Darinka Stock ist als Ernährungsberaterin kürzlich vom TSV Hartberg zum SK Sturm gewechselt. Hier spricht sie unter anderem über den Eintritt in die „Fußball-Blase“... Vollgas statt Leberkas – Interview mit Sturm-Ernährungsberaterin Darinka Stock

Darinka Stock ist als Ernährungsberaterin kürzlich vom TSV Hartberg zum SK Sturm gewechselt. Hier spricht sie unter anderem über den Eintritt in die „Fußball-Blase“ und warum sie mit Spielern einkaufen geht. Sie berichtet über Risiken bei Veganismus und erklärt, dass man bei Feierlichkeiten auf Vollkorn-Pizza statt Leberkäse setzt. 

Frau Stock, wie kam denn der „Transfer“ vom TSV Hartberg zum SK Sturm zustande?
Ganz unspektakulär. Sturms Sportdirektor Andreas Schicker hat mich kontaktiert und fragte, ob ich mir einen Wechsel nach Graz vorstellen könnte. Hartberg hat mir diesen Schritt dann ermöglicht, wofür ich den Verantwortlichen auch noch immer sehr dankbar bin. Beim TSV geht es sehr familiär zu, und es hat auch Herzblut von mir drin gesteckt was meine Arbeit dort anging. Aber die Chance zu Sturm zu kommen wollte ich nutzen. Und es ist schon eine andere Welt hier, das habe ich schnell gemerkt. Familiär ist aber auch bei Sturm alles. Ich fühle mich wohl.

Waren Sie immer schon fußball-affin?
Ehrlich gesagt nicht. Ich stamme aus der Obersteiermark, bin dann zum Studieren nach Wien gegangen und habe später Markus Schopp, damals Hartberg-Trainer, kennengelernt. Er hat mich in die Fußball-„Blase“ gebracht. Der fußballerische Betrieb war zuerst schon ein gewisser Overload, klar. Aber dadurch, dass mein Bruder Nachwuchstrainer ist war die Distanz dann überbrückbar. Eine Challenge war in gewisser Weise aber auch sich den Spielern mit Informationen zu ihrem Essverhalten anzunähern. Ich war jünger als die meisten Kicker und Erwachsenen zu sagen wie, wann und was sie essen sollen ist ja doch irgendwie ein Eingriff in deren Persönlichkeit beziehungsweise deren Gewohnheiten. Aber diese Barriere war gar keine und ich habe mich schnell in der Kicker-Welt zurechtgefunden.

Sie haben je einen Bachelor in Sportwissenschaften und Ernährungswissenschaften, haben sich im Ernährungsbereich weiters in Krems fortgebildet. Wie würden Sie ihre Arbeit mit diesem Rüstzeug zusammenfassen?
Ich sehe mich als jemand der unterstützend eingreift was die Ernährung von Sportlern angeht. Ich will dabei helfen, dass die Spieler das Beste aus sich herausholen können und selbst wissen was gut für sie ist und was weniger. Dabei spielt – wie aktuell bei Sturm – anfangs die Beobachtung eine wichtige Rolle. Ich schaue also, was sich die Jungs beim Frühstück und beim Mittagessen in der Vereinskantine im Trainingszentrum Messendorf oder jetzt im Trainingslager in Schladming, auf die Teller legen. Ausgehend davon kann ich dann individuell mit den Spielern arbeiten. Ich führe dafür gezielte Einzelgespräche. Mit den Vereinsköchen erarbeite ich Speisepläne. In Graz sind hierbei die Bedingungen schon sehr gut, für mich geht es darum die Ernährungs-Professionalisierung noch weiter zu steigern.

Welche Angebote werden den Spielern gegeben?
Neben den Einzelgesprächen erarbeite ich auch Workshops zum Thema Sporternährung und ich gehe mit einzelnen Spielern einkaufen damit sie mehr Infos über passende bzw. weniger leistungsfördernde Lebensmittel bekommen. Noch einmal: ich weiß, dass ich mich damit in einen sehr privaten Bereich vorwage. Da geht es in erster Linie um Vertrauen, und auch darum, dass die Spieler – und die Spielerinnen, denn ich betreue ja demnächst auch das Damen-Team – merken, dass ich nicht mit großen Tabus und strengen Regeln daherkomme. Ein österreichischer Spieler der jahrelang im Ausland gespielt hat und seinen Körper entsprechend kennt muss weniger intensiv bis gar nicht begleitet werden. Mitnehmen kann aber auch solch ein Spieler immer etwas Neues.

Wer bedarf denn mehr Betreuung?
Junge Kicker, jene aus den Akademien, laufen natürlich eher Gefahr in der Zeit zwischen Schulunterricht und Training schnell zum Supermarkt zu gehen, um eine Jause zu kaufen, die nicht leistungssteigernd, sondern eher müde machend ist – etwa wegen dem enthaltenen im Körper umgesetzten Zucker – als ein Profi. Da gilt es mehr einzuwirken. Obwohl ich sagen muss, dass auch Junge heute schon sehr viel Bescheid wissen was ihre Ernährung angeht. Auch Spieler aus dem Ausland, die die Gegebenheiten in unseren Supermärkten und den Lebensmitteln noch nicht so gut kennen, unterstütze ich gezielt beim Einkaufen.

Sie haben die Jungkicker angesprochen bzw. dass diese zum Teil wenig, zum anderen Teil gut informiert sind. Wie stehen Sie denn zu den aktuellen Vegan-, Vegetarisch-, Lowcarb- und so weiter Ernährungstrends die vor allem über Social Media gehypt werden? Ist das auch im Fußball immer mehr Thema?
Auf jeden Fall. Social Media transportiert jede Menge Inhalte. Sorgen mache ich mir im Mannschaftssport deswegen aber weniger als wenn es sich um Einzelsportler handelt. In einem Team bist du immer in einem sozialen Gefüge das einem gemeinsamen Ziel folgt. Außerdem sind Teamsportler von einem ganzen Betreuerstab umgebend.  Klar gibt es auch jede Menge vegetarisch und vegan lebende Sportler und sicher auch Kicker. Ich lebe selbst vegetarisch und habe bei dieser Form der Ernährung keine Bedenken was die körpereigenen Speicher für Eisen, Calcium und weiteren Elementen aus der aufgenommenen Nahrung angeht. Am besten ist sicher eine Ernährungsform wo man mit Maß und Ziel alles isst. Wobei ich sagen muss, dass Veganismus schon auch hinderlich sein kann und man dann bei Sportlern viel mit Supplementen – also Ergänzungsmitteln – arbeiten muss. Kalorisch käme man sonst nicht an die erforderlichen Kalorienmengen heran, die ein Fußballer oder eine Fußballerin braucht. Vor allem was die Mikronährstoffe angeht. Übrigens: vegetarische Ernährung ist im Bezug auf Entzündungen sogar sehr förderlich. In Hartberg hatte ich es mit einigen vegetarisch lebenden Spielern zu tun.

Sind Fußballerinnen „braver“ beim Essen als Fußballer?
Nein. Das Ziel ist bei beiden Geschlechtern gleich: sportlicher Erfolg, hohe Leistungsfähigkeit. Die Muskeln sind natürlich anders beschaffen und daher muss arbeitet man mit Frauen auch nährstofftechnisch anders.

Muslimische Spieler sind beim Thema Essen durch den Fastenmonat Ramadan auch ein Thema. Gefährden Fastenzeiten bis zum Sonnenuntergang einen Sportler mit entsprechendem Energiebedarf?
Es gibt ja den Sonderfall, dass Berufssportler eine Ausnahme darstellen, etwa was das Essen am Matchtag angeht. Denn natürlich: nichts zu essen und gleichzeitig den Körper einer hohen Belastung auszusetzen kann gefährlich werden. Kompromisse sind aber immer möglich, nützlich sind auch hier Supplemente, zum Beispiel von Proteinen. Hier sind wir wieder beim Fingerspitzengefühl und dem individuellen Arbeiten mit unterschiedlichen Charakteren.

Es gab bei Sturm Graz über Jahre die Tradition, dass Spieler die Geburtstag oder einen anderen Grund zum Feiern haben eine üppige Jause wie Leberkäse kredenzen und mit den Kollegen genießen. Ist das auch unter ihrer „Aufsicht“ so?
Schon bevor ich nach Graz gekommen bin, hat man diese Art des kulinarischen Feierns verworfen. Die Spieler, die etwas feiern, sprechen sich mit den Köchen – oder auch mir – ab und zusammen stellen wir ein „festlicheres“ Essen zusammen. Dann gibt es eben mal eine Pizza. Halt nicht mit Salami sondern aus Vollkornteig und mit Gemüse. Oder es gibt ein feines gegrilltes Lachsfilet.

Gibt es weitere Situationen die besonders bzw. anders getaktet sind?
Ja: Unmittelbar nach dem Spiel. Da besteht ein Pizza-Phänomen, wenn man so will. Hat man verloren, besteht das Risiko sich mit der Pizza trösten zu wollen, hat man gewonnen möchte man sich damit vielleicht belohnen. Mitentscheidend sind hierbei Kortison, Adrenalin und Stresshormone, die kurz nach dem Spiel noch ausgeschüttet werden. Da gilt es aufzupassen, nicht in diese „Falle“ zu tappen. Eine Situation wo man eher ein Auge zudrücken kann, ist vor Länderspielpausen wo man vielleicht als nicht Einberufener ein paar freie Tage hat. Dann kann man dem Gusto schon einmal nachgeben.

Gibt es eine perfekte Balance zwischen gesundem Essen und vermeintlicher „Sünden“?
Perfektion ist unrealistisch. Ich würde sagen wenn man es zu 80 Prozent richtig macht, klappt es mit einer einem Profi entsprechender Ernährung.

Abschließend: was ist denn für die Ernährungsexpertin Darinka Stock eine kulinarische Versuchung?
Jetzt haben wir so viel von Pizza geredet – daher fällt mir am ehesten auch diese als Köstlichkeit ein, die ich mir hin und wieder gönne. Mit Spinat. Ohne Salami.

Philipp Braunegger