Während der Ball aufgrund der Corona-Krise weiterhin ruht, schauen wir auf die Zeiten, als der FC Bayern München noch kein Abonnement auf die deutsche... Those were the days: Sensationsmeister der deutschen Bundesliga

Während der Ball aufgrund der Corona-Krise weiterhin ruht, schauen wir auf die Zeiten, als der FC Bayern München noch kein Abonnement auf die deutsche Meisterschaft abgeschlossen hatte. Denn man mag es kaum glauben – auch in der Bundesliga holten einst Mannschaften den Titel, mit denen vor der Saison niemand rechnete. Den Anfang macht Eintracht Braunschweig, die in der Spielzeit 1966/67 am Ende sensationell auf Platz eins landeten.

Helmuth Johannsen stapelte zum Saisonstart 1966/67 noch tief. Man wolle das gleiche Ergebnis wie in der vergangenen Runde erreichen, ließ der Trainer von Eintracht Braunschweig verlautbaren. Mit Platz zehn wäre Johannsen also zufrieden gewesen. Torhüter Horst Wolter sagte in einer Dokumentation des NDR anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Meisterschaft, das vorrangige Ziel damals hieß „Überleben“, sprich: nicht absteigen.

Die Presse räumte der Eintracht ebenfalls nur wenige Chancen ein. „Die Gefahr, dass die Hanse der Bundesligastädte als nächsten Fremdkörper die biederen Braunschweiger abstößt, lässt sich nicht von der Hand weisen“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung im August 1966. Das Adjektiv bieder war eines der am häufigsten gebrauchten Wörter bei der Beschreibung der Braunschweiger Mannschaft, die später auch als das „Team der Namenlosen“ bekannt war.

Eintracht Braunschweig gehörte 1963 zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga. Seit diesem Jahr galt der BTSV stets als einer der ersten Kandidaten auf den Abstieg. Cheftrainer Helmuth Johannsen, seit 1963 im Amt, schaffte es jedoch jedes Mal aufs Neue, aus wenig viel zu machen und den Klub so in der höchsten Spielklasse zu halten.

Er genoss dabei den Ruf als ein Disziplinfanatiker und harter Hund. „Er hat uns richtig geschliffen. Selbst Felix Magath ist in dieser Beziehung nichts gegen Johannsen“, so der ehemalige Braunschweig-Profi Wolfgang Simon. Johannsen war aber nicht nur gut darin, seine Spieler über den Platz zu scheuchen. Ihm gelang es zudem, seiner Mannschaft ein effektives Defensivsystem zu vermitteln. Der Catenaccio, mit dem Trainer Helenio Herrera gerade Inter Mailand zum erfolgreichsten italienischen Klub machte, galt als Vorbild.

Die Spieler setzten Johannsens Vorgaben so gut um, dass Eintracht Braunschweig nach dem Ende der Hinrunde von der Tabellenspitze grüßte. Neben Goalie Wolter, der mit 13 Team-Einsätzen bis heute Braunschweigs Rekordnationalspieler ist, galt Joachim Bäse als defensiver Erfolgsgarant. Bäse wurde erst in der Sommervorbereitung vom Mittelfeldspieler zum Libero umfunktioniert. An eine mögliche Meisterschaft glaubte aber auch zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Ein Einbruch der Braunschweiger Defensivkünstler schien für viele nur eine Frage der Zeit.

Die Mannschaft konnte das Niveau entgegen aller Zweifler auch in der Rückrunde halten. Eine der absoluten Highlight-Spiele dieser Saison ereignete sich am 28. Spieltag gegen den FC Bayern. Braunschweig besiegte die Münchner mit 5:2. Nach 66. Minuten hatten „die Löwen“ bereits mit 5:0 in Führung gelegen. Nach dieser Partie waren dann wohl die letzten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Braunschweiger Titelansprüche verflogen.

Perfekt machte die Mannschaft die Meisterschaft am vorletzten Spieltag, bezeichnenderweise mit einem 0:0 gegen Rot-Weiß Essen. Damit hatte die noch junge Bundesliga ihre erste ganz große Sensation. Am Ende kassierte Braunschweig nur 27 Gegentore, ein Rekord, der anschließend 21 Jahre Bestand hatte. Ein anderer gilt bis heute: Den Niedersachsen reichten nur 49 Tore zum Titelgewinn. Offensiv herausragend in dieser Saison: Lothar Ulsaß, der so etwas wie der Star des Teams ohne Stars war. 14 Tore trug Ulsaß als bester Torjäger seiner Mannschaft zur Meisterschaft bei. Trainer Johannsen sagte über ihn: „Er war unser Strahlemann, der positiven Einfluss auf die gesamte Mannschaft ausübte und jederzeit zu einem Spaß aufgelegt war. Auch außerhalb des Spielfeldes stellte er eine Persönlichkeit dar, die von jedermann geachtet wurde.“

Ein paar Jahre später, 1972, wechselte Ulsaß zum Wiener Sportklub. Dort beendete er 1976 seine Karriere. Er blieb anschließend in Wien und verstarb dort 1999 im Alter von nur 58 Jahren an einem Schlaganfall. Sein Name wird immer mit einem der größten Sensationen im deutschen Fußball verbunden sein: mit dem Titelgewinn von Eintracht Braunschweig.