Welcher Fußballer träumt nicht von großen Arenen, gefüllten Stadien, singenden Fans und großen Siegen? In Deutschland dürfen sich die Vereine allgemein über hohe Besucherzahlen... Ein Mythos in Schwarz-Gelb – die „Gelbe Wand“ von Borussia Dortmund

Welcher Fußballer träumt nicht von großen Arenen, gefüllten Stadien, singenden Fans und großen Siegen? In Deutschland dürfen sich die Vereine allgemein über hohe Besucherzahlen freuen. Die Bundesliga boomt. Doch im Publikumsparadies gibt es ein Stadion, das deutlich hervorsticht. Es ist auch das Stadion, das die berüchtigtste Kurve des Landes beheimatet.

Als das Westfalenstadion in Dortmund für die Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland errichtet wird, befindet sich der BVB in der zweiten Liga. Das Fassungsvermögen des neu errichteten Stadions betrug damals 54.000 Zuschauer. So viele wollten ihre Lieblinge in gelb und schwarz aber gar nicht sehen: im Schnitt feuerten etwa 25.000 Fans den BVB in den Spielen der zweiten Leistungsstufe an. Ab diesem Zeitpunkt ging es mit dem Verein aber steil bergauf – auch dank des neuen Heimstadions. Es gelang der Aufstieg, im nächsten Jahr konnte Dortmund bereits einen Zuschauerschnitt von 40.000 Besuchern pro Heimspiel verbuchen. Seitdem war der BVB durchgehend bis zum heutigen Tag Mitglied in der höchsten Spielklasse Deutschlands, der ersten Bundesliga. In den 90er-Jahren, als der Verein mit Meistertitel, Pokalsieg und Champions-League-Titel eine neue höchsterfolgreiche Ära einleitete, wurde der Grundstein für den heutigen Signal-Iduna-Park gelegt. Nach mehreren Stufen des Um- und Ausbaus (unter anderem der Bau weiterer Ränge auf bereits bestehende Tribünen und Ausbau von Stehplätzen) belief sich das Fassungsvermögen des Fußballtempels auf 83.000 Zuschauer. Die Feinjustierung erfolgte im Vorfeld der WM 2006 – Kabinen, behindertengerechte Zugänge und ein Umbau der VIP-Bereiche rundeten das Bauvorhaben ab. Kurze Zeit später erklärte die UEFA den Signal-Iduna-Park zu einem so genannten „Elitestadion“. Nur in Stadien dieser Kategorie dürfen Finali der Bewerbe Champions League und Europa League durchgeführt werden. Leider wurde auch ein schwarzes Kapitel der deutschen Fußballgeschichte in diesem Stadion geschrieben: nach einem bis dahin sensationellen Turnier unterlag die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2006 im eigenen Land in Dortmund dem späteren Weltmeister Italien mit 0:2 nach Verlängerung. Insgesamt bietet das Stadion derzeit 80.720 Personen Platz, in internationalen Bewerben dürfen aus sicherheitstechnischen Gründen „nur“ rund 65.000 Zuschauer das Spiel live im Stadion miterleben.

Wo das gelb-schwarze Herz schlägt: Die Südtribüne

Auch wenn die gesamte Größe des Stadions des aktuellen deutschen Meisters im Westen Deutschlands den durchschnittlichen Fan vor Neid erblassen lässt, bleibt vielen schon die Luft weg, wenn nur von der Südtribüne die Rede ist. Allein auf diese Tribüne passen 25.000 Zuschauer – mehr als auf jede andere Stehplatztribüne auf dieser Erde. In Österreich gibt es keine vergleichbare Tribüne – kein Wunder, schon allein die Stadien, die mehr Fassungsvermögen als diese Tribüne besitzen, kann man in Österreich an einer Hand abzählen. Eine andere Welt, für den großen Unterschied braucht sich aber niemand zu schämen. Immerhin ist der Signal-Iduna-Park das größte Stadion Deutschlands. Ausschließlich Abonnenten haben das Privileg, ihren BVB von der Südtribüne aus zum Sieg zu schreien. „Wenn du nach einem Sieg vor der Südtribüne stehst, denkst du, dass es nichts Besseres geben kann. Du weißt, du hast es geschafft“, sagte einst BVB-Profi Florian Kringe. Liebevoll nennen die Fans die gelbe Wand „das Herz des BVB“. Als Dortmund im vergangenen Jahr im letzten Viertel noch immer sensationell auf Platz eins der Bundesliga stand, verkündete Kevin Großkreutz, Ur-Dortmunder und einst selbst begeisterter Fan, erst wieder zum Friseur zu gehen, wenn seine große Liebe den Meistertitel nach Dortmund geholt hat. Nach dem letzten Heimspiel der Saison, dem 2:0-Sieg über Nürnberg, und dem bereits feststehenden Meistertitel feierte die „gelbe Wand“, wie die Südtribüne ehrfürchtig genannt wird, Großkreutz mit „Du hast die Haare schön“ – Rufen.

Unterstützung, lebenslang

Wenn nicht gerade die Frisur von jungen Spielern besungen wird, feiern die Fans auf der Südtribüne ihre Lieblinge am Rasen oder sich selbst. Das kommt nicht nur bei Fans und Spieler anderer Vereine an, sondern pusht die eigenen Akteure zu Spitzenleistungen. „Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich den Rasen betrete. Die Gelbe Wand ist das Geilste, was Du Dir als Fußballer vorstellen kannst!“ Roman Weidenfeller muss es wissen, denn er hütet jede zweite Woche sein Tor vor der Südtribüne. Wie sich Tormänner der Auswärtsmannschaften vor der „gelben Wand“ fühlen, ist nicht bekannt – Manuel Neuer dürfte aber bereits ein Lied davon singen können, wie es ist, wenn man sein eigenes Wort, mit dem man eben noch seine Verteidiger warnen wollte, nicht mehr versteht. Neuer ruft bei den eingefleischten BVB-Fans ganz besondere Gefühle hervor. Zuerst hütete Neuer das Tor des verhassten Erzrivalen aus Gelsenkirchen, jetzt hechtet der Schlussmann für die nicht weniger unbeliebten Bayern nach dem Ball. Auch international ist die gelbe Wand durchaus gefürchtet – nicht zu Unrecht. Die nackten Zahlen zeigen, wie bedrohlich die Südtribüne wirken kann: 100 Meter Breite, 52 Meter Tiefe und 40 Meter Höhe – vom ersten Platz, von dem aus man dem gegnerischen Torhüter nette Worte zukommen lassen kann (die der auch hört!), bis zur letzten Reihe, knapp unter dem Stadiondach. Mittlerweile kaufen sich Fans bereits teure Sitzplätze, um sich dann auf die ungemütliche Stehtribüne zu schmuggeln. Das Erlebnis ist mittlerweile so berüchtigt, dass Fans alles auf sich nehmen, um einmal ein Spiel des BVB aus dieser atemberaubenden Atmosphäre genießen zu können. Betonboden statt Sitzheizung, fliegende Bierbecher statt Champagner – die Diskrepanz zwischen VIP-Klub und Südtribüne ist enorm – und trotzdem entscheidet sich jeder Dortmund-Fan für die Südtribüne, wenn er vor die Wahl gestellt wird. Vielen ist diese Wahl aber gar nicht vergönnt – alle 25.000 Dauerkarten für die Südtribüne sind längst weg – für die nächste Saison, wohlgemerkt.

 

Archimedes, abseits.at

Archimedes

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