Das Freitagabendspiel des 30. Spieltages ging wie schon in der Vorwoche im Breisgau über die Bühne. Der SC Freiburg empfing Borussia Mönchengladbach zum Kräftemessen.... Analyse: Freiburg bleibt gegen Mönchengladbach siegreich

Das Freitagabendspiel des 30. Spieltages ging wie schon in der Vorwoche im Breisgau über die Bühne. Der SC Freiburg empfing Borussia Mönchengladbach zum Kräftemessen. Die Heimischen warten nach dem Restart immer noch auf den ersten vollen Erfolg in der Bundesliga. Die Fohlen hingegen erreichten in den bisherigen vier Spielen seit Wiederbeginn zwei Siege, ein Unentschieden und mussten sich einmal geschlagen geben. Die Statistik im Schwarzwald-Stadion sprach im Vorfeld allerdings überhaupt nicht für die Elf von Coach Marco Rose: Seit 2002 gab es keinen Auswärtssieg gegen den SCF. Die Serie sollte an diesem Abend prolongiert werden, denn die Freiburger setzten sich etwas überraschend mit 1:0 durch.

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Gladbach dominant

Wie bereits in der Vorwoche gegen Leverkusen fokussierten sich die Mannen von Trainer Christian Streich auf das kompakte Verteidigen in einer 4-4-2-Grundordnung. Man wollte auf Fehler des Gegners lauern, um dann den Ball zu erobern und Umschaltsituationen zu nutzen. In der Vorwoche hatte man so den Leverkusenern über weite Strecken sehr gut Paroli bieten können, verlor dennoch aufgrund einer kleinen Unachtsamkeit in der Defensive mit 0:1. Die Leistung machte den Breisgauern aber Mut, wodurch sich am Matchplan zunächst nicht allzu viel änderte.

Es ergab sich also ein ähnliches Bild wie in der Vorwoche: Mehr Ballbesitz für die Gäste, ein im tiefen Mittelfeldpressing agierender Gastgeber. Der Unterschied zur Vorwoche war, dass Mönchengladbach im Aufbau nicht so viel in die Breite spielte, sondern eher vertikale Anspielstationen suchte. Dies wiederum sollte die vertikale Kompaktheit des Gegners aushebeln, indem die Gegenspieler aus ihren Positionen ins Pressing gelockt werden. Dadurch sollten Räume hinter den pressenden Spielern entstehen, die die Gäste nutzen wollten. Und in der Tat hatte Freiburg mehr Probleme, die Kompaktheit zu halten als noch in der Vorwoche gegen eher behäbig von einem Flügel zum anderen kombinierenden Leverkusenern.

Freiburgs asymmetrische Pressingstrategie, Gladbach mit einer intelligenten Positionierung

Bei eigenem Abstoß wollte die Borussia das Spiel kontinuierlich über die Innenverteidiger Matthias Ginter und Nico Elvedi aufbauen. Freiburg stellte ruhende Bälle im Aufbaudrittel der Gladbacher zu und nutzte dies, um in diesen Situationen ins Angriffspressing zu gehen. Die beiden Außenverteidiger Stefan Lainer und Ramy Bensebaini positionierten sich ziemlich flach, um mehr Gegenspieler in das eigene Aufbaudrittel zu locken. Die beiden Sechser Jonas Hofmann und Florian Neuhaus agierten direkt hinter der ersten Pressinglinie der Freiburger, den beiden Stürmern Lucas Höler und Luca Waldschmidt. Sieben Gladbacher (Torhüter Yann Sommer mit eingerechnet) waren es also, die eine Lösung im Spielaufbau finden sollten. Die restlichen vier Spieler positionierten sich an der Mittellinie bzw. noch ein Stück höher. Sie machten sich die Tatsache zunutze, dass es bei einem Abstoß kein Abseits gibt. So konnten Zehner Lars Stindl, Stürmer Alassane Plea und die beiden nominellen Flügelspieler Marcus Thuram und Patrick Herrmann den Gegner vertikal auseinanderziehen. Freiburg war in der letzten Verteidigungslinie darauf erpicht, stets eine Überzahl zu lukrieren, wodurch die beiden zentralen Mittelfeldspieler Robin Koch und Nicolas Höfler immer direkt vor der letzten Verteidigungslinie positioniert waren. Der ballnahe gegnerische Sechser wurde vom eingerückten Flügelspieler – Vincenzo Grifo oder Roland Sallai zugestellt. Der dadurch freigewordene Gladbacher Außenverteidiger wurde vom eigenen ballnahen Außenverteidiger – Christian Günter oder Lukas Kübler – angelaufen. Im Angriffspressing der Heimelf ergab sich also eine starke Asymmetrie sowie ein riesiger Raum hinter der zweiten Pressinglinie. Diesen Raum nutzen entweder Stindl oder Plea, um für die eigenen Innenverteidiger eine vertikale Passlinie im Halbraum anbieten zu können.


Die blaue Mannschaft stellt Mönchengladbach dar, die rote Freiburg. Die Gladbacher Herrmann (7), Stindl (13), Plea (14) und Thuram (10) binden fünf Freiburger Verteidiger an deren letzten Verteidigungslinie. Die restlichen 5 Freiburger gehen in ein Angriffspressing über. Gladbach hat somit im eigenen Aufbaudrittel eine 7 gegen 5-Überzahl, welche ihnen die Spieleröffnung erleichtert. Durch die sehr hohe Positionierung der vier Gladbacher Offensivspieler entsteht ein riesiger Raum hinter den Freiburger Spielern im Angriffspressing, welcher meist von Stindl dynamisch besetzt wurde. Inneverteidiger Ginter (28) kann den vertikalen Ball auf Stindl im Halbraum spielen, welcher den Ball auf den nachrückenden Neuhaus (32) klatschen lässt. 

Der nachrückende Sechser, meist war dies Florian Neuhaus, stand für Stindl dann oft als 3. Mann parat, damit dieser den Ball auf ihn klatschen lassen konnte. Der Passrythmus ‚Tief-Klatsch-Tief‘ gilt als elementarer Bestandteil des Gladbacher Ballbesitzspiels unter Marco Rose.

Freiburg zieht sich in die eigene Hälfte zurück

Wenn das Angriffspressing der Heimischen auf diese Art und Weise umspielt wurde schafften es einige Freiburger Akteure trotzdem hinter den Ball zu kommen und den Gegner in der eigenen Hälfte zu stellen. Oberste Prämisse war es, das Zentrum zu verteidigen, um die Dynamik aus dem Spiel der Borussen zu nehmen. Diese sahen sich oft gezwungen, den Ball auf den Flügel zu spielen, wo die beiden Breitengeber Lainer und Bensebaini mit scharfen Hereingaben versuchten, gefährliche Aktionen zu initiieren. Hier stach bei Freiburg vor allem ÖFB-Legionär Philipp Lienhart heraus, der viele dieser Hereingaben mit seinem exzellenten Stellungsspiel klären konnte.

Ziel der Gäste in Ballbesitz war es, das Zentrum bzw. die Halbräume zu überladen, um mehr vertikale Anspielstationen für den ballführenden Spieler zu schaffen.  In der ersten Aufbaulinie war es Jonas Hofmann, der zentral zwischen die beiden Innenverteidiger abkippte und somit einen Dreieraufbau herstellte. Die beiden Außenverteidiger Lainer und Bensebaini konnten nun höher schieben, da die drei Spieler in der ersten Aufbaulinie die nötige Breite gut abdecken konnten. Im Rücken der ersten Pressinglinie des Gegners versuchte Florian Neuhaus Passoptionen für die Innenverteidiger anzubieten. Der nominelle Neuner Plea kippte oft in den Zehner Raum ab und agierte auf einer Höhe mit Stindl, jeweils im entgegengesetzten Halbraum. Der Hintergedanke dabei war klar ersichtlich: Man wollte die beiden zentralen Mittelfeldspieler des Gegners binden, damit Neuhaus in Ruhe zwischen erster und zweiter Pressinglinie aufdrehen und das Spiel Richtung gegnerisches Tor fortsetzen konnte. Die beiden nominellen Flügelspieler Thuram und Herrmann rückten sehr weit ein, um die gegnerische Viererkette zu binden.


Gladbachs Neuhaus (32) offeriert eine Passoption hinter der ersten gegnerischen Pressinglinie. Das Aufdrehen ist aufgrund der Positionierung von Stindl (13) und Plea (14) möglich, welche die beiden Freiburger Mittelfeldspieler im Zentrum (27 und 25) binden.

Gladbachs dynamische Raumbesetzung

Die Borussia verstand es in der ersten Halbzeit exzellent, stets Über- oder zumindest Gleichzahl in Ballnähe herzustellen, speziell bei eigenem Ballbesitz. Wenn es in das Mittel- bzw. Angriffsdrittel ging war die im Positionsspiel viel zitierte Rautenbildung sehr oft zu erkennen. So konnte man möglichst viele Handlungsoptionen für den ballführenden Spieler schaffen. Durch schnelles Kurzpassspiel im Rhythmus ‚Tief-Klatsch-Tief‘ sowie intelligenten Freilaufbewegungen im Rücken der Gegner konnte man diese Situationen auf engstem Raum hervorragend lösen und danach die Verlagerung auf die ballferne Seite forcieren. Ziel war es hier den Gegner Richtung Ball zu locken, um im richtigen Moment das Spiel zu verlagern. Durch die One-Touch-Kombinationen war es den Freiburgern selten möglich, Zugriff herzustellen.
Durch die vielen Positionsrotationen war es vor allem der Gladbacher Sechser Neuhaus, der oft in oder um den gegnerischen Strafraum auftauchte und auch zu dem einen oder anderen Abschluss kam.


Gladbachs Elvedi (30), Plea (14), Stindl (13) und Neuhaus (32) bilden eine Raute um den Ball, um möglichst viele Handlungsoptionen für Elvedi herzustellen. Elvedi spielt vertikal auf Stindl, der wiederum auf Plea klatschen lässt. Letzterer verlagert das Spiel auf den ballfernen Halbverteidiger Ginter (28). Durch die Überzahl in Ballnähe werden mit Freiburgs Sallai (22), Lienhart (3) und Koch (25) drei Spieler ins Pressing gelockt. Ihre Teamkollegen müssen somit noch stärker Richtung Ball verschieben. Dies ermöglicht es Ginter Druck auf den gegnerischen Defensivblock auszuüben indem er andribbelt.

Vor dem generischen Sechzehner waren die Gäste allerdings meist mit ihrem Latein am Ende und mussten, wie bereits erwähnt, die Spielfortsetzung über den Flügel wählen. Die im Spielaufbau gewonnene Dynamik verpuffte somit meist und die Hereingaben waren entweder zu ungenau oder wurden von den Freiburger Verteidigern konsequent verteidigt.

Freiburgs Angriffsschemata

Der SC Freiburg wollte den eigenen kontinuierlichen Spielaufbau über die Innenverteidiger Lienhart und Domique Heintz nicht um jeden Preis forcieren. Im Zweifelsfall wurde der Ball lang auf Höler geschlagen, der das Spielgerät festmachen und auf die nachrückenden Mittelfeldspieler ablegen sollte. Von da wanderte der Ball Richtung Flügel, wo man mit den äußeren Mittelfeldspielern und den Außenverteidigern einen Durchbruch erzielen wollte. Dies gelang eher mittelmäßig, da der physisch sehr präsente Gladbacher Matthias Ginter oft Sieger im Luftduell gegen Höler blieb und auch der zweite Ball bei den Borussen blieb, die dann ihrerseits wieder einen neuen Angriff aufbauten.
Sollte sich Kepper Alexander Schwolow dazu entschließen, flach auf die Innenverteidiger aufzubauen, dann wurde der Ball meist zu den Außenverteidigern weitergeleitet, welche wiederum versuchten, den diagonalen Flachpass auf einen der beiden Angreifer zu spielen. Nach Ablage auf einen nachrückenden zentralen Mittelfeldspieler wurde dann der lange Diagonalball in Richtung des am ballfernen Flügel positionierten Mitspielers geschlagen, wo letztendlich der Durchbruch gelingen sollte. Gladbach agierte allerdings auch in der Defensive sehr gut und konnte die Ballstafette meist bereits vor der angesprochenen Verlagerung unterbrechen. Ab und an scheiterte es aber auch am Wechselpass, der nicht beim Mitspieler ankam.


Hier ein Beispiel für das geradlinige Angriffsspiel der Hausherren: Lienhart (3) spielt den Ball flach und diagonal zu Außenverteidiger Kübler (17). Dieser wählt ebenfalls den diagonalen Flachpass auf Stürmer Waldschmidt (11), der den Ball für Robin Koch (25) ablegt. Letzterer schlägt dann den langen Diagonalball auf Vincenzo Grifo (32), der nun mithilfe seines Außenverteidigers Christian Günter (30) eine 2 gegen 1-Überzahl am Flügel gegen Gladbachs Lainer (18) hat.

Freiburg wird nach Seitenwechsel mutiger – Standardsituation und Platzverweis als Gamechanger

Nach Seitenwechsel war klar ersichtlich, dass Christian Streich seine Mannen anwies, höher zu pressen und nicht mehr in der eigenen Hälfte zu warten. Man wollte den Gegner zu Fehlern in deren Aufbaudrittel zwingen, was zu Beginn teilweise auch gelang. Die Borussia hatte zunächst nach wie vor gute Lösungen parat, änderte nicht viel an ihrem Spiel. Der Mut der Breisgauer sollte allerdings in der 58. Minute belohnt werden.

Gladbach konnte einen Ballgewinn in der eigenen Hälfte erzielen und das Gegenpressing der Freiburger umgehen, indem sie den Ball zurück zu Schlussmann Sommer spielten. Anstatt sich nun, wie in der ersten Halbzeit praktiziert, in die eigene Hälfte zurückzuziehen, schob der Defensivblock der Heimischen nun konsequent nach vorne. Dies ermöglichte es den beiden Stürmern, ins Angriffspressing überzugehen. Sommer wurde gezwungen, den Ball mit seinem schwächeren linken Fuß wegzuschlagen. Freiburgs Nicolas Höfler nahm den völlig missglückten Abschlag im Zentrum an und leitete den Ball in den rechten Halbraum zu Lucas Höler weiter, der dort das Foul zog. Die anschließende Freistoßflanke konnte der eben erst eingewechselte Nils Petersen per Kopf zum 1:0-Führungsteffer verwerten. Der bisherige Spielverlauf war somit auf den Kopf gestellt.

Dieses Tor sowie die Einwechslung von Petersen wirkte wie ein mentaler Boost für die Heimischen, die nun das höhere Pressing prolongierten und plötzlich auch viel mutiger im Ballbesitz auftraten. Der flache Aufbau über die beiden Innenverteidiger wurde nun viel öfter gesucht und diese Situationen teilweise auch gut gelöst. Gladbach hingegen wirkte plötzlich nicht mehr so sattelfest, sowohl im Pressing als auch im Ballbesitz.

Der zweite Knackpunkt der Partie war der Platzverweis für Alassane Plea in der 68. Minute. Freiburg hatte nun noch mehr Räume zur Verfügung und fand auch noch die eine oder andere Chance vor. Keine dieser Gelegenheiten konnte jedoch zum entscheidenden zweiten Treffer genutzt werden.

Die Borussia hingegen versuchte nochmal alles. Coach Marco Rose stellte erst auf eine 3-4-2-Grundordnung um. Wenig später änderte er diese wieder in ein 4-1-3-1 und brachte neue Offensivkräfte. Es half jedoch alles nichts mehr, die Breisgauer verteidigten konsequent und konnten mit dem einen oder anderen Konter auch für Entlastung sorgen und somit das Ergebnis über die Zeit bringen.

Fazit

Eine über weitere Strecken überlegene Borussia aus Mönchengladbach kann die Dominanz nicht in Tore ummünzen und wird in der zweiten Halbzeit für eine Unachtsamkeit bei einer Standardsituation eiskalt bestraft. Die Freiburger hingegen belohnen sich für ihren gesteigerten Mut in den zweiten 45 Minuten und können den ersten Sieg seit dem Restart einfahren. Die Erleichterung bei Trainer Streich und seinen Schützlingen war nach Abpfiff klar zu erkennen. Für die Gäste hingegen heißt es nun Mund abputzen und sich auf den Kracher der kommenden Woche gegen den FC Bayern München vorbereiten.

Mario Töpel, abseits.at

Mario Töpel