Dass Ernst Happel einer der größten Fußballtrainer aller Zeiten gewesen ist, ist unbestritten. Im taktischen Bereich ist Ernstls Geschick immer anerkannt worden, sein hartes... Anekdote zum Sonntag (102) –  Ernst sein ist alles (Teil VI)

Dass Ernst Happel einer der größten Fußballtrainer aller Zeiten gewesen ist, ist unbestritten. Im taktischen Bereich ist Ernstls Geschick immer anerkannt worden, sein hartes Training und der (manchmal) rüde Umgang mit seinen Spielern scheinen heute aber wenig nachahmungswürdig. Man tut dem Wiener allerdings unrecht, wenn man seine Arbeitsweise pauschal als altmodisch abtut. Tatsächlich erkannte die Rapid-Legende instinktiv wie Gruppendynamik mithilfe von Mut- und Teamwork-Sportabenteuern gestärkt werden kann.

Diese Methoden wurden später von der Sportwissenschaft bestätigt: Nicht nur Fußballer, sondern auch Manager großer Firmen nehmen heute an Persönlichkeitsseminaren teil, wandern über glühende Kohlen um sich selbst zu überwinden, helfen sich gegenseitig durch den Waldklettergarten oder wagen einen Fallschirmsprung. Ernst verordnete seinen Tiroler Kickern in den späten 80ern während des Sommer- Trainingslagers eine gruppenfördernde Raftingpartie im Wildwasser. Im eiskalten Osttiroler Gewässer starteten mehrere Kanus samt paddelnder Kicker los.

Bald begnügten sich die Spieler aber nicht damit die Strömung im Gleichklang auszutarieren, sondern setzten sich zum Ziel das nächstbeste Boot zum Kentern zu bringen. Begehrtestes Ziel war natürlich das Schiff des Kapitäns höchstpersönlich. Die Crew um den „Wödmasta“ erwies sich zunächst aber als äußerst seetüchtig. Die Spieler ließen aber nicht locker und das harmlose Enter-Spielchen geriet immer mehr zu einem intensiven Wettkampf. Als das Wildwasser immer wilder wurde, war es schließlich so weit: Happels Boot schaukelte heftig und die Ruderer gerieten in Panik. Wild gestikulierend stritt man sich wie man den Piratenangriff der anderen noch abwehren könne, während die Gegner euphorisch triumphierten: „Gleich hammas! A bissl no! Jawooohl!“ Es kam wie es kommen musste: Mann über Bord! Ernst Happel persönlich fiel in die Strömung. Eigentlich glitt der Ex-Verteidiger mehr in den Fluss wurde aber vom Strudel sofort erfasst und weitergezogen. Es drehte ihn erst auf den Bauch, dann auf den Rücken, eher er glucksend unterging. Jetzt paddelten alle Boote wie verrückt dem Chef hinterher.

Happel reckte die Arme hilfesuchend aus dem Nass nach oben. Doch es kostete seine Schützlinge etliche Kraftanstrengungen bis sie auf wenige Meter an den Wiener herankamen. Als sie Happel fast erreicht hatten, erkannten sie, dass der Trainer mit seinen nach oben gestreckten Händen nicht etwa anzeigen wollte, wo er sich befand, sondern nur versuchte seine Zigaretten vor Feuchtigkeit zu schützen: Er hielt eine Packung Tschick in der Hand. Die Kicker fragten sich, wie er diese so schnell aus seiner Brusttasche befördern konnten. Egal, sie zogen den schnaufenden „Wödmasta“ ins Bord und amüsierten sich über seine Heldentat. Am nächsten Tag erwartete die Pseudo-Seeräuber das längste Zirkeltraining, das die Osttiroler Berge bis heute gesehen haben. Ernst Happel stand am Spielfeldrand und sah zu. Trocken und – rauchend.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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