Der FC Barcelona traf am vergangenen Samstag im heimischen Camp Nou auf Real Betis Sevilla. Wenn diese beiden Teams aufeinandertreffen sind Tore garantiert –... Torfestival im Camp Nou geht an den FC Barcelona

Der FC Barcelona traf am vergangenen Samstag im heimischen Camp Nou auf Real Betis Sevilla. Wenn diese beiden Teams aufeinandertreffen sind Tore garantiert – gab es doch in den letzten fünf Begegnungen niemals weniger als fünf Tore zu verzeichnen. Von diesen fünf Spielen konnte Barca vier für sich entscheiden, eines ging an die Grün-Weißen aus Sevilla. Die Katalanen standen im Vorfeld dieses Spiels bereits unter Druck, hat man doch seit 4 Ligaspielen keinen vollen Erfolg mehr einfahren können. Zwei dieser vier Spiele gingen sogar verloren. Am Ende erreichte die Elf von Ronald Koeman allerdings einen 5:2-Sieg, der weitere drei Punkte in der Tabelle bringt.

Messi zu Beginn nur auf der Bank

Auf dem Papier schickte der Barcelona-Trainer seine Elf im gewohnten 4-2-3-1 aufs Feld. Die große Überraschung: Superstar und Kapitän Lionel Messi saß zu Beginn nur auf der Bank. Die offensive Mittelfeldreihe hinter Solospitze Ansu Fati bildeten Pedri am linken, Osmane Dembele am rechten Flügel sowie Antoine Griezmann im Zentrum.

Die realtaktische Aufstellung Barcelonas. (Quelle: whoscored.com)

Von Beginn weg hatte Barca die Kontrolle über das Spiel übernommen und war die meiste Zeit über in Ballbesitz. Betis ging ebenfalls mit einer 4-2-3-1-Formation in das Spiel hinein, welches gegen den Ball zu einem 4-4-2 wurde, mit Zehner Sergio Canalaes und Antonio Sanabria an vorderster Front. Wenn Barca den Ball hatte agierten sie in einer 3-2-5-Anordnung mit vielen flexiblen Raumbesetzungen und Positionsrotationen, vor allem im Zentrum. Die Dreierkette im Aufbau bildeten die beiden Innenverteidiger Clement Lenglet im linken Halbraum, Piqué im Zentrum und der nominelle rechte Außenverteidiger Sergi Roberto im rechten Halbraum. Hinter der ersten Pressinglinie des Gegners positionierten sich die beiden Sechser Barcas, Sergio Busquets und Frenkie de Jong. Pro Flügel agierten die Hausherren mit je einem Breitengeber, die sich beide so hoch wie möglich, sprich an der letzten Verteidigungslinie des Gegners positionierten. Auf der linken Seite war dies der weit aufgerückte Außenverteidiger Jordi Alba, auf der rechten Seite Flügelspieler Ousmane Dembele. Pedri rückte in den linken Halbraum, um gemeinsam mit Griezmann den Zehnerraum zwischen der gegnerischen Mittelfeld- und Abwehrreihe zu besetzen. Fati agierte primär im Sturmzentrum.

Mannorientierungen als Krux in Betis‘ Defensive

Ziel der Katalanen war es, die beiden im Zehnerraum positionierten Pedri und Griezmann in Szene zu setzen. Speziell beim Spielaufbau im ersten Drittel wollte man den Gegner strecken und somit deren vertikale Kompaktheit brechen. De Jong und Busquets kamen bei Abstößen daher sehr nah zum eigenen Sechzehner, um die mannorientierten Sechser der Gäste weit nach vorne zu locken. Pedri, Griezmann, Dembele und Fati positionierten sich jedoch höher, sodass die gegnerische Abwehrkette den Zwischenlinienraum zu den beiden aufgerückten Sechsern nicht schließen konnte. Genau diese Räume wurden dann von Griezmann oder Pedri dynamisch besetzt. Was folgte waren Chipbälle in die freigewordenen Räume, wo die beiden genug Platz für die Ballverarbeitung bzw. Spielfortsetzung hatten.

De Jong und Busquets locken die beiden gegnerischen Sechser aus ihrer Position und schaffen somit Räume für Chipbälle auf Griezmann und Pedri.

Bei Ballbesitz im Mitteldrittel war es ebenfalls das Ziel die beiden im Zehnerraum positionierten Mitspieler in Szene zu setzen. Hier war es vorrangig die linke Seite, über die der Ballvortrag initiiert werden sollte. Der breit genug positionierte Lenglet konnte durch die erneute Mannorientierung der Betis-Sechser William Carvalho und Guido Rodriguez oft den Vertikalball auf Pedri spielen, der im Zwischenlinienraum aufdrehen und dann die Spielverlagerung auf den rechten Breitengeber Dembele spielen forcieren konnte. Hier standen die Innenverteidiger der Gäste vor einem Entscheidungs-Dilemma: Wenn sie Druck auf Pedri ausübten riskierten sie, den Raum hinter sich für die schnellen Alba und Fati aufzureißen. Hielten sie ihre Position in der Kette war es Pedri möglich, den Ball in offener Stellung nach vorne zu verarbeiten und dann mittels Diagonalball hinter die Abwehrkette den ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit ausgestatteten Dembele in Szene zu setzen. Dies war ein klar zu erkennendes Muster im Spiel der Heimischen, welches sich des Öfteren wiederholte.

Die Mannorientierungen der Betis-Sechser ermöglichen das vertikale Zuspiel auf Pedri. Der rechte Innenverteidiger Mandi muss eine Entscheidung treffen: Entweder die Position in der Kette halten und Pedri den Ball nach vorne verarbeiten lassen oder dem jungen Spanier Druck geben und dafür Räume hinter sich für die schnellen Alba und Fati zu offenbaren.

Betis wird mutiger – Barca geht in Führung

Eine leicht adaptierte Form dieses Musters führte auch zum 1:0 für den FC Barcelona in Minute 22. Dieses Mal war es Frenkie de Jong, der als zusätzliche Unterstützung für die erste Aufbaulinie seitlich abkippte und vor sich einen großen Raum vorfand. Diesen nutzte der junge Holländer für eines seiner berühmten Tempodribblings, mit dem er beide gegnerischen Sechser im linken Halbraum binden konnte. Somit fand Grizemann im ballfernen Halbraum viel Platz vor und konnte den Ball in offener Stellung nach vorne verarbeiten. Die Spielverlagerung auf Dembele fiel diesmal flach aus, was der französische Flügelstürmer nutzte, um mittels ein 1vs1 seinen direkten Gegennspieler Alex Moreno aussteigen zu lassen und zum 1:0 vollenden zu können. Ein Tor genau nach dem einstudierten Muster – man wollte den Gegner auf die linke Seite locken, um Platz für Dembele am rechten Flügel zu schaffen. Mit der positionellen Überlegenheit durch Griezmann zwischen den Linien und der individuellen Überlegenheit Demebeles im 1 gegen 1 am Flügel konnte man so zum Torerfolg kommen. Ein sehr anschauliches Beispiel eines Angriffs im Sinne des Positionsspiels.

Dieser Führungstreffer fiel just in jener Phase, in der Betis das erste Mal etwas mehr Kontrolle über das Spiel erlangte und längere Ballbesitzphasen lukrieren konnte. Dies war dem Umstand geschuldet, dass nun einer der beiden Sechser, meist Carvalho, nun ebenfalls zentral oder seitlich abkippte, um die beiden Innenverteidiger im Aufbau zu unterstützen. Der zweite Grund für den zunehmenden Ballbesitz der Gäste waren allerdings die Katalanen selbst, die im Mittelfeldpressing nicht wirklich großen Druck auf die gegnerischen Verteidiger ausübten. So war es den Sevillanern möglich, öfter Spielverlagerungen oder lange Longlinebälle aus der Innenverteidigung heraus hinter die letzte Abwehrlinie Barcas zu spielen.
Ab und an spielten die Gäste auch geduldig den Ball durch die gesamte Viererkette, um den gegnerischen Defensivblock so in Bewegung zu bringen und im richtigen Moment die sich bietenden Räume zu nutzen.

Betis über links brandgefährlich

Speziell über den linken Flügel war dies in der ersten Halbzeit oft der Fall. Beinahe alle gefährlichen Angriffe kamen über diese Seite. Dies war besonders den intelligenten Tiefenläufen von Linksverteidiger Alex Moreno zu verdanken, der im Dreieck mit seinem Vordermann und Ex-Barca-Akteur Cristian Tello sowie den unterstützenden Zehner Sergio Canales die Ordnung der katalanischen Abwehrkette oft aushebeln und so den Durchbruch erzielen konnte. Darüber hinaus strotze Sergi Robertos Vordermann Dembele nicht unbedingt vor Tatendrang, wenn es um das Verrichten von Defensivarbeit ging, sodass sich Barcas Rechtsverteidiger oft 2vs1-Unterzahlsituationen ausgesetzt sah.
So mussten die Heimischen des Öfteren mit Mann und Maus den eigenen Sechzehner verteidigen bzw. war es in letzter Instanz auch Schlussmann Marc André Ter Stegen, der einen Torerfolg der Grün-Weißen verhindern konnte. Kurz vor der Pause war allerdings auch er machtlos. Nach einem Ballverlust der Blaugrana im Angriffsdrittel war die Heim-Elf im Gegenpressing nicht entschlossen genug und konnte den Ball nicht zurückerobern. Betis schaffte es schnell umzuschalten und am linken Flügel ein 2vs1-Überzahl gegen Rechtsverteidiger Sergi Roberto herzustellen. Die flache Hereingabe von Cristian Tello konnte Stürmer Antonio Sanabria zum nicht unverdienten Ausgleich verwerten.

Messi wird eingewechselt – Barca zieht davon

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Zu Beginn der zweiten Halbzeit wurde Lionel Messi für den am Knie verletzten Ansu Fati eingewechselt. Prinzipiell nahm der Argentinier die gleiche Position wie Fati ein. Wer den FC Barcelona jedoch intensiver verfolgt weiß, dass La Pulga seine Positionierung flexibel wählt und sich der Rest des Teams an diese dann anpasst.
Im zweiten Durchgang war von Beginn an zu erkennen, dass Rechtsverteidiger Sergi Roberto seine Rolle weitaus offensiver interpretierte als noch im ersten Durchgang. So positionierte er sich im Aufbau von Beginn an etwas höher, um seinen Vordermann Ousmane Dembele besser in der Offensive unterstützen zu können. Mit Erfolg – Roberto sollte im weiteren Verlauf des Spiels noch zwei Assists liefern. Um in der ersten Aufbaulinie nach wie vor eine numerische Überlegenheit gegen die beiden Betis-Stürmer herzustellen, kippte Sechser de Jong nun fast permanent links neben Innenverteidiger Lenglet ab, wie er es zwischen dem 1:0 und dem Pausenpfiff bereits öfter wiederholt hatte.
Ein solches de Jong-Dribbling war es auch, welches den Treffer zum 2:1 für die Katalanen einleitete. Durch seinen kurzen Antritt mit dem Ball konnte de Jong einen kleinen Raum überbrücken und den weiterhin sehr hoch positionierten Alba in Szene setzen. Dieser brachte die flache Hereingabe auf den Richtung Tor sprintenden Messi, der sowohl den gegnerischen Torhüter als auch einen Verteidiger auf sich zog. Kurz bevor ihn der Ball erreichte entschied sich Messi jedoch diesen durchzulassen, wodurch der dahinter einlaufende Griezmann nach unzähligen vergebenen Topchancen in Halbzeit eins den Bann brechen und zum 2:1 einschieben konnte.

Betis vollzog in der zweiten Halbzeit im Spiel gegen den Ball leichte Adaptierungen. Coach Manuel Pellegrini war bedacht einerseits die dynamischen Dribblings von Frenkie de Jong einzudämmen, andererseits wollte man Antoine Griezmann zwischen den Linien nicht mehr so zur Geltung kommen lassen. Der viel gescholtene Franzose ließ zwar in der ersten Halbzeit eine Unzahl an Großchancen aus – unter anderem einen Elfmeter, den Ex-Barca-Keeper Claudio Bravo parieren konnte – allerdings machte er an diesem Nachmittag sein wohl bestes Spiel in dieser Saison. Mit seiner oftmals guten Positionierung konnte er entweder selbst Angriffe einleiten oder abschließen, oder er zog Räume für seine Kollegen frei. Am Ende standen je ein Tor und ein Assist für ihn – die gerechte Belohnung einer ansprechenden Performance.
Ein Ausdruck der Anerkennung seiner Leistung war wohl die Tatsache, dass der linke Sechser William Carvalho nun nicht mehr mannorientiert Busquets verteidigte – diesen Part übernahm der ballnahe Stürmer, der den Routinier in den Deckungsschatten stellte. Stattdessen nahm Carvalho Griezmann in die Manndeckung. Dieser wiederum positionierte sich nun um einen Tick breiter um den zentralen Passkorridor auf Messi zu öffnen, der dann aus dem Neunerraum abkippte, um das Zuspiel in Empfang zu nehmen.

Betis‘ Carvalho (#14) nun mit einer Mannorientierung gegen Griezmann. Die etwas breitere Positionierung des Franzosen öffnet die direkte Passlinie auf Lionel Messi.

Barca übernimmt in Überzahl das Kommando

Die Entscheidung in diesem Spiel fiel in der 58. Minute. Einen Schuss von Ousmane Dembele klärte Betis-Verteidiger Aissa Mandi auf der Linie mit der Hand, weshalb der Unparteiische auf Elfmeter und Rot für den Sevillaner entschied. Lionel Messi ließ sich nicht zwei Mal bitten und verwertete zum 3:1.

Nach dem Ausschluss agierte Betis in einem 4-4-1 gegen den Ball und ließ sich bei gegnerischem Ballbesitz etwas tiefer fallen. Dies sollte allerdings nicht bedeuten, dass sich die Gäste aufgaben – im Gegenteil. Mit dem Mute der Verzweiflung warf man noch einmal alles in die Waagschale, um sauber von hinten herausgespielte Angriffe zu initiieren. Im Ansatz entstand auch die eine oder andere gefährliche Aktion, meist wurde der Ballvortrag aber im letzten Drittel gestoppt.

Barca übernahm mehr und mehr die Spielkontrolle, ließ den Ball durch kluge Positionierungen zueinander in Dreiecken oder Rauten ansehnlich laufen. Ziel war es den zum Handeln gezwungenen Gegner in Bewegung zu bringen und die sich ergebenden Räume im richtigen Moment zu nutzen, um zum Abschluss zu kommen.

In der 73. Minute keimte nochmals kurz Hoffnung auf, als die Heimischen nach einem Einwurf des Gegners unachtsam waren. Dies konnte Linksverteidiger Alex Moreno nutzen um einmal mehr am Flügel bis zur Grundlinie durchzubrechen und eine celvere Hereingabe in den Rückraum platzieren zu können. Der eingewechselte Loren Moron konnte zum 2:3 aus Sicht der Gäste vollenden.

Am Bild des Spiels sollte aber auch dieser Treffer nichts ändern. Die Katalanen ließen sich nicht beirren und zogen ein Netz in des Gegners Hälfte auf, durch welches der Ball gut und schnell lief. Ein weiterer Treffer von Messi – der erste in dieser Saison aus dem Spiel heraus – sowie der Premierentreffer des 17-Jährigen Pedri entschieden das Spiel endgültig zu Gunsten Barcelonas.

Fazit

Der FC Barcelona kann nach vier sieglosen Spielen in Serie endlich wieder voll anschreiben und fährt den zweiten Heimsieg dieser Saison ein. Der Trend der letzten sehr torreichen Spiele zwischen diesen beiden Teams setzte sich fort – wieder gab es insgesamt 7 Tore zu sehen. Ein verdienter Sieg für die Heimischen gegen ein mutig und entschlossen auftretende Betis, der allerdings am Ende des Tages um das eine oder andere Tor zu hoch ausfällt.

Mario Töpel