Portugal stellte die Fehler der beiden Eröffnungspartien sukzessive ein, durfte sich über einen in Hochform agierenden Cristiano Ronaldo freuen – und löste somit prompt... Genialer Cristiano Ronaldo und flexiblere Spielanlage – Portugal ist im Viertelfinale!

Portugal stellte die Fehler der beiden Eröffnungspartien sukzessive ein, durfte sich über einen in Hochform agierenden Cristiano Ronaldo freuen – und löste somit prompt das Viertelfinalticket! Wir haben die Details einer Partie, in der sich Portugal wieder in den erweiterten Favoritenkreis auf den Turniersieg hievte und die Niederlande sich endgültig in eine orangefarbene Ohnmacht manövrierte.

Bert van Marwijk tat das, was er bereits früher hätte andenken müssen. Mark van Bommel blieb zu Beginn nur auf der Bank und wurde durch den offensiveren Rafael van der Vaart ersetzt. Robin van Persie rückte ins Mittelfeld und Klaas-Jan Huntelaar stürmte an vorderster Front. Das System änderte sich somit von einem 4-2-3-1 auf ein 4-1-4-1. Dennoch hatte die neue Strategie offensive Lücken, denn nichts desto trotz griff Holland nicht geschlossen genug an – die Außenverteidiger waren zu inaktiv, die Innenverteidiger schoben nicht weit genug hinaus und Nigel de Jong bekam zwar sehr viele Bälle (86), machte aber praktisch nichts daraus.

Defensiv erschreckend schwache Oranjes

Defensiv war die Leistung der Niederländer indiskutabel: Cristiano Ronaldo machte mit der gegnerischen Abwehrreihe was er wollte, auch Nani war seinen Gegnern technisch klar überlegen – und wenn selbst der sonst inaktive Helder Postiga es zustande bringt, trotz weniger Ballkontakte (25) effizient im Aufbauspiel mitzuhelfen, sagt dies einiges über die Defensivleistung der Niederlande aus. Ron Vlaar war völlig überfordert, Joris Mathijsen sogar noch schwächer. Hinzu kamen schwache Partien der Außenverteidiger, wobei speziell der junge Jetro Willems negativ auffiel und nach einem brutalen Foul an Joao Moutinho eigentlich Rot hätte sehen müssen.

Wieso erst jetzt Van der Vaart?

Der mit Abstand beste Holländer, Rafael van der Vaart, brachte es alleine nicht zustande das Offensivspiel in geordnete Bahnen zu lenken. Zwar bestach er mit hoher Passsicherheit (94%), direkter Torgefahr und einem großen Aktionsradius, allerdings wurde der Torschütze zum 1:0 für die Niederländer von seinen schwachen Nebenleuten gebremst. Wesley Sneijder tauchte völlig ab, Arjen Robben spielte sein typisches, zweidimensionales Spiel, Robin van Persie kam mit seiner Position als „Zehner“ nie zurecht und Huntelaar hing in der Luft, bekam keine brauchbaren Bälle. Nicht nur die holländischen Fans stellen sich nach dem Spiel die berechtigte Frage, wieso Rafael van der Vaart  nicht schon in den ersten beiden Gruppenspielen gesetzt war…

Cristiano Ronaldo endlich genial!

Ein völlig anderes Bild ergab sich auf Seiten der Portugiesen. Die Truppe von Paulo Bento spielte in den ersten Gruppenspielen kaum souverän, mühte sich zu einem 3:2-Sieg gegen Dänemark – und hätte den Niederlanden gestern auch gut und gerne fünf Treffer einschenken können. Hauptverantwortlich dafür war der überragende Cristiano Ronaldo, der beide Treffer erzielte, zweimal Aluminium traf, insgesamt zwölf Schüsse aufs gegnerische Tor abfeuerte. Unglaublicher Beleg für die Dominanz des Superstars: Ronaldo konnte nur 44 Ballkontakte verbuchen und gewann das Spiel praktisch im Alleingang, während sein Positionspendant auf Seiten der Holländer, Wesley Sneijder, mit 85 Ballkontakten nichts bewegen konnte.

Starke Außenverteidiger, variableres Mittelfeld

Das Spiel verlief ideal für die Portugiesen, die allgemein keine ballbesitzorientierte Mannschaft sind. Da aber die Holländer treffen mussten und daher das System offensiver gestalteten, konnte Portugal kontern – und das taten sie über das ebenfalls stark verbesserte und wesentlich variablere Mittelfeld sehr gut! Hinzu kamen starke Leistungen der Außenverteidiger, die die Außenbahnen auf explosive Art und Weise beackerten. Fabio Coentrao spielte gut, doch Rechtsverteidiger Joao Pereira war nicht nur aufgrund seines Assists zum 1:1 überragend! Durch die großen Räume, die sich den Rot-Grünen eröffneten, konnte Ronaldo weiter von der Seitenlinie abweichen und sich immer wieder in die Mitte fallen lassen, was dem Spiel und der Ballsicherheit der Portugiesen über weite Strecken gut tat.

Wenig Bälle für Meireles – aber größere Aktionsräume

Im Mittelfeld der Portugiesen war Joao Moutinho die treibende Kraft, wenn es darum ging, Bälle zu verarbeiten. Auch Miguel Veloso zeigte sich verbessert. Die interessanteste Personalie war jedoch einmal mehr Raul Meireles. Gegen Dänemark spielte der 29-Jährige erschreckend schwach, kam nur auf 30 Ballkontakte und spulte seinen Part auf der rechten Seite in enorm kleinem Radius ab. Kaum zu glauben: Gegen Holland kam der Chelsea-Legionär sogar noch seltener an den Ball – magere 29-mal bis zu seiner Auswechslung in der 72.Minute. Jedoch vergrößerte Meireles diesmal seine Aktionsräume und war nicht nur rechts, sondern auch zentral und links zu finden. Das Mittelfeld blieb dauerhaft in Bewegung und machte es dem Gegner somit sehr schwer, sich zu akklimatisieren.

Portugal plötzlich mittendrin statt nur dabei!

Unterm Strich steht eine miserable Leistung Hollands, die selbstverständlich nicht ohne Folgen bleiben wird. Bert van Marwijk hat als „Bondscoach“ definitiv keine Zukunft mehr. Was aber für den weiteren Turnierverlauf interessanter ist: Portugal ist wieder da – und Cristiano Ronaldo ist wieder da. Portugal trifft im Viertelfinale auf bisher nur sehr bedingt überzeugende Tschechen und einige Optimisten sprechen bereits von einem Freilos ins Halbfinale. Natürlich ist in K.O.-Phasen alles möglich, aber dies gilt auch FÜR Portugal. Denn gerade bei dieser Europameisterschaft der Kollektive, kann ein gut gelaunter Individualist wie Cristiano Ronaldo Wunder wirken. Portugal wandelte sich hiermit innerhalb von 90 Minuten vom verspielten Team für Arbeitssiege zu einem heißen Mitfavoriten um den Turniersieg!

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

Keine Kommentare bisher.

Sei der/die Erste mit einem Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert