Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im... Men to (re)watch (30) –  Éric Djemba-Djemba (KW 30)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im Konjunktiv stecken blieb, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt radikal verändert haben oder sonst außergewöhnlich waren und sind: Sei es, dass sie sich nach dem Fußball für ein völlig anderes Leben entschieden haben, schon während ihre Profizeit nicht dem gängigen Kickerklischee entsprachen oder aus unterschiedlichen Gründen ihr Potenzial nicht ausschöpften. Auf jeden Fall wollen wir über (Ex)-Fußballer reden, die es sich lohnt auf dem Radar zu haben oder diese (wieder) in den Fokus rücken. Wir analysieren die Umstände, stellen Fragen und regen zum Nachdenken an. In der dreißigsten Ausgabe rekapitulieren wir erstmals die Klubkarriere eines afrikanischen Fußballers…

2003 wurde Éric Djemba-Djemba bei Manchester United als Nachfolger von Roy Keane vorgestellt; nur zwanzig absolvierte Partien später galt der gebürtige Kameruner jedoch als Fergusons schlechteste Neuverpflichtung. Der mehrfache Nationalspieler wechselte daraufhin weiter zu Aston Villa, machte dort aber nur außersportliche Schlagzeilen. Denn trotz exklusivem Vertrag meldeten die Medien, dass der Profi kurz vor dem Privatkonkurs stehe. Djemba-Djembas Ex-Berater meinte dazu lapidar: „Eric lebt auf einem anderen Planeten. Er hat keinen Begriff von Geld. Einmal hatte er dreißig verschiedene Bankkonten.“ Es wurde kolportiert, der Mittelfeldspieler habe sich unter anderem zehn Geländewagen gekauft. Das Urteil in der yellow press war erbarmungslos: „Djemba-Djemba liefert den schockierenden Beweis für die hedonistische, vom Geld dominierte Welt der Premier-League-Profis.“ Zack, war der Ruf des Mittelfeldspielers ruiniert. Djemba-Djemba behauptet jedoch, sein ehemaliger Berater habe diese Gerüchte lanciert, um ihn in Misskredit zu bringen. Der Fußballer stand vor der Mammutaufgabe nicht nur seine sportlichen Leistungen, sondern auch seine Außendarstellung zu rehabilitieren

Mein Freund Cristiano

Djemba-Djembas Engagement im Norden Englands hätte eigentlich unter gutem Stern stehen sollen, schließlich wurde der spätere Profi bereits als Kind (prophetisch) „Cantona“ oder „Canti“ gerufen: Sein Vater hatte ihm das rote Trikot des französischen Kultstürmers mit demselben Vornamen geschenkt, das der kleine Éric daraufhin nicht mehr ausziehen wollte. Tatsächlich sorgte er als professioneller Red Devil auch für legendäre Momente, wie z.B. ein Tor gegen Leeds, das er durch eine Direktabnahme mit der Innenseite des Fußes volley erzielte. Die Fans flippten aus und selbst Sir Alex konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Doch unterm Strich konnte der kamerunische Nationalspieler die hohen Erwartungen an ihn nicht erfüllen; es gab zu viele Partien, in denen er unterdurchschnittlich agierte.

An sein Debüt für Manchester United erinnert sich Djemba-Djemba aber bis heute gerne: „Es war fantastisch. Ich bin mit Ronaldo gemeinsam gegen Bolton eingewechselt worden und wir haben 4:0 gewonnen. Danach war ich in der Kabine sehr glücklich.“ Die ersten Einsätze des Kameruners sind historisch; aber nur aus dem Grund, dass er sie gemeinsam mit Cristiano Ronaldo bestritten hat. Der Afrikaner nahm damals hautnah an der Legendenwerdung CR7s teil. Mehr noch: Der Portugiese wurde ein enger Kumpel: „Er war bei Auswärtsspielen mein Zimmerpartner und bester Freund.“ Die beiden fuhren zusammen zum Training und wohnten nur 100 Meter voneinander entfernt: Djemba-Djemba, dessen Frau mit den Kindern in Frankreich geblieben war, lebte in Rio Ferdinands Ex-Haus, der damals achtzehnjährige Stürmer wohnte mit seiner Mutter in unmittelbarer Nachbarschaft. Éric zeigt sich noch heute von Ronaldos Talent und Physis begeistert („Auch im Training rannte er wie ein Dieb.“). Doch obwohl der spätere Weltfußballer nach jeder Einheit in Carrington in die Kraftkammer ging, war er bei seinem ersten Engagement in England noch nicht auf allen Ebenen ein Musterprofi: So kehrten die beiden jungen Männer nachmittags oft bei der Fastfood-Kette „Nando’s“ ein. Als seine Mutter starb, sei CR7 für ihn da gewesen, erinnert sich Djemba-Djemba: „Cristiano ist ein emotionaler Typ.“ Bis heute stehen die beiden in Kontakt, auch wenn dies für Éric nicht immer einfach ist, da sein weltberühmter Freund oft die Handynummer wechselt.

Während sich Ronaldo zum besten Fußballer der Welt mauserte und 2009 zu Real Madrid wechselte, musste der Defensivkicker seine Zelte in der Premier League schon 2007 abbrechen. Als Sechsundzwanzigjähriger begannen seine Nomadenjahre: Der Mittelfeldspieler sollte im Laufe seiner Karriere in Katar und Dänemark arbeiten, schnürte die Schuhe für die Kultklubs Hapoel Tel Aviv und Partizan Belgrad, wechselte von Schottland nach Indien und legte einen Zwischenstopp in Indonesien ein, um in der Schweiz seine Karriere zu beenden.

Der verhängnisvolle Medizincheck

Begonnen hat das Leben des Weitgereisten am 4. Mai 1981 in Douala/Kamerun. Éric Djemba-Djemba wurde als neuntes von zehn Kindern geboren. „Selbst wenn man aus einer afrikanischen Familie kommt, der es ‚ok geht‘, kann das Leben manchmal schwierig sein.“, beurteilt er seine Startvoraussetzungen. Seine ersten Fußballschuhe zerriss er bei einer von den Kameruner Brauereien gesponserten Mannschaft. 1998 entschloss er sich sein Glück in Europa zu versuchen und schaffte es seine Karriere über Umwege beim FC Nantes fortzusetzen.

Nur wenigen Spielern aus Afrika oder Südamerika gelingt es sich schon in jungen Jahren im europäischen Fußball ohne große Hilfe durchzusetzen. Éric bewies Durchhaltevermögen; im Westen von Frankreich feierte er 2001 sein Debüt in der Kampfmannschaft und machte rasch auf sich aufmerksam. Gemeinsam mit Mathieu Berson reüssierte er in der Defensive und verdiente sich in der Champions League erste Sporen. In dieser Zeit wurde er Nationalspieler und konnte 2002 mit dem Gewinn des Afrikacups seinen größten Erfolg feiern. Ferguson höchstpersönlich beobachtete den Kameruner und war begeistert: „Er ist schnell, aggressiv, hat ein gutes Passspiel und ist genau der Typ athletischer Spieler, nach dem wir suchen.“ Eineinhalb Saisonen lang durfte Djemba-Djemba schließlich im Old Trafford auflaufen.

Nachdem er sich in der Folge auch bei Aston Villa und Burnley nicht durchsetzen konnte, lief es im Wüstenstaat Katar wieder besser: Djemba-Djemba absolvierte 26 von 27 Partien für Qatar SC und wollte sich bei Odense in Dänemark wieder für höhere Weihen empfehlen. Auch das funktionierte und 2010 stand der Mittelfeldspieler knapp davor wieder auf die britische Insel zu wechseln. Fünf Jahre nach seinem Abschied aus Manchester und drei Jahre nach dem Ende bei Aston Villa war der Kameruner nochmals bereit in der für ihn besten Liga der Welt anzugreifen. Diesmal hatte er vor sich zunächst bei einem kleineren Klub zu behaupten: West Bromwich Albion und OB Odense waren sich bereits einig und die Ablösesumme in der Höhe von 2,5 Millionen Euro stand fest. Doch nach dem Medizincheck verzichtete der Klub ohne Angabe eines Grundes auf das Engagement des Afrikaners. Djemba-Djemba behauptete, die Engländer hätten aufgrund einer ‑ bei der Untersuchung entdeckten ‑ Alt-Verletzung noch nachverhandeln wollen, doch Odense BK hätte auf stur geschalten. Dieser geplatzte Transfer markierte einen erneuten Wendepunkt in der Karriere des Internationalen.

Ab diesem Zeitpunkt wechselte Djemba-Djemba beinahe halbjährlich seinen Arbeitgeber und wurde zum Weltenbummler in Sachen Fußball: Der vierfache Vater beehrte die kommenden Jahre Schottland, Israel, Indien und Indonesien sowie Serbien. Ende des Jahres 2016 strandete der Mittelfeldspieler in der Schweiz: „Ich kam wegen meines Freundes Jacques Etonde hierher, mit dem ich in Kamerun aufwuchs.“ Beim Kicken auf den staubigen Plätzen ihrer Heimatstadt hatten sie als Kinder davon geträumt in Europa für viel Geld zu spielen.

Im Alter von 40 Jahren beendete Djemba-Djemba schließlich seine Karriere beim FC Vallorbe-Ballaigues, einem Klub nahe der französischen Grenze. Seine Steuerschulden, die er während seiner Zeit in Groß Britannien angehäuft hatte, waren zu diesem Zeitpunkt längst getilgt. Im Laufe seiner Karriere schaffte er es besser zu wirtschaften, besteht jedoch darauf niemals bankrott gewesen zu sein.

„Ich bin zufrieden, aber ich hätte mehr aus meiner Karriere machen können.“, gab Djemba-Djemba in einer französischen TV-Sendung zu. Es hätte aber auch Spieler mit weitaus größerem Talent gegeben, die nicht für Manchester United gekickt hätten. Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm ein Freundschaftsspiel, das er auf Einladung seines Ex-Klubs besucht hatte: Als der Stadionsprecher seine Anwesenheit durchgesagt habe und die Massen applaudiert hätten, habe er eine Gänsehaut bekommen. Auch zehn Jahre später habe man ihn im Old Trafford nicht vergessen. Die Fans der Red Devils hatten ihn einst sogar mit einem eigenen Fangesang bedacht: „Djemba-Djemba – So good they named him twice!“ Manchmal sangen sie das mit ironischem Unterton, manchmal feierten sie den Kameruner.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag