Heute testet die österreichische Nationalmannschaft ein letztes Mal in diesem Jahr und unabhängig vom Ausgang des Spiels gegen die Elfenbeinküste, kann man vom erfolgreichsten... Kommentar | Zur Lage der Nationalmannschaft: Der Paradigmenwechsel

Heute testet die österreichische Nationalmannschaft ein letztes Mal in diesem Jahr und unabhängig vom Ausgang des Spiels gegen die Elfenbeinküste, kann man vom erfolgreichsten ÖFB-Länderspieljahr seit über zehn Jahren sprechen.

Die Vorfreude, die rund um das Nationalteam herrscht, ist also nicht allein dem souveränen Sieg gegen einen „Fussballzwerg“ zuzuschreiben.

Dieses Jahr waren auch richtige „Rekorde“ dabei, die dem jungen österreichischen Fußballfan bisher selten unterkamen, wie etwa zwei Siege in Serie oder gar zwei Spiele ohne ein Gegentor. Zudem musste man in diesem Länderspieljahr in bisher sieben Spielen erst eine unglückliche Niederlage einstecken. Wie eben gesagt: Das 4:0 gegen die Kasachen allein ist es nicht.

Auch wenn man Gefahr läuft wieder in alte österreichische Muster zu verfallen und von einem Ende der jahrelangen Warterei und des Leids zu sprechen, ist man in die Qualifikation zur WM 2014 in Brasilien nicht optimal gestartet. 4 von möglichen 9 Punkten sind unter den Erwartungen bzw. Hoffnungen – auch wenn das Team einen schon lange nicht mehr gesehenen Fußball spielt. Dennoch kann man vom Novum der Vorfreude auf Länderspiele mit österreichischer Beteiligung sprechen, obwohl es diesmal nur ein freundschaftliches Länderspiel ist.

Das hat mehrere Gründe. Die Zeiten der Stümperei sind vorbei und man hat wieder die Gewissheit, dass rund um die nominierten Spieler ein Team werkt, dass ein gemeinsames Ziel verfolgt und dem professionell und gewissenhaft hingearbeitet wird. Es gibt keine Intrigen, keine Machtkämpfe und Spieler werden seit über einem Jahr auch nicht mehr öffentlich bloßgestellt.

Natürlich muss man sich trotz dieser positiven Entwicklung eingestehen, dass man in einer Gruppe mit der Nummer 2 der Fußballwelt, sowie zwei weiteren EM-Teilnehmern maximal einen Außenseiterstatus genießt. Aber die leidgeplagten Fußballseelen der acht Millionen Teamchefs im Land scheinen durch dieses ungewohnte Auftreten neue Hoffnung zu schöpfen. Man will diese Mannschaft spielen sehen, ihre rasche und positive Entwicklung mitbeobachten und fühlt sich in der Verpflichtung von Marcel Koller bestätigt.

Ein weiterer Grund ist, so banal er auch klingt, dass nach all den Jahren die Nationalspieler wieder ihre Freude haben im Team zu sein.

Es kam schließlich nicht oft vor, dass das Team trotz einer 3:0-Führung immer noch auf ein viertes Tor spielte, oder dass die Nationalspieler nach ihren Länderspielpausen auf einmal gute Leistungen in ihren Vereinen zeigen.

Zum ersten Mal kann man auch sehen, welchen Effekt eine gute Nationalmannschaft erzielt. Plötzlich stehen noch mehr junge Spieler in der Auslage, der Pool an potentiellen Nationalspielern wird größer und mittlerweile reicht es nicht mehr, zwei gute Spiele in der heimischen Bundesliga zu absolvieren.

Marcel Koller ist nichtsdestotrotz kein Übermensch und man wird mit ihm als Coach nicht jedes Spiel gewinnen können, aber die Spieler, die phasenweise fantastischen Fußball gegen die Deutschen gespielt haben, standen auch Didi Constantini in der vergangenen Qualifikation zur Verfügung.

Und vielleicht ist es auch die Genugtuung und die empfundene Schadenfreude, wenn man sich an die Groteske namens Expertenrunde zur Verpflichtung von Marcel Koller erinnert, als ein dubios auftretender Polster sich echauffierte, dass ihm kein Posten angeboten wurde, als Gregoritsch seine unzusammenhängende Brandrede hielt, an Prohaskas Versuch Ogris irgendwo in Spanien unterzubringen oder gerade Kurt Jara sich über die zwei vereinslosen Jahre des Herrn Kollers mokierte.

Von der damaligen Begräbnisstimmung ist nun ein Jahr nach der für manche unverständlichen Bestellung von Marcel Koller nichts mehr zu sehen. Bezeichnend für diese mutige aber wichtige Entscheidung ist, abgesehen von diesem erfreulichen Jahr für den ÖFB, dass keiner dieser damals so vorlauten Herren auch nur annähernd ähnlich erfolgreich war. Ein Jahr danach gab es allein in der Bundesliga acht Trainerwechsel – und keiner dieser Experten, die ein Erbrecht auf den Posten des Teamchefs für selbstverständlich sehen, konnte sich für höhere Traineraufgaben empfehlen.

Toni Polsters größte Leistung war es, den SC Wiener Viktoria über die Meidlinger Bezirksgrenzen hinaus bekannt zu machen, Herbert Prohaska hat nun ein paar freie Mittwochabende mehr, Gregoritschs Mission aus den U21-Nationalspielern richtige Männer zu machen kann als mäßig gelungen bezeichnet werden, Ogris ist Individualtrainer bei seinem Heimatverein, Frenkie Schinkels verwandelt Champions-League-Übertragungen in ein unterdurchschnittliches Kabarett und Kurt Jara verbrachte sein letztes Jahr wie die anderen fünf davor auch, nämlich ohne Trainerjob.

Wenn am Abend die Nummer 15 der Fussballwelt in Linz aufläuft, werden die Augen der Österreicher nicht bloß auf Drogba, die Tourés oder Kalou gerichtet sein, sondern auch auf die Elf von Marcel Koller, denn man darf gespannt sein, ob die Richtung für das nächste Jahr stimmt und ob man für den großen Wurf im nächsten Jahr bereit ist.

Francois Plaiasu, abseits.at

Francois Plaiasu

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