Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (21): Lieber Nicklas Bendtner!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief an einen Stürmer aus Dänemark.

Lieber Nicklas Bendtner!

Du bist für mich ein Rätsel. Wenn ich mir hie und da dein Instagram-Profil anschaue, sehe ich wie cool du dich dort immer inszenierst. Du postest zwar selten Fotos vom Training oder von Spielen, aber dafür viele „Schnappschüsse“. Auf denen bist du meistens fesch g’sackelt, mit Freundin im Arm oder manchmal oberkörperfrei vor einem exotischen Wasserfall zu sehen. Darunter schreibst du Sätze wie, dass es immer einen Weg zum Erfolg gibt oder, dass man dir keine Vorwürfe machen soll, weil du einfach nur das Beste willst. Auf Englisch natürlich. Damit es deine Follower inklusive der Jünger des Lord-Bendtner-Clans verstehen.

Lieber Nicklas, ich bin nicht neidisch: Dein Geld und deinen Ruhm hast du dir ehrlich erarbeitet. Die Fans zahlten und zahlen schließlich (über Umwege) freiwillig auf dein Konto ein. Obwohl deine sportliche Laufbahn seit deinem Wechsel von Arsenal zu Wolfsburg bergab führt, lieben sie dich noch immer. Und jetzt, wo du am letzten Drücker noch zum FC Kopenhagen transferiert bist, muss sogar dein Debüt aufgrund des Zuschauerandrangs voraussichtlich vor leeren Tribünen stattfinden. Daran ändert auch ein Video von deinem ersten Training, indem du ziemlich viele Chancen versemmelst, nichts.

Ich habe deinen Stil immer bewundert und damit meine ich nicht die Regenjacke einer französischen Luxusmarke, deine bunten Krawatten oder Künstler-Schlabberhüte. Nein, ich rede von deinem Spielstil: Groß, kräftig, stark mit dem Kopf. Ein solider Techniker und ein Beißer, der nicht aufgibt. Doch leider hast du viel zu selten gezeigt, was du kannst.

Jeder weiß, dass es dir nicht an Selbstvertrauen mangelt. Noch zu Arsenal-Zeiten hast du bei einem Persönlichkeitstest den Höchstwert überschritten. Später hast du erklärt, der beste Stürmer der Welt werden zu wollen. Doch dazu ist es nie gekommen. Stattdessen hast du immer wieder Mist gebaut. Dein Sündenregister gipfelte im Jänner 2019 im Tragen einer Fußfessel, während du eigentlich den Strafraum der norwegischen Eliteserien beackern solltest.

Nicklas, ich verstehe nicht, wieso du dich nicht mehr im Griff hast. Dein ehemaliger Teamkollege bei Arsenal, der jetzige Juve-Goalie Wojciech Szczesny hat erzählt, du seist einer der intelligentesten Jungs, mit denen er zusammengespielt hat: „Aber am nächsten Tag machst du die Zeitung auf, liest „Betrunkener Bendtner als Geisterfahrer unterwegs“ und denkst dir „Das gibt es doch nicht?“.“ Ich frage dich: Wieso gibt es das? Vielleicht kenne ich die Antwort schon: Jener Sportpsychologe, der dich damals untersucht hat, hat auch analysiert, dass du fest davon überzeugt bist, dass jede Chancenvergabe nicht deine Schuld sein kann. Ich fürchte fast, du wirst – wenn es stimmt was Szczesny über dich sagt – irgendwann doch zu diesem Schluss kommen.

Alles Gute in Kopenhagen wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag