Peter Slavin weiß, dass Fußball immer und überall sein kann. Insgeheim hat (fast) jeder eine Meinung zu diesem Thema, auch jene, die vorgeben keine... Buchrezension: „Fußball verbindet“ von Peter Slavin

Peter Slavin weiß, dass Fußball immer und überall sein kann. Insgeheim hat (fast) jeder eine Meinung zu diesem Thema, auch jene, die vorgeben keine zu haben. Heimliche Leidenschaften oder zumindest zarte Tendenzen zu einer bestimmten Mannschaft sind bei so gut wie jedem vorhanden.  

Die Autorin dieser Zeilen machte diese Erfahrung in ihrer eigenen Familie: Ihre Mutter, die noch immer nicht ganz versteht, warum man auf Höhe der Mittelauflage keinen Direkt-Torschuss versuchen sollte und Hans Krankl für eine Austria-Legende hält, deklariert sich (nach dem fünften Mal nachfragen und der penetranten Ignoranz ihrer Es-ist-mir-wurscht!-Replik) doch als versteckte Violette amoris causa. Der Grund: Der Sohn eines FAK-Sponsors drückte einst mit ihr gemeinsam die Schulbank, weshalb Mutter S. beschloss: „Wenn ich mich entscheiden muss, dann für die Austria.“ Immerhin. Zurück zum Thema: Slavin, der im Brotberuf TV-Media-Redakteur ist, hat ein Buch über Prominente und ihre Liebe zum Kicken geschrieben. Es ist nicht das Buch auf das Fußballösterreich gewartet hat. Es vereint vielmehr Slavins Tätigkeit als Interviewer von Persönlichkeiten mit dem Status „weltberühmt in Österreich“ und seine persönliche Begeisterung für den Ballsport. Logisch, dass hierbei ein Schattengewächs unter den ballesterischen Fachbüchern entstanden ist.

Aus handwerklicher Sicht ist „Fußball verbindet“ jedenfalls eine ganz ordentliche Anthologie kurzer Gespräche, die nach demselben Muster aufgebaut wurden. Da ist es verständlich, dass jede Menge Funfacts aufgelistet werden. Fußball ist aber eben auch Unterhaltung und somit ist das verständlich. Oder wussten Sie, dass der ORF-Korrespondent Karim El‑Gawhary in seiner Kindheit in Anlehnung an Bayern-Verteidiger Schwarzenbeck „Katsche“ gerufen wurde oder der Dompfarrer zu St. Stephan ein begeisterter Panini-Pickerl-Kleber ist?

„Wir philosophieren über Fußball und machen Musik“

Der Autor beginnt sein Buch mit Alfred Dorfer. Der gebürtige Wiener ist – wie bereits ein guter Teil seines Publikums weiß – begeisterter Austrianer. So wirkte der studierte Doktor der Germanistik auch an der Jubiläums-DVD der Veilchen mit. Dorfers Fanliebe begann als Stöpsel von sieben Jahren als er seinen Opa, einen Vienna-Anhänger, auf die Hohe Warte begleiten durfte. Dort blieb ihm allerdings nicht das Spiel der Ballkünstler aus Favoriten, sondern das Publikum in der Kurve in Erinnerung. Diese Faszination ist bis heute ungebrochen: „Es ist ein Biotop, in das du eintauchst und in dem jeder gleich ist.“ Dirk Stermann pflichtet ihm – viele Seiten später – bei: „Beim Fußball ist jeder gleich, der größte Faschist wie der aufgeklärteste Linke.“

Nicht alle vorgestellten Promis kann man als wirkliche Fans bezeichnen, viele schätzen den Sport an sich und erfreuen sich an gelungen Aktionen. Für einige ist der Fußball jedoch mehr als nur Ausgleich nebenbei: Marco Wanda, der Frontmann von Wanda, ist zwar Rapidler, weil er die Leidenschaft für die Hütteldorfer – laut Eigenangabe – vererbt bekommen hat, der Fußball ist für ihn aber auch wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens und historisch-kultureller Auftrag. „In den 20er- und 30er-Jahren war neben der Literatur und der Kunst eigentlich Fußball das beherrschende Thema in den Wiener Kaffeehäusern. Wir halten das am Leben.“, erzählt er von Diskussion mit einem ebenfalls bekannten Musikerfreund, dem Nino aus Wien. Mit ihm hat Slavin nicht gesprochen, dafür interviewte er – neben fünf bekannten Frauen – eine illustre Runde von Peter Rapp, über Cornelius Obonya bis Helmut Jungwirth.

Die Herren Krassnitzer, Kulis und Stipsits gehören zu jenen, die in ihrer Jugend selbst aktive Fußballer waren. Jurist und Journalist Peter Resetarits trauert einer möglichen Profikarriere gar wegen eines ausgeleierten Hosengummis hinterher. Der junge Resetarits kam zwar pünktlich zu den Matches der Vienna-Junioren, war aber selten einer der Ersten, die die begehrten neuen Trikots ergattern konnten. So spielte er oft in ausgeleierten Sachen. Wenn ihm nun im Laufduell die Hose gen Knie rutschte, musste Klein-Peter diese wieder hinaufziehen und verlor so wertvolle Sprintzeit.

Die Rundfunklegende Teddy Podgorski stellt die ironische Frage, ob man ein Derby nicht von zwei parteiischen Moderatoren – einem Austrianer und einem Rapidler – kommentieren lassen sollte. Das könnte das Vergnügen des Fernsehkonsumenten doch potenzieren. Karl Hohenlohe hat traumatische Erinnerung an seinen ersten Stadionbesuch: Seine Mutter zauberte einen aufblasbaren Schwimmreifen aus ihrer Tasche hervor und schickte sich an, diesen unter ihren Allerwertesten zu schieben: „Alle haben geschaut und ich hab nur auf den Boden gestarrt […]. In der Halbzeit habe ich gesagt, ich möchte gehen.“, berichtet er. Adele Neuhauser sieht im Fußball mehr als nur ein sportliches Duell, sondern ein Freilegen des Charakters. Kein Wunder, das Sergio Ramos nicht zu ihren Lieblingsspielern zählt. Neuhauser, deren Vater Grieche ist, war ob des EM-Sieges der Hellenen so begeistert, dass sie während Dreharbeiten im Salzkammergut spontan einen Sirtaki hinlegte. Die Schauspielerin gehört – wie ihre Kollegin Elisabeth Orth – zu denen, die weniger Fan einer Mannschaft als Anhänger(in) des schönen Spiels sind. Dagegen hält Pia Hierzegger – bekannt aus dem Film „Wilde Maus“ – ihrem GAK in jeder Liga die Treue. Schriftstellerin Vea Kaiser hat viele Facetten des Fußballs – im wahrsten Sinne des Wortes – durchgespielt: Sie kickte als Mädchen in der Schülermannschaft der Englischen Fräuleins ehe ein Knöchelbruch ihre aktive Laufbahn beendete. Als Teenager war Kaiser „Spielerfrau“ eines St. Pölten-Kickers, überhaupt drückt sie seit Kindertagen Rapid Wien die Daumen – dem Eisenbahner-Opa sei Dank. Kein Wunder also, dass sie davon träumt die Biografie von Didi Kühbauer zu verfassen.

Slavins Buch ist zwar eine Sammlung zusammengefasster Fanbiografien, kann aber nicht nur darauf reduziert werden. Der Leser entdeckt in fast jeder Geschichte einen witzigen oder nachdenklichmachenden Passus. Etwas schummrig wird einem ums Herz, als Harald Krassnitzer die Geschichte eines jungen Nigerianers wiedergibt. Dieser habe unbedingt ein CL-Spiel in Europa sehen wollen und in der Halbzeitpause eine Katzenfutterwerbung auf dem Stadion-Screen verfolgt. Diese Werbung sollte sein Leben verändern: „Er dachte, wenn europäische Katzen aus goldenen Schüsseln fressen, wie gut geht es dann hier erst den Menschen?“ Der Afrikaner begab sich auf eine Europarundreise und versuchte hier Fuß zu fassen. Letztendlich wurde er abgeschoben. TV-Star Lilian Klebow erzählt, wie sie am Kinderspielplatz von anderen Eltern beschimpft worden sei, weil ihre kleine Tochter ein DFB-Trikot trug: „Zwar teilweise im Scherz, aber eben nur teilweise.“ Das ewigjunge Bruderduell und der Cordoba-Mythos werden auch in „Fußball verbindet“ mehr als breitgetreten. Seis drum, irgendwie muss man die Seiten ja füllen.

 „Fußball verbindet – Prominente über den beliebtesten Ballsport“ von Peter Slavin, 160 Seiten, erschienen bei ueberreuter, 18 €, ist seit November im Handel erhältlich.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag