Die Datenerfassung im Fußball ist mittlerweile extrem weit fortgeschritten, sodass die primäre Aufgabe in der Analyse weniger die Erlangung dieser Daten ist, sondern ihre... Statistikanalyse: Drei Methoden zur Quantifizierung von Stürmertypen in der Bundesliga

Bilanz Graph Statistik_abseits.atDie Datenerfassung im Fußball ist mittlerweile extrem weit fortgeschritten, sodass die primäre Aufgabe in der Analyse weniger die Erlangung dieser Daten ist, sondern ihre sinnvolle Auswertung. abseits.at zeigt drei Wege, wie man ausgehend von simplen Statistikwerten verschiedene Stürmertypen identifizieren kann.

Ausgangspunkt für diese Analyse sind im Wesentlichen lediglich Pass-, Zweikampf-, Schuss- und Ballaktionsdaten, die die österreichische Bundesliga über ihre offizielle Website in Zusammenarbeit mit Statistiklieferant Opta zur Verfügung stellt. Ausgehend davon wurden verschiedene Größen konstruiert, die zunächst näher erklärt werden sollen.

Ziel: Unabhängigkeit von Mannschaftstaktik

Ein wesentlicher Punkt, der die Einteilung von Spielertypen erschwert, ist die Tatsache, dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Gerade bei Stürmern ist das äußerst heikel, sind ihre Leistungsdaten doch erheblich mit der Mannschaftstaktik verknüpft. Einerseits ist es so, dass ein Stürmer mit einem speziellen Profil meist nur für eine Auswahl an bestimmten Spielweisen kompatibel ist. Ein klassischer Neuner wird zum Beispiel mehr Probleme haben seine Stärken einzubringen, wenn sein Team mit einer Kontertaktik spielt, als bei einer Spielweise, die häufige Hereingaben in den Strafraum präferiert. Andererseits spielt auch die Unterstützung durch die Mitspieler eine wesentliche Rolle.

Dies führt dazu, dass absolute Werte wenig Sinn machen. So werden in dieser Analyse nicht Pässe eines Spielers ausgewertet, sondern sein Anteil an den gesamten Pässen seines Teams, aufgerechnet auf 90 Minuten. Dadurch ist sichergestellt, dass zum Beispiel ein mitspielender Stürmer bei einem Team, das wenig Ballbesitz hat und dementsprechend weniger Pässe spielt, als solcher identifiziert und von einem Strafraumstürmer, der bei einem ballbesitzstarken Team, unterschieden werden kann. Noch repräsentativer wäre der Anteil an den Pässen, die gespielt wurden als derjenige am Rasen stand, was aufgrund der fehlenden Daten jedoch nicht bewerkstelligt werden konnte.

Auch die bloße Anzahl an Zweikämpfen bringt Schwierigkeiten mit sich. Ein Stürmer, der in einer Mannschaft mit einer intensiven Defensivtaktik spielt, wird mehr Zweikämpfe bestreiten als jemand, dessen Team auf Raumkontrolle durch Verschieben setzt. Die Information über die Physis eines Stürmers liegt vielmehr auf der Verteilung der Zweikämpfe. Ein körperlich starker und großer Stürmer bestreitet zum Beispiel häufig Kopfballduelle. Ein wendiger, dribbelstarker, mitspielender Stürmer hingegen wird häufiger Zweikämpfe am Boden führen. Deshalb wurde hier der Anteil an Kopfballduellen an allen geführten Zweikämpfen auswegwertet.

Die dritte Größe wurde aus der Anzahl an Ballaktionen und Schüssen gebildet. Ein Stürmer, der als Zuarbeiter eingesetzt wird, wird seltener selbst abschließen als ein Stürmer, der hauptsächlich in der Gefahrenzone auf Zuspiele wartet. Dementsprechend wurden für diese Analyse die Anzahl an Ballaktionen pro Schuss berücksichtigt. Alle drei Größen für sich geben jedoch alleine noch nicht Auskunft über die Spielweise. Erst durch ihre Verknüpfung zueinander ist die angestrebte Quantisierung möglich.

Aufbau der Grafiken und Stichprobenumfang

Alle zu sehenden Grafiken sind nach demselben Prinzip aufgebaut. Die beiden jeweiligen Größen wurden auf den beiden Achsen aufgetragen und die Punkte entsprechend den Werten gesetzt. Berücksichtigt wurden nur Stürmer, die in der laufenden Saison mindestens 200 Minuten spielten. Das trifft auf insgesamt 33 noch in der Bundesliga aktive Stürmer zu. Neben dem entsprechenden Klub sind durch vertikale und horizontale Linien auch die Durchschnittswerte gekennzeichnet, die die Quantisierung ermöglichen. Gleiche bzw. ähnliche Stürmertypen finden sich im gleichen Quadrat wieder.

Kombinationsaffinität und Tororientiertheit

Zuerst wollen wir die Ballaktionen pro Schuss dem Anteil der Pässe gegenüberstellen. Auf diese Weise lässt sich feststellen, wie stark sich ein Stürmer ins Kombinationsspiel einbindet und ob er die Rolle eines Zuarbeiters innehat oder hauptsächlich selbst abschließt. Markante Punkte wollen wir nun genauer analysieren.

Am stärksten sticht hier Havard Nielsen heraus. Der Salzburger hat während knapp 300 Spielminuten erst zweimal auf das gegnerische Tor geschossen. Dennoch war er sehr aktiv, spielte pro 90 Minuten 34 Pässe, was rund 7,6% des durchschnittlichen Passvolumens der Bullen entspricht. Unter allen Stürmern in der Bundesliga ist der Norweger, der ab und an auch am Flügel zum Einsatz kommt, derjenige, der seinen Fokus am stärksten auf das Einfädeln legt. 78% seiner Torschussbeteiligungen sind Torschussvorlagen – kein anderer Bundesligastürmer hat einen höheren Wert.

Dass eine hohe Beteiligung am Kombinationsspiel nicht zwingend bedeuten, dass man keine Torgefahr anstrahlt, zeigt Nielsens Teamkollege Jonatan Soriano. Der Spanier hat hinter Toni Vastic und Thorsten Röcher, die bisher jedoch nicht im Sturmzentrum eingesetzt wurden, den höchsten teaminternen Anteil an Pässen. Gleichzeitig verbucht er mit ca. jeder zehnten Ballaktion einen Torschuss – Topwert und eine eindrucksvolle Demonstration für seine Vielseitigkeit auf sehr hohem Niveau.

Ebenfalls interessant ist die Konzentration der drei Austria-Stürmer im linken unteren Quadrant. Das bedeutet, dass sie hauptsächlich für Abschlüsse eingesetzt werden. Der Spielaufbau der Veilchen wird stark von den zentralen Mittelfeldspielern und Innenverteidigern getragen. Selten wird in die Tiefe gespielt, sodass die Angreifer kaum Ballaktionen haben. Abschlussmöglichkeiten werden jedoch sofort wahrgenommen. Andererseits suggeriert die obige Grafik, dass die Austria nur über gleiche Stürmertypen verfügt. Ziel sollte es jedoch sein, in jedem Quadrant einen Spieler zu haben.

Der SCR Altach ist dafür ein perfektes Beispiel. Hannes Aigner, Louis Ngwat-Mahop, Martin Harrer und Patrick Seeger legen ihren Fokus jeweils auf andere Bereiche. Sie sind aber dennoch nicht an den Enden des Spektrums zu finden, sondern in der Nähe der Durchschnittsmarkierungen. Das ermöglicht es Trainer Damir Canadi, Spiel für Spiel seine Mannschaft punktuell zu verändern ohne weitreichende Folgen fürchten zu müssen. Eine passende Erkenntnis, die zum Bild, das man von den Vorarlbergern hat, passt.

Kombinationsaffinität und Zweikampfpräferenz

Als nächstes sehen wir uns das Zusammenspiel zwischen der Kombinationsaffinität und der Art der Zweikampfführung an. Dabei wird der Einfluss der Mannschaftstaktik noch mehr unterdrückt. Als Beispiel dafür sei an dieser Stelle Larry Kayode von der Wiener Austria genannt. Die obige Methode identifizierte den Nigerianer als passiven Stürmer, der seinen Fokus auf den Torabschluss legt.

Dies liegt, wie ausgeführt, daran, dass die Austria das Spiel äußerst risikoarm aufbaut. Tatsächlich ist Kayode nämlich ein explosiver Flügelspieler, der oft ins Dribbling geht, viel Zug zum Tor hat und den schnellen Abschluss sucht. Letzteren Punkt belegt die niedrige Anzahl an Ballkontakten pro Schuss und dass er kein klassischer Neuner ist, der lange Bälle ablegen soll, zeigt die Tatsache, dass sein Anteil an Kopfballduellen unter dem Durchschnitt liegt.

Diese Grafik ist vielmehr an die individuellen Anlagen der Stürmer angelegt. So erkennt man bei Donis Avdijaj sowohl seine starke Einbindung ins Kombinationsspiel als auch seine Affinität, selbst den Durchbruch zu suchen. Wer häufiger in Dribblings geht führt naturgemäß mehr Zweikämpfe am Boden. Ein solcher Spieler wird, wie Avdijaj, selten als klassische Speerspitze sondern vielmehr als hängender Stürmer eingesetzt. Die anderen beiden Stürmer im Kader der Grazer sind wie erwartet im Strafraumstürmer-Quadrant.

Neben Avdijaj gibt es noch sechs andere Angreifer, bei denen unter 40% der Zweikämpfe Kopfballduelle sind: Yordy Reyna, Takumi Minamino, Karim Onisiwo, Thorsten Röcher, Dominik Starkl und Patrick Seeger. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn alle diese Spieler werden oft auf den Flügeln eingesetzt. Dadurch fallen vor allem Kopfballduelle infolge von Flanken weg. Außerdem sind Stürmer im Angriffszentrum im Allgemeinen häufiger Zielspieler für lange Bälle.

Ein weiterer interessanter Punkt ist jener von Silvio. Dieser gilt an und für sich nämlich als kleinräumiger Spieler, der Alleingänge versucht. Dementsprechend müsste er einen überdurchschnittlichen Anteil am Kombinationsspiel seines Teams haben und die Minderheit seiner Zweikämpfe in der Luft führen. Ersteres ist der Fall, Letzteres nicht. Auch dies könnte mit der mannschaftlichen Ausrichtung zu tun haben. Beim WAC sieht man selten einen flüssige Spielaufbau, sondern häufig lange Bälle in die Spitze. So dürfte auch Silvio regelmäßig in Luftzweikämpfe verwickelt werden.

Tororientiertheit und Zweikampfpräferenz

Zum Abschluss betrachten wir ein Modell, das vor allem klassische Neuner herausfiltert. Dieser wird vor allem dadurch identifiziert, dass er von seinen Mitspielern häufig mit hohen Bällen gesucht wird und er außer eigenen Abschlüssen kaum andere Aktionen hat. Ersteres wird ausgedrückt durch einen hohen Anteil an Kopfballduellen, Letzteres durch ein niedriges Ballaktionen-pro-Schuss-Verhältnis. Dementsprechend sind derartige Spielertypen im rechten unteren Quadrant des Diagramms zu finden.

Einen klaren herausragenden Strafraumstürmer gibt es in der Bundesliga nicht. Am auffälligsten sind Philipp Zulechner und Josip Tadic. Während Letzterer dem „Ideal“ eines solchen Stürmers wohl am nächsten kommt, hat der FAK-Angreifer auch andere Fähigkeiten, die aufgrund der besonderen Ausrichtung unter Thorsten Fink kaum an die Oberfläche kommen. Weitere Stürmer in diesem Quadrant: Markus Pink, Philip Hellquist, Hannes Aigner, Benjamin Sulimani, Bernd Gschweidl, Daniel Sikorski und Toni Vastic. Interessanterweise ist auch Salzburgs „Einser“-Sturmduo Soriano und Omer Damari vertreten – beide jedoch knapp an der Physis-Durchschnittsgrenze. Gemeinsam mit den anderen Erkenntnissen dieses Artikels ein Hinweis darauf, dass sie das gefährlichste Angriffsduo der Bundesliga bilden.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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