Andreas Herzog gilt als Rapid-Legende obwohl er seine sportlich-beste Zeit nicht in Wien verlebte. Mit 18 Jahren debütierte „Herzerl“ zwar unter Otto Barić für... Anekdote zum Sonntag (166) – Vorsicht bissig!

Andreas Herzog gilt als Rapid-Legende obwohl er seine sportlich-beste Zeit nicht in Wien verlebte. Mit 18 Jahren debütierte „Herzerl“ zwar unter Otto Barić für die Hütteldorfer und gehörte zum Meisterkader 1987 und ’88, sein Durchbruch gelang ihm jedoch erst als Leihspieler der Vienna. Mit 33 Jahren kehrte der Regisseur nach erfolgreichen Jahren in Deutschland zurück, um seinem Stammverein Auftrieb zu geben: Doch die zweite Amtszeit im Wiener Westen war nicht gerade von Erfolg gekrönt, weshalb Andi seine Karriere nach eineinhalb Saisonen in den USA ausklingen ließ. Als Spielmacher in Bremen gehört der bei der Admira Ausgebildete jedoch zu den prägendsten Figuren der deutschen Bundesliga der 90er-Jahre: Er holte Schale und Pokal an die Weser, ehe 1995 der Königstransfer zum FC Bayern folgte. Dort sollte die steile Karriere des Linksfußes aber pausieren. Herzogs Zeit in München endete symbolisch mit der „Gnackwatsch’n“ eines gewissen Oliver Kahn. Als frischgebackener UEFA-Cup-Sieger kehrte der Mittelfeldspieler nach dieser Einlage wieder ins beschauliche Bremen zurück, wo er noch 142-mal für Werder auflaufen sollte und erneut einen DFB-Pokal gewann.

Die heutige Anekdote spielt zu einer Zeit als „Herzerl“ noch als aufstrebendes Talent galt: Der Offensive war im Jänner 1988 von Ernst Dokupil zur Vienna geholt worden, wo er nach nur drei Partien ins ÖFB‑Nationalteam einberufen worden war. PP, wink amoi! Ein rasanter Aufstieg, dem postwendend der erste Schicksalsschlag folgen sollte: Diagnose: Bänderriss im Knöchel – eine echte Detsch‘n für den damals 19-jährigen. „Als ich mit ziemlich starken Schmerzen im Gang des Krankenhauses gelegen bin, war das schon hart.“, erinnert sich der ehemalige ÖFB-Rekordspieler. Noch von Narkosenachwirkungen benebelt büselte Andi wenige Stunden nach der OP auf der Couch seiner Eltern in Wien-Meidling. Das Bein hatte er hochgelagert, die Wunde pochte durchgehend. Im Kopf des Spielers herrschte zudem Chaos: Wie sollte es weitergehen? Würde er es schaffen sich zurückzukämpfen?

Irgendwann hatte sich Herzogs Neffe Daniel, damals gerade etwas über ein Jahr alt, den Weg zu dem frisch operierten Kicker gebannt und krabbelte voller Erkundungsdrang auf seinen Onkel zu. Der Sohn von Andis Schwester und von Ex-Bundesligaspieler und ÖFB-Funktionär Wolfgang Gramann fand Gefallen an dem klobigen Gipsfuß des Vienna-Spielers. Daniel war noch in der oralen Phase, das heißt er steckte sich sämtliche Gegenstände in den Mund. Jetzt betrachtete er interessiert den verpackten Fuß seines Onkels. Der Windelprinz wagte sich schließlich vor und kiefelte prompt die spätere „Zehe der Nation“ – wie „Herzerls“ lädierter Fuß kurz vor der WM-Endrunde 1998 genannt werden sollte – an. Da der Einjährige bereits über (einige) Milchzähne verfügte, war die Beißattacke für den Eigentümer des Beines nicht angenehm, sodass Andi aus seinem Dämmerzustand hochschreckte und entgeistert seinen Neffen ansah. Klein-Daniel verzog daraufhin das Gesicht. Ob’s am Herzogschen Zechenkas lag?

Das bissige Kleinkind sollte wenige Jahre später die Fußballtradition der Familie fortführen: Daniel kickte – ebenso wie Onkel Andi und Großvater Anton („Burli“) – für die Admira und galt lange Jahre als großes Defensivtalent. Er war Kapitän der U 20 und erreichte mit dieser 2007 den vierten Platz bei der Nachwuchs-WM-Endrunde in Kanada. Justament Zehenverletzungen (!) ließen den Spieler 2007 und 2008 aber erstmals länger pausieren. Der Innenverteidiger schaffte es danach nicht sich im Profifußball zu etablieren und wechselte im Saisontakt die Klubs: Hartberg, Altach, Klagenfurt, Grödig. Ab 2010 konzentrierte sich Gramann vermehrt auf sein Wirtschaftsstudium und kickte nebenbei in der Regionalliga Ost. Im selben Jahr wurde Andi Herzogs zweiter Sohn Louis geboren: Der und sein älterer Bruder Luca spielen nun – ratet mal – bei Nachwuchsmannschaften der Admira. Die Herzogs – eine Familie und der Fußball.

Marie Samstag