Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen... Wiederholung in Zeitlupe (40) – „Heute spielt der Uridil“ (KW 51)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografien im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Zum Anlass nehmen wir hierbei Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat: Heute gratulieren wir Rapid-Alt-Legende „Pepi“ Uridil postum zum 126. Geburtstag…

Christkind. Champion. Charakter. Kommerz.

Am Weihnachtstag 1895 gab es bei den Uridils in der Grundsteingasse im 16. Wiener Gemeindebezirk eine verfrühte Bescherung: Josef, genannt „Pepi“, der dritte Sohn der Eheleute erblickte das Licht der Welt. Zu diesem Zeitpunkt ahnte keiner, dass dieses „Christkind“ eine Art Heiland für Rapid werden würde sowie zum ersten Star und Werbeträger des Wiener Fußballs avancieren sollte. „Pepi“ hatte nicht die besten Startvoraussetzungen, wie auch beim wirklichen Christkind begann sein Leben in Armut: Als Kind kickte der spätere Star-Stürmer bloßfüßig auf der Gasse, Jahre später – nach seiner Vertragsunterzeichnung bei den Grün-Weißen – fürchtete er im Wirtshaus den Umgang mit den ungewohnten Werkzeugen Messer und Gabel.

Es waren harte Zeiten: Josef Uridil arbeitete werktags als Steinmetz und lief abends einem Ball hinterher. Über kleinere West-Wiener Vereine machte er sich einen Namen und kam knapp vor dem Ersten Weltkrieg nach Hütteldorf. Hier entwickelte er sich in den 20ern zur Ikone, wurde zweimal hintereinander Cupsieger, holte ab 1919 drei Meistertitel in Folge (plus später einen weiteren) und wurde in diesen Saisonen auch Torschützenkönig. Zudem stiftete er mit dem Erzielen von vier Toren in den letzten fünfzehn Minuten im Spiel gegen den WAC im April 1921 die „Rapid-Viertelstunde“.

Der Sohn eines Schneiders war plötzlich ein Star und Publikumsmagnet. Uridils kampfbetonte Spielweise und seine Torgefährlichkeit verglich man mit den englischen Schützenpanzern aus dem vergangenen Weltkrieg, weshalb er rasch „Pepi, der Tank“ gerufen wurde. Eine Zeitung beschrieb seine Spielweise folgendermaßen: „[Uridil] geht […] ehrlich, ohne Hinterlist und Rohheit aber mit Wucht hinein, wo es ihm notwendig erscheint, und ist ein gefürchteter, aber nicht verhasster Gegner“. Der SK Rapid hatte vor allem wegen seines Stürmers einen massiven Fanzulauf zu verzeichnen, die Werbebranche wollte dieses Potential des gebürtigen Ottakringers kommerziell umsetzen. Das Arbeiterkind unterschrieb daraufhin jeden Vertrag, der ihm unter die Nase gehalten wurde. Uridils Name zierte fortan Socken, Seife, Bier oder Zuckerl. Der Fußballer versuchte sich darüber hinaus als Schauspieler: Am 1. Februar 1924 startete der Kinofilm „Pflicht und Ehre“, indem Uridil einen Kicker aus armen Verhältnissen mimte. Zur gleichen Zeit trat der Rapidler auch in einem Theaterstück auf.

Diese kommerzielle Ausschlachtung seiner Person brachte ihm auch Ablehnung ein. Eine Kritik aus damaliger Zeit lautete: „Das neueste Theaterstück „Seid umschlungen, Billionen“, in dem der Fußballkönig Uridil auftritt, hat seinen Titel nach den Billionen, die die Anhänger Uridils den verschiedenen Kapitalisten (Zeitungsherausgebern, Kinobesitzern, Filmdirektoren und Theaterdirektoren) bereits als Dummheitssteuer abgeführt haben, erhalten.“

1923 holte Uridil seinen letzten Meistertitel mit den Grün-Weißen und wechselte danach für eine Saison zur Vienna. Nach einem weiteren Aufenthalt in Hütteldorf ließ er beim AS Bari seine Karriere ausklingen. Seine Bilanz im Nationalteam ist mit acht Länderspielen eher mäßig, allerdings auch der raren Länderwettkämpfe, die Österreich zu dieser Zeit austragen durfte, geschuldet.

Der Spieler Uridil wurde schließlich Trainer und arbeitete in der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden. So war er etwa Übungsleiter der rumänischen Nationalmannschaft bei der WM 1934 in Italien. Seine letzte Trainerstation war Jahn Regensburg, ehe er mit erst 64 Jahren früh und verarmt starb. Der ihm gewidmete Schlager „Heute spielt der Uridil“ war damals längst nicht mehr populär.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag