Jedes Jahr bin ich dabei. Ich kann ja gar nicht anders. Ich liebe Fußball und mein Dorf und (notgedrungen) gehört auch das alljährliche Sportfest... Kommentar | „Ich wart‘ auf die Wiederholung!“ –  Schauplatz: Sportfest

Freunde im PubJedes Jahr bin ich dabei. Ich kann ja gar nicht anders. Ich liebe Fußball und mein Dorf und (notgedrungen) gehört auch das alljährliche Sportfest meiner Heimatgemeinde in diese glückliche Beziehung. Das Hobbyfußballturnier ist kein Extrembeispiel für die „Unteren Zehntausend“ des Herrn Hermes, aber auch kein Polospiel à la Ascot mit breitkrempigen Damenhüten, nagelscherkurz-geschnittenem Rasen oder Nobel-Zobel-Kragen-Attitüde. Eher eine Natursauna umspült von sportromantischem Hintergrund und dem Duft nach Grillkotelett und Bierschaum. Ohne kitschig werden zu wollen: Der semi-gepflegte Rasenplatz umsäumt von Kuhweide und Mischwald ist jedenfalls ein „place where football lives forever“ und ein Mikrokosmos der österreichischen Ballestererkultur. Zwar wurde der Volkssport nicht hier sondern in den Hinterhöfen roter Backsteinhäuser links von Kontinentaleuropa geboren, die Lust vieler Österreicher aufs Fußballspielen entstand aber – neben den Parkkäfigen der Städte – an Orten wie diesem. Kurz und gut: Wir stehen auf einem Kleinod des Amateurkicks.

An einem Augustsonntag mit Aprilwetter geht die Grillparty mit gleichzeitigem Hobbyturnier heuer über die Bühne. Ich ergattere einen Sitzplatz direkt neben der Spielerkabine des Vereinshauses – besser gesagt: der Vereinshütte. Der großzügige Sanitärbereich beherbergt ebenso viele Duschkabinen wie Umkleideräume: Nämlich genau eine Einzige. Von der heimeligen Kabinenatmosphäre trennt mich im Moment nur ein Strickvorhang mit erbsengroßen Luftlöchern. Meine Phantasie spielt mir aber Bilder von leicht ethanolgeschwollenen Bäuchen und hellblonden Körperhaaren zu. Kopfkino ahoi! „Beeilts euch, die anderen san glei‘ dran!“, weist ein Athlet auf die Umkleide als Allgemeingut hin. Bäumchen-wechsel-dich und die Kicker des heimatlichen SV verlassen nach und nach Alm-Öhis-Gedächtnishütte, damit die Gäste ihre Trikots überstreifen können.

Wer von der Gastgebermannschaft schon fertig umgezogen ist, schmeißt sechseckige Steaks und Forellenfilets auf den Holzkohlengrill. Die einheimischen Gäste warten nicht auf die Bedienung sondern „belästigen“ die kellnernden Heimspieler direkt mit ihren kulinarischen Wünschen. Gott sei Dank muss ich mich nicht unters Volk mischen sondern harre der Dinge während ein Bekannter kavaliermäßig mein Steak in Auftrag gibt.

Grillmeister und die Nummer Drei meines Heimatvereins ist ein alter Freund mit dem ich einst in der Windelhose meine ersten Bälle kickte. Entschuldigend drückt er mir einen Teller mit totem Rind in die Hand: „Tut ma leid. Is‘ mir ein biss‘l schwarz geworden.“. Er verbirgt geschickt die dunklen Stellen mit einem ordentlichen Alzerl Knoblauch-Kräuter-Butter. Zuvor hatte ich wartend an meiner Frucade gezuzelt und auf den Beginn des ersten Spieles gehofft. Doch erst nach dem Verzehr meines Mittagessens – übrigens angenehm rauchig und nicht angebrannt – kann ich dem laufenden Match meine volle Aufmerksamkeit schenken. Der Schiedsrichter, der der Obmann der Heimmannschaft ist, platziert sich im Sicherheitsabstand am Rande der Tribüne. Letztes Jahr hatte er sich noch neben dem Mittelkreis niedergelassen. Vielleicht wird er sich 2015 erst gar nicht mehr von seiner angebissenen Käsekrainer und seinem roten Spritzer entfernen?

Lang, lang dauert’s bis in der Anfangspartie der erste Treffer fällt. In launiger Bieratmosphäre lasse ich mich zu einem „bonmotscherl“ für Frauenfreunde hinreißen: „Die einzige, die einlochen kann, ist das Mädel.“ Millisekunden später schwant mir, was ich da gerade von mir gegeben habe. Und obwohl mein Oberdeck noch trotzig „Nix passiert!“ vermeldet, herrscht eine ohrenbetäubende Stille, die kurz darauf durch ein paar deftige Grinser und Schenkelklopfer rund um mich durchbrochen wird. Wie sang Hildegard Knef einst: „Ich glaub‘ ‘ne Dame werd‘ ich nie.“ Der zweideutige Sinn meiner Aussage liegt nun glasklar vor mir und es bleibt mir nichts anders übrig als mitzulachen. Wenigstens hat Mama es nicht gehört.

Endlich: Das zweite Spiel und der erste Auftritt unseres Dorfklubs. Mein Jugendfreund, die Nummer Drei, hat die Frisur von Christian Keglevits (als Junger) und die Wadl’n von Thomas Müller. Ebenso wie diese Herren kann er richtig gut kicken und ist Dreh- und Angelpunkt des Angriffsspiels „meines“ SV. Mein Tischnachbar sieht sein Tiki-Taka-Tor jedoch nicht. Ihm ist’s wurscht: „Ich wart‘ auf die Wiederholung.“ Die nun spielende Altherrencombo hat den deutlich jüngeren Gastgebern wenig entgegen zusetzen. Deren Verteidigungsarbeit ist nicht so anstrengend, wie das Striptease, das wir Zuschauer auf der Tribüne hinlegen, wenn sich wieder einmal die Sonne zwischen den Wolken hervorschiebt. Schon vor dem Ende des zweiten Spieles verlässt der Erste den Tisch um sich im nahegelegenen Wohnhaus mit sommerlichen Wollsocken zu versorgen.

„Na, servas, der Pass kost‘ an Liter.“, wird derweilen von den Übriggebliebenen das laufende Match kommentiert. Ab Partie Nummer Drei muss ich zu einem härteren Getränk als meiner Orangenlimonade greifen: Die spielenden Manchester-United-Trikotträger machen ihren Vorbildern nicht gerade alle Ehre. Danach kehrt ein bisschen Ruhe ein und die Kinder sind dran. Der Schiri verlässt nun seinen Tribünenplatz und steht am Feld. Mit der Bierflasche. Dieser Anblick inspiriert die Zuschauerschaft.

Am Tisch nebenan rauchen die Köpfe: „Wir brauch’n kan Freistoßspray, wir nehmen Bierschaum.“ FIFA-Technik mit Lokalkolorit quasi. „Dass uns die Idee net stehlen.“, wird gejohlt. „Wir haben das Copyright.“ Große Heiterkeit ringsum. Die ortsansässigen Spieler sitzen inzwischen bei Verwandten und Bekannten gönnen sich Hopfen-Malz-Getränke und Teer-Nikotin-Leckerbissen nach der anstrengenden Ertüchtigung. Schutzpatron Andi Ogris schwebt über dem weißen Zelt. Oder wer erinnert sich nicht an die Legendenderbys in der Wiener Stadthalle, als sich „Pensionist“ „Ogerl“ nach anstrengendem Parketttanz noch in voller Montur eine „Tschick“ anrauchte?!

Ich habe den Überblick verloren, wer noch gegen wen spielt und wie die Endergebnisse der Spiele überhaupt gelautet haben. Als ich um halb fünf schon zuhause im Bett die Bundesligapartie verfolge, bin ich mit meinen Gedanken eigentlich schon wieder weit weg vom Fest.

Am nächsten Tag höre ich, dass der Wirt des Ortes von seinem 15-minütigen Matcheinsatz am Sonntag noch immer fix und fertig ist. Ein schönes Sinnbild und mir fällt wieder ein, warum ich Fußball liebe.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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