprechend, sondern erweckten bei der Fangemeinde die Hoffnung nach Jahren der Schwäche endlich wieder zur alten Stärke zurückzufinden.

Jedoch ist vom diesem positiven Esprit aktuell nicht mehr allzu viel zu verspüren. Ein peinlich frühes Ausscheiden in der Champions League, erniedrigende Niederlagen gegen die vermeintlichen Ligarivalen und ein oftmals strategielos wirkendes Auftreten seiner Elf trugen ihres dazu bei.

Nun sorgte jedoch der dramatische 4:3-Sieg über Liverpool im FA Cup Viertelfinale für ein abermaliges Aufflammen der Euphorie um United. Ob Ten Hag langfristig der richtige Mann für Manchester ist, bleibt dennoch ein Rätsel. Genug Anlass für eine tiefgreifende Analyse.

Derby-Debakel-Drama und das Ten-Hag-Dilemma

Es ist ein Derby-Tag zum Vergessen für den Manchester United Football Club und dennoch wird er den Supportern der Red Devils noch lange in denkwürdig schlechter Erinnerung bleiben. Ein Blick auf die Anzeigetafel des größten Klub-Stadions auf der britischen Insel gibt Aufschluss über die 0:3-Klatsche, welche sich Kapitän Bruno Fernandes und sein Team an diesem Tag einhandelten. Auf den Rängen des Theaters der Träume, welches an diesem Nachmittag ironischerweise zum Schauplatz der größten Alpträume der United-Spieler avancierte, ist weitgehend Ruhe eingekehrt. Einzig aus dem Gästesektor erklingen freudige und hämische Gesänge. In ihren Sprechchören ergötzen sich die Citizens nicht nur am baufälligen Zustand des Old Trafford, sondern verspotten den Übungsleiter ihrer roten Rivalen auch noch als „Clown“.

An diesem denkwürdigen Tag im Oktober 2023 finden die Spottgesänge der Rivalen durchaus Anklang bei den Heimfans, denn es war nicht die erste und sollte nicht die letzte herbe Niederlage gewesen sein, die die Red Devils seit dem Amtsantritt von Erik ten Hag über sich ergehen lassen müssen. Insbesondere gegen die „Big Six“ der Premier League spricht die Bilanz des Niederländers Bände. Von 19 Spielen konnte die Mannschaft von Ten Hag lediglich sieben für sich entscheiden. Einzig gegen den selbst kriselnden Chelsea FC können die Red Devils unter Ten Hag eine positive Bilanz aufweisen.

Definitiv zu wenig, wenn man um Titel mitspielen und die eigenen astronomischen Erwartungen erfüllen will. Speziell die 0:7-Ergebnisschmach an der Anfield Road in der vergangenen Saison hat sich in die Gehirne von Fußballenthusiasten weltweit eingebrannt. In Zusammenschau mit dem verfrühten Ausscheiden in der Gruppenphase der UEFA Champions League und dem aktuell nur sechsten Platz in der Premier-League-Tabelle, führt dies zwangsweise zu unangenehmen Fragen betreffend die Personalie Ten Hag.

Die doppelte statistische Wahrheit der Ära Ten Hag

Doch natürlich verraten diese Statistiken nur die halbe Wahrheit. Wie sonst hätte es Ten Hags Red Devils gelingen sollen mit dem dritten Platz in der Vorsaison einen Champions League Platz zu ergattern und den Carabao Cup zu gewinnen?

Seit dem Rücktritt von Trainerlegende Sir Alex Ferguson in der Saison 2012/13 konnte in einer Spielzeit nur José Mourinho als United-Trainer mehr Punkte (74) als Ten Hag in seiner Debütsaison erreichen. Zudem erzielte Ten Hags Team in dessen ersten 86 Spielen als ManUnited-Boss einen Punkteschnitt von 1,95 pro Spiel – damit liegt er deutlich besser als Arsenal-Trainer Mikel Arteta mit 1,83 und sogar Liverpool-Legende Jürgen Klopp mit 1,8 Durchschnittspunkten über denselben Vergleichszeitraum. Kein anderer United-Trainer – auch nicht Alex Ferguson – konnte schneller 50 Pflichtspielsiege einfahren als der Niederländer, der einst mit Ajax Amsterdam bis in das Halbfinale der Champions League vordringen konnte.

Heute werden sowohl Arteta, als auch Klopp als Trainerikonen gefeiert und die Neuaufbauprojekte bei Arsenal und Liverpool als Paradebeispiele herangezogen. All das verrät: Ein Umbau bedarf Zeit. Ganz besonders, wenn er so tiefgreifend zu sein hat, wie dies die Situation des Manchester United FC erfordert.

Der nunmehrige ÖFB-Cheftrainer Ralf Rangnick, der die Red Devils in der Spielzeit vor Ten Hags Antritt interimistisch betreut hatte, sprach von der Notwendigkeit einer „Operation am offenen Herzen“, um Manchester United zur Größe seiner glorreichen vergangenen Zeiten zu restaurieren. Für eine solche Vorgehensweise benötigt es neben Zeit auch das Vertrauen der Fangemeinschaft.

Auch der neue Teilinhaber, Sir Jim Ratcliffe, welcher sich erst kürzlich in einem Milliardendeal über seine Investmentgruppe INEOS knapp 25 % der Anteile an Manchester United sichern konnte, bat die Fans praktisch bei der ersten offiziellen Ansprache um ihre Geduld. Wäre alles andere, als auch Ten Hag diese so kostbare Zeit zu gewähren, nicht völlig inkonsequent? Die Antwort dieser Frage liegt wohl darin, ob sich Ten Hag traut die „Operation am offenen Herzen“ tatsächlich durchzuführen, oder ob er es bei der Verschreibung von bloßen Blutverdünnern belässt.

Ineffektiver Konterfußball und Ergebnisorientierung

Es war sein attraktiver und mutiger Spielstil, den vor allem das in der Champions-League-Saison 2018/19 so erfolgreiche Ajax Amsterdam verkörperte, der Erik ten Hag zu einer der gefragtesten Trainerpersonalien in Europa machte. Umso problematischer erscheint es, dass der Niederländer diese Spielphilosophie bei den Red Devils großteils aufgegeben hat. Er selbst gab zu verstehen, dass er mit Man United niemals so spielen könne, wie er dies einst mit Ajax getan hat.

Ten Hag führte dies auf die (fehlenden) Qualitäten des Kaders im Bereich des auf Ballbesitz fokussierten Fußballs zurück. Stattdessen gab der United „Gaffer“ die Vorgabe aus, sein Team zum besten Konter-Fußball-Team der Welt umbauen zu wollen. Angesichts Ten Hags fehlender Vergangenheit mit einer solchen Spielanlage erscheint es aber fraglich, ob diese Entscheidung zielführend ist.

Tatsächlich war es diese Herangehensweise, die es United in Ten Hags Premierensaison bessere Ergebnisse, gegen Gegner mit deutlich besserer Spielanlage und höheren Qualitäten im Spielaufbau ermöglichte. Besonders sinnbildlich dafür stehen die 2:1- und 3:1-Heimsiege gegen Liverpool und Arsenal oder auch der Triumph im Ligacup-Finale gegen Newcastle. Auch die 30 Saisontore für Marcus Rashford, dessen Schnelligkeit ihn oft zum Vollstrecker der United-Konterangriffe machte, dienen als positives Indiz für die von Ten Hag ausgerufene Strategie.

Allerdings ist „erringen“ wahrlich die richtige Ausdrucksweise für eine Vielzahl von Uniteds siegreichen Auftritten. Das Team beendete die Premier-League-Saison 2022/23 mit einer Tordifferenz von +15 – das entspricht dem ernüchternden sechsten Platz. Zudem liegt man in der xG-Tabelle der aktuellen Spielzeit der Premier League in der unteren Tabellenhälfte. Obwohl man aktuell deutlich hinter den Erwartungen der Fans bleibt, performt Manchester United sogar besser, als es die Statistiken suggerieren würden. Die Zahlen sprechen also für blanken Ergebnisfußball. Während sich dieser in der Vorsaison durch die kurze Vorbereitungszeit und die erzielten Erfolge noch rechtfertigen hat lassen, sind die Fans der Red Devils in Anbetracht der weniger berauschenden Ergebnisse mittlerweile weit weniger nachsichtig.

Speziell wenn ManUnited in Rückstand gerät und gezwungen ist das Spiel selbst zu gestalten, tut man sich schwer. Die Schwäche im eigenen Aufbauspiel zeigt sich aber auch dann, wenn es um das Verwalten von Vorsprüngen geht. Besonders die beiden Niederlagen nach Führungen gegen Galatasaray und Kopenhagen verdeutlichen diese Beobachtungen und bescherten United das vorzeitige Aus als Letzter in der Gruppenphase der Königsklasse.

Moralprobleme und fehlende Identität?

Gerade weil der von Ten Hag beschworene Konterfußball über weite Strecken die intendierte Wirkung vermissen lässt und United in der eigenen Spielgestaltung häufig blass und harmlos wirkt, werden immer wieder die Vorwürfe einer fehlenden Spielidentität laut. Nachdem United in der Premier-League-Saison 2022/23 15 von 19 Spielen im Old Trafford gewinnen konnte und damit den zweitbesten Heimrekord in der Liga aufwies, bröckelte die Heimstärke der Red Devils zuletzt.

So setzte es in der aktuellen Premier-League-Spielzeit bereits eine Serie an bitteren und teuren Niederlagen im eigenen Stadion, darunter ein 1:3 gegen Brighton, 0:3 jeweils gegen Newcastle und Bournemouth oder auch das eingangs geschilderte 0:3-Derbydebakel gegen Manchester City.

Auch im Carabao Cup schied man gegen Crystal Palace in der Heimat aus. Insgesamt hat United in dieser Saison 12 seiner ersten 24 Spiele in allen Wettbewerben verloren. So viele Niederlagen in den ersten 24 Spielen einer Saison gab es zuletzt 1973/74 (13 Niederlagen). Dies war auch das letzte Mal, dass der Verein aus der höchsten englischen Spielklasse abgestiegen ist.

Nach diesen empfindlichen Schlappen wurden in den Medien fehlende Motivation und ein Mentalitätsproblem bei den United-Spielern verortet und Vermutungen angestellt, dass Ten Hag die Zustimmung in der Kabine verloren hätte. Insbesondere bei Starspieler Rashford, der über den Sommer mit einem neuen Vertrag, welcher ihm satte £300.000 pro Woche einbringt, ausgestattet wurde, wurde in einigen Spielen sichtbar, dass er nicht unbedingt jene Arbeitsmoral der Vorsaison an den Tag legt. Ob dies ein Problem ist, welches sich auf den Führungsstil von Erik Ten Hag zurückzuführen lässt, oder es sich um eine allgemeine Fehlsituation in der Führung des Vereins handelt, lässt sich nur schwer beurteilen. Festzuhalten ist, dass schon einst Louis van Gaal und José Mourinho die Arbeitseinstellung ihrer Schützlinge bekrittelten.

Ten Hag kann man zugutehalten, dass er bisher nicht davor zurückscheute, Spielern, die sich Fehltritte leisteten und die eigenen Anliegen über den Kluberfolg stellten, abzustrafen. Von Ten Hags Disziplinarmaßnahmen sind auch große Namen nicht ausgenommen, wie die Fälle Ronaldo und Sancho beweisen. Die Fußballlegende und ehemaliger United-Spieler Zlatan Ibrahimović befürchtete, dass Ten Hags fehlende Erfahrung im Umgang mit Starspielern dem United-Coach zum Verhängnis werden könnte – bei Ajax Amsterdam hätte dieser nur Talente gemanaged. Ob diese Befürchtung so zutreffend ist, sei dahingestellt.

Ten Hag gab allen Spielern, die sich Fehler leisteten, eine Chance auf Wiedergutmachung. Das betraf beispielsweise Marcus Rashford nach einer Party-Eskapade, aber auch Harry Maguire, der, nachdem er den Trainer sportlich zunächst nicht überzeugen konnte und die Kapitänsbinde verlor, nun wieder regelmäßig Spielzeit bekommt und im November sogar als Premier League Player of the Month ausgezeichnet wurde. Sancho und Ronaldo hingegen zwangen Ten Hag durch ihr Vorgehen regelrecht zu einer Reaktion, um sein Gesicht zu wahren.

Auch ist festzuhalten, dass eine Vielzahl der Kaderspieler Uniteds auf Wunsch Ten Hags zu United geholt wurden oder bereits zuvor mit dem Niederländer zusammengearbeitet hatten. Demnach scheint es unwahrscheinlich, dass ausgerechnet diese Kicker Ten Hag nun den Rücken zukehren. Dass die Spieler bereit sind für den Verein und ihren Trainer um Siege zu kämpfen, stellten auch die Comeback-Siege in der Premier League gegen Aston Villa und Nottingham Forest, als man jeweils einen 0:2-Rückstand noch in einen 3:2-Endstand verwandelte, eindrucksvoll unter Beweis. Noch viel beispielhafter war zuletzt der an Dramatik kaum zu überbietende 4:3-Sieg der Red Devils über Liverpool im FA Cup Viertelfinale, der Ten Hag auch wieder in die Gunst der Fans kippen ließ.

Verletzungen und Kaderplanung

Natürlich wäre keine Analyse der Manchester-United-Saison 2023/24 vollständig, ohne auf die lange Verletzungsliste der Red Devils einzugehen. Insgesamt verpassten Kaderspieler Uniteds kumuliert über 1000 Tage seit Saisonbeginn. Zeitweise waren 15 Kaderspieler parallel als verletzt gelistet. Ganz besonders hart treffen Ten Hag die Verluste von wichtigen Stammspielern wie Casemiro, Luke Shaw oder Lisandro Martínez, die so maßgeblich zum vielversprechenden Ausgang der Vorsaison beigetragen hatten. Um ein einzigartiges Schicksal handelt es sich hierbei jedoch nicht. Im Kampf um die europäischen Startplätze traf insbesondere Newcastle und Liverpool das Verletzungspech genauso hart. Der Mannschaft von Jürgen Klopp gelingt es bislang dennoch ein kräftiges Wort im Kampf um die Meisterschaft mitzureden.

Nichtsdestotrotz war es Ten Hag erst dreimal in dieser Saison möglich, seine bevorzugte Elf auflaufen zu lassen. Die vielen personellen Veränderungen erschweren logischerweise die Etablierung und Festigung einer gemeinsamen Spielphilosophie. Ob diese personellen Einschränkungen über Performances, wie jene bei der 1:3-Auswärtsniederlage gegen die Citizens im Etihad hinwegtrösten können, bleibt Ansichtssache. Die Red Devils hatten über die gesamten 90 Minuten lediglich 27% Ballbesitz und gaben seit der 23. Spielminute keinen einzigen Schuss mehr auf den gegnerischen Kasten ab.

Dass Manchester United große Probleme hat, diese personellen Engpässe zu kompensieren, hängt mit der Kaderplanung zusammen. Auch wenn nicht alle von Ten Hags Wünschen erhört wurden – so gelang es insbesondere nicht Frenkie de Jong oder Stürmerstar Harry Kane in den Norden Englands zu lotsen – so hatte der Niederländer nichtsdestotrotz einen erheblichen Einfluss auf die Kadergestaltung des englischen Rekordmeisters. Es lässt sich ein Muster erkennen, dass Ten Hag eine Vorliebe für die Verpflichtung von Spielern hegt, mit denen er bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet und positive Erfahrungen gemacht hat. Natürlich muss das keineswegs zwangsweise Schlechtes verheißen – insbesondere der von Ajax gekommene Lisandro Martínez bewies sich als absoluter Volltreffer – allerdings kommen bei einigen Transfers betreffend Ten Hags Wunschspielern Zweifel auf, ob in der Kaderplanung die richtigen Prioritäten gesetzt wurden.

So wurde die Vereinslegende David de Gea, dem die United-Fans einst nachsagten „[that] he could´ve saved the Titanic“, für Neo-Goalkeeper André Onana abgesägt. Auch wenn sich Onana im Kasten der Red Devils langsam stabilisiert, war sein Auftreten zu Beginn der Saison phasenweise desaströs und kostete United vermeintlich den Aufstieg in die K.O.-Phase der Champions League. Ob dies die fast £50 Millionen Pfund Ablösesumme rechtfertigt, die man für Onana hinblättern musste, um mit De Gea einen Schlussmann zu ersetzen, der in der Vorsaison den „Premier League Golden Glove“ gewann, scheint fraglich.

Auch die Verpflichtung von Mason Mount, einem absoluten Wunschspieler von Ten Hag, für satte 60 Millionen Pfund sorgt bisweilen eher für Kopfschütteln. Zwar hat Mount sein großes Talent in der Vergangenheit bei Chelsea unter Beweis gestellt, doch war er diese Saison verletzungsbedingt kaum einsatzbereit. Zudem ist seine angestammte Position jene, die für gewöhnlich Kapitän Bruno Fernandes einnimmt und nachdem Mount in der Vorsaison eine wahre Seuchensaison hingelegt hatte, ist kaum zu begreifen, wie United einer solch astronomischen Ablösesumme zustimmen konnte, speziell wenn man das Geld so dringend benötigt hätte, um die verletzungsgebeutelte Abwehr oder die dünn besetzte Sturmspitze zu verstärken.

Insgesamt gab Manchester United alleine während Ten Hags ersten drei Transferfenstern die kolossale Summe von 446,7 Millionen Euro aus. Die Spitze des Eisbergs stellt wohl die Verpflichtung des Brasilianers Antony dar, für den United alleine 95 Millionen an die ehemalige Wirkungsstätte Erik ten Hags, Ajax Amsterdam, überweisen musste. Das Schicksal der Personalie Antony könnte auch erheblichen Einfluss auf die Zukunft Ten Hags haben. Antony hat nicht nur mit persönlichen Problemen abseits des Spielfelds zu kämpfen, sondern ist momentan auch weit davon entfernt, es in die Startelf der Red Devils zu schaffen. Nicht unerwähnt bleiben darf indessen, dass Antony für United enorm wichtige Tore erzielen konnte, darunter der Führungstreffer bei seinem Einstand gegen Arsenal, der Siegtreffer gegen Barcelona im letztjährigen Europa-League-Viertelfinale oder auch der 2:2-Ausgleich, mit dem er den FA-Cup-Viertelfinalthriller gegen Liverpool am vergangenen Wochenende in die Verlängerung beförderte. Ten Hag kann zudem nicht zum alleinigen Sündenbock von Uniteds Transfermisere gemacht werden. Die geplanten Verpflichtungen von Omar Berada und speziell Dan Ashworth als neuer Sportdirektor lassen auf erhebliche Verbesserungen hoffen.

Ten Hag und die jungen Wilden

Auch wenn bisher nicht alle unter Ten Hags Führung ausgehandelten Transfers überzeugen konnten, ist aus aktuellem Anlass insbesondere die Verpflichtung von Stürmer-Shootingstar Rasmus Højlund hervorzuheben. Aus österreichischer Sicht ist es besonders erfreulich, dass der ehemalige Sturm-Graz-Akteur sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten den „Premier League Player of the Month Award“ für Februar sichern konnte. Mit seinen 15 direkten Torbeteiligungen in allen Bewerben, wurde der Däne nicht nur Toptorjäger in der Champions-League-Gruppenphase, sondern brachte United den so dringend benötigten zusätzlichen Offensivschwung.

Im zarten Alter von 21 Jahren ist Højlund Teil einer jungen, motivierten und hochtalentierten Brigade, der Ten Hag nun eine Chance gibt. Denn genau das, die gezielte Förderung und Heranführung von jungen Talenten, ist und war schon immer die große Stärke von Ten Hags. Ein Blick auf seine Zeit als Trainer bei Ajax gibt darüber Aufschluss. Die Vielzahl der Spieler aus jener Mannschaft, die 2018/19 das Champions-League-Halbfinale erreichte, schaffte den Sprung zu europäischen Topklubs. In dieser Hinsicht passt Ten Hag zu Manchester United, wie die Faust aufs Auge. Denn die Red Devils sind unheimlich stolz auf die eigene Jugendarbeit und halten diese in allen Ehren. Seit 1937 war stets zumindest ein Spieler aus der eigenen Talenteschmiede im Spieltags-Kader des Manchester United FC.

Erik Ten Hag wird diese beeindruckende Serie wohl problemlos fortsetzen. Bereits letzte Saison gelang Alejandro Garnacho der Sprung in die erste Mannschaft. Diese Saison ist der erst 19-jährige Argentinier auf dem linken Flügel gesetzt und zählt zu den wichtigsten Eckpfeilern von Ten Hags Aufgebot. Mit Kobbie Mainoo ging diese Saison der Stern eines weiteren Eigenbau-Shootingstars auf. Im Alter von 18 Jahren besitzt Mainoo eine Ruhe und Übersicht am Ball, die sogar den fünfmaligen Champions-League-Sieger und Mittelfeldpartner, Casemiro, beeindruckt. In der 22. Runde der Premier League schoss Mainoo United mit einem sehenswerten Treffer in der Nachspielzeit zum 4:3-Auswärtssieg gegen die Wolverhampton Wanderers.

Ten Hag scheint um einen Umbruch und eine Verjüngung der Mannschaft bemüht zu sein. Eigen- und Jungspieler erhalten bei ihm eine Chance, wenn sie ansprechende Leistungen auf dem Trainingsplatz erbringen. So kam auch der 21-jährige Amad Diallo in der Verlängerung des FA-Cup-Viertelfinales am vergangenen Wochenende zum Zug und dankte Ten Hag mit dem Siegestreffer für das in ihn gesetzte Vertrauen prompt. Wenig überraschend ist es daher auch, dass Marcus Rashford und Scott McTominay, beide in der United-Akademie ausgebildet, in der Gunst des Trainers stehen.

Verkaufsgerüchte betreffend Rashford dementierte Ten Hag zuletzt vehement – für ihn sei Rashford ein fundamentaler Teil seines United-Projekts. Vor diesem Hintergrund leuchtet auch die Verpflichtung von Mason Mount ein. Mit seinen 25 Jahren besitzt Mount das Altersprofil und damit verbunden das Entwicklungspotenzial, um langfristig ein wichtiger Part von Ten Hags „neuem United“ zu werden.

Fazit

Das Kapitel Ten Hag in Manchester Uniteds Annalen ist noch nicht zu Ende geschrieben. Auch der Niederländer konnte nicht alle Probleme der Red Devils über Nacht vergessen machen. Nicht alles, was in Ten Hags Debütsaison glänzte, wurde in dieser Saison zu Gold. Doch dies schließt nicht aus, dass sich die Red Devils unter einem Trainer Ten Hag in die richtige Richtung bewegen. Erfolge und Glanzmomente, seien es hart erkämpfte Siege gegen Liverpool, Manchester City und den FC Barcelona, oder die Erfolge in den englischen Pokalbewerben, zeigten, dass es Ten Hag schaffen kann, die Begeisterung der United-Fans wieder zu entfachen.

Seit dem Abtritt von Sir Alex Ferguson ist es keinem der fünf Nachfolge-Trainer gelungen, langfristig und nachhaltig mit Manchester United erfolgreich zu sein – ein Indiz dafür, dass ein Trainerwechsel wohl nicht die Lösung aller Probleme sein kann. Konsequenterweise hätte es Ten Hag verdient, seine Pläne für den Umbruch und die Verjüngung der Mannschaft verwirklichen zu dürfen. Dafür wird er nicht nur Zeit brauchen, um seine Ideen und Strategien für United zu implementieren und umzusetzen, sondern auch Unterstützung seitens der Inhaberebene.

Mit der sportlichen Kommandoübernahme durch Sir Jim Ratcliffe erscheint die Chance auf tiefgreifende Veränderung der Strukturen des Manchester United Football Club erstmals seit der Machtübernahme der Glazer-Family wieder real. Ob diese Veränderung mit „Ten-Hag-In“ oder „Ten-Hag-Out“ geschehen wird, wird allerdings erst die Zukunft offenbaren.

Michael Bigl, abseits.at

Michael Bigl