Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (92) –  Lieber Fin Bartels!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an einen deutschen Stürmer…

Lieber Fin Bartels!

Du bist schuld daran, dass Grinsekatze und FCB-Stürmer Thomas Müller eines seiner höchst seltenen pikierten Interviews geben musste. Wie viele Fußballinteressierte konnte auch ich meinen Augen kaum trauen, als ich die Nachricht las, Holstein Kiel hätte den Titelverteidiger, die Super-Bayern, schon in der zweiten Runde aus dem Pokalwettbewerb geschossen. Tja. Der Pokal hat eben seine eigenen Gesetze. Schon in der 37. Minute hast du den Vorsprung der Münchner ausgeglichen und schließlich auch den entscheidenden Elfmeter im Elfmeterschießen verwandelt. Für die Zeit bist du damit „Mitarbeiter des Tages“.

Lieber Fin, schade ist, dass deine Sternstunde ausgerechnet im Schneetreiben vor leeren Kulisse stattgefunden hat. Du hast in deiner Laufbahn schon viel erlebt, der letzte Mittwoch war aber ein besonderes Highlight, wie du selber zugeben musstest. Gemeinsam mit Grantibär Müller hast du, dass ihr beide nicht mehr zu den Jungspunden eurer Mannschaften gehört: Während der gebürtige Oberbayer im September 31 Jahre alt wurde und seit 2000 für den Rekordmeister kickt, ist Holstein Kiel dein Jugendverein zu dem du nach zwölf Jahren Profifußball in Norddeutschland zurückgekehrt bist. Es war alles für ein langsames Zulaufen auf das Ende deiner Karriere angerichtet: Ein Zwei-Jahres-Vertrag nach mehreren Jahren als Leistungsträger im Weserstadion und am Millerntor. Deine Qualitäten sind hinreichend bekannt: Du bist Publikumsliebling, aber kein Spieler, der sich in den Vordergrund spielt. Keine Tormaschine, kein Ballkünstler, obwohl du technisch gut und auch überdurchschnittlich schnell bist. Die deutsche Bundesliga hat zu viele Stars. Einer von den ganz Großen warst du selbst im besten Fußballeralter nicht, dennoch ist deine Karriere mehr als geglückt.

Im Interview nach dem Sieg hast du vom „positiven Druck“, den du verspürt hast, als Marc Roca den Elfmeter verschossen hat, gesprochen. Diese Herangehensweise ist natürlich interessant und vielleicht ist es erst möglich so zu empfinden, wenn man so viele Spiele wie du in den Beinen hat. Weiters hast du gemeint, ihr hättet mit Überzeugung gespielt. So muss das sein! Gegen vermeintlich Überlegene muss man seine Vorzüge eben noch mehr herausstreichen. Da hilft es sich nicht, nur Schwächen zu kaschieren. Im Fußball, der dem Jugendwahn unterliegt, werden solche Weisheiten, wie sie nur nach einigen Profijahren akquiriert werden, viel zu wenig wertgeschätzt. Dabei wird vergessen, dass sie genauso bedeutsam sind, wie Spritzigkeit, Kraft und jugendliche Unbekümmertheit.

Alles Gute weiterhin wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag