Rapid-Edelfan Florian Scheuba ist wohl einer der wenigen Grün-Weißen, die behaupten, bei einem Wiener Derby nicht zwingend mehr Aufregung zu verspüren als bei einem... Anekdote zum Sonntag (233) – Das Jahrhundertderby

Rapid-Edelfan Florian Scheuba ist wohl einer der wenigen Grün-Weißen, die behaupten, bei einem Wiener Derby nicht zwingend mehr Aufregung zu verspüren als bei einem anderen Match. Tatsächlich bedeutet das Aufeinandertreffen der Erzrivalen für den Großteil der Anhängerschar der letzten beiden Wiener Großvereine mitunter das Spiel der Saison – dies vor allem in jüngster Zeit, weil die einstigen Titelsammler in der anderweitig dominierten Liga stetig um ihren Platz an der Sonne kämpfen müssen. Das Wiener Derby bleibt aus historischen Gründen ein Match, das Fußballösterreich bewegt. Rapidler:innnen und Austrianer:innen schnapsen sich in diesem die Vormachtstellung in der Hauptstadt aus; wobei sie oft nur mit Stimmgewalt, Choreos und Pyroshow glänzen können. Ihre Mannschaften bleiben ein Spektakel auf dem Rasen nicht nur gelegentlich schuldig.

Dass sich ausgerechnet das Duell Austria-Rapid als großes Wiener Derby herauskristallisieren würde, war nicht immer klar. So war der erste Feind Rapids der – heute in der Regionalliga Ost beheimatete – Wiener Sportclub. Die Schwarz-Weißen gründeten sich 1883 aus einem Radfahrverband im 17. Wiener Gemeindebezirk; in räumlicher Nähe dazu begann Rapid sechzehn Jahre später als „Erster Wiener Arbeiter-Fußball-Club“ auf dem ehemaligen k.u.k. Exerzierplatz auf der Schmelz zu kicken. Die Rivalität zu den Veilchen, die sich 1911 gründeten, begann erst in den 1920ern zu blühen: Die Austria – damals noch Wiener Amateur-Sportverein – verfügte zunächst über keine feste Heimstätte und wurde erst 1914 in Ober St. Veit ansässig. Als beide Klubs fest etabliert waren, wurden die Spiele zwischen den Bezirksrivalen – Hütteldorf gehörte damals zum 13. Wiener Gemeindebezirk – zum Publikumsmagneten. So warteten einmal 20.000 Zuschauer:innen in Ober St. Veit vergeblich um Einlass als ein Spiel gegen die Grün-Weißen anstand. In dieser Zeit manifestierten sich auch die den Klubs bis heute zugeschriebenen Attribute: Rapid als kämpfender Arbeiterklub da, die Austria, der Upperclass-Verein mit dem schönen Spiel, dort.

Das wohl legendärste Duell der Stadtrivalen sollte 1950 über die Bühne gehen und bleibt wegen seines Spielverlaufes als „Jahrhundertderby“ fester Bestandteil österreichischer Fußballgeschichte. Am 17. September 1950 blieb 55.000 Zuschauer:innen im Praterstadion der Mund offen stehen, als Rapid die Austria mit 7:5 besiegte. Das Duell war ein echter Schlagabtausch, das ein Rapid-Spieler nach Schlusspfiff auf den Punkt brachte: „Es regnete zwar in Strömen, trotzdem haben die Leute vergessen die Schirme aufzuspannen.“ Um 16:15 Uhr wurde das Match angepfiffen und Rapids Gernhardt erzielte rasch einen Doppelpack. In der 12. Minute führten die Hütteldorfer bereits mit 2:0, doch die Veilchen gaben sich nicht geschlagen und verkürzten durch Adolf Huber eine Minute später auf 2:1. In der zwanzigsten Minute erzielte Alfred Körner das 3:1 ehe postwendend wieder Huber der Anschlusstreffer gelang. Austrias Melchior stellte kurz vor der Halbzeit sogar auf 3:3, das Publikum tobte. Knapp vor der Pause gelang der Austria sogar der Führungstreffer durch Richter; manche Fans waren dem Herztod nahe. Die Violetten schienen das Momentum nun auf ihrer Seite zu haben und gingen mit einer Führung in die Katakomben. Doch die Grünen beschworen in der Halbzeit den Rapid-Geist und Robert Dienst konnte in der 47. Minute den (erneuten) Ausgleich erzielen. Als Melchior die Violetten in der 55. Minute wieder in Führung brachte, wusste er nicht, dass dies das letzte Austria-Tor an diesem Nachmittag sein sollte, denn jetzt drehte der SCR auf: Robert Körner egalisierte, dann netzte Dienst erneut und den Schlusspunkt – das 7:5 – besorgte – ausgerechnet zu Beginn der Rapid-Viertelstundewieder – wieder Robert Körner. Nach 90 auslaugenden Minuten gingen die Rapidler schließlich als Sieger vom Platz. Das „Jahrhundertderby“ sorgte noch einige Zeit lang für Gesprächsstoff und ist bis heute Teil der Derby-Historie. Den Titel „Spiel der Spiele“ hat sich dieses Match schließlich redlich verdient.

Marie Samstag

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