Am 21. Spieltag der österreichischen Bundesliga stand in der vorletzten Runde des Grunddurchgangs das Traditionsduell zwischen dem SK Sturm Graz und dem FK Austria... Analyse: Sturm fegt dank hoher Intensität über die Austria hinweg

Am 21. Spieltag der österreichischen Bundesliga stand in der vorletzten Runde des Grunddurchgangs das Traditionsduell zwischen dem SK Sturm Graz und dem FK Austria Wien auf dem Programm. Für beide Mannschaften ging es dabei um einiges, wollten die Grazer doch an Tabellenführer Salzburg dranbleiben und den Rückstand im einstelligen Bereich halten. Auf der anderen Seite hatte die Austria nicht den Luxus, wie die Grazer bereits für die Meistergruppe qualifiziert zu sein und kämpfte daher um jeden Punkt, der letztlich in der Endabrechnung entscheidend sein kann. Daher war Spannung für diese Begegnung bereits im Vorfeld vorprogrammiert und die Zuseher sollten letztlich auch nicht enttäuscht werden.

Wilde „Pressingschlacht“ und Ping-Pong Fußball

Dabei ging der SK Sturm Graz in diese Begegnung als Favorit, ist man doch aktuell die klare Nummer Zwei in der Liga und die einzige Mannschaft, die Salzburg momentan Paroli bieten kann. Auf der anderen Seite war es für den FK Austria Wien der erste richtige Härtetest in dieser Saison, nachdem man unter Neo-Trainer Michael Wimmer eine bislang recht machbare Auslosung zu bewältigen hatte. Als Gradmesser konnte es auch dahingehend gesehen werden, peilt man doch in Wien-Favoriten neuerdings eine ähnliche Spielanlage wie die Grazer an und möchte über Pressing und Intensität zum Erfolg kommen. Unterschiedlich waren hier nur die systematischen Ansätze, setzen die Violetten doch auf eine 3-4-3 Formation und einer Dreier/Fünferkette, während die Grazer auf ein 4-Raute-2 bauen.

Daher war man auch im Vorfeld gespannt, welche Formation ihre Vorteile besser ausspielen würde: Das „flügellastige“ 3-4-3, oder das zentrumsorientierte 4-Raute-2? Schon von Beginn an entwickelte sich in diesem Spiel eine hohe Intensität und beide Teams beackerten nicht nur das Spielfeld, sondern sich auch gegenseitig. Sturm versuchte die Partie als Gastgeber natürlich schnell unter Kontrolle zu bringen und über einen kontinuierlichen Spielaufbau nach vorne zu kommen. Die Außenverteidiger boten sich hier immer wieder gut an und auch die zentralen Mittelfeldspieler kippten immer wieder unterstützend nach hinten. Die Austria legte sich allerdings einen guten Plan gegen die Aufbaustruktur der Steirer zurecht. Man startete aus dem üblichen 3-4-3, wobei die drei violetten Angreifer recht nah zueinanderstanden.

Der Hintergedanke war, dass man damit vertikale Pässe durch das Zentrum verhindern und Sturm auf die Flügel leiten wollte. Aus dem Grund presste man die beiden Innenverteidiger auch nicht gnadenlos an, sondern ließ sie den Pass in die Breite spielen. Sobald die Außenverteidiger der Grazer angespielt wurden, war dies der Pressingauslöser für die Violetten und die Flügelverteidiger Ranftl oder Leidner schossen nach vorne und attackierten im Vollsprint ihre Gegenspieler. Dieser Mechanismus funktionierte auch recht gut und damit konnte man den flachen Spielaufbau der Grazer de facto unterbinden. Es setzte aber gleichwohl die eigenen Innenverteidiger (speziell Handl & Mühl) unter Druck, mussten diese doch mit durchsichern und nach vorne schieben und daher oftmals riskant im Eins vs. Eins verteidigen und viel Raum abdecken.

Sturm versuchte nach und nach sich auf diese Umstände einzustellen und zielte dann auch diese Räume explizit an. Speziell Zielspieler Emegha wurde mit vielen seitlichen hohen (longline) Bällen gefüttert und man streute auf Seiten der Grazer generell viele lange Bälle ein, um das Pressing der Wiener zu umgehen und die letzte Linie zu testen. In der Anfangsphase verteidigten die Violetten das allerdings recht gut und stemmten sich gegen die Wucht der Steirer, wodurch sich eben eine unheimlich intensive und körperbetonte Partie entwickelte, mit vielen Ballverlusten auf beiden Seiten, die durch die hohe Intensität und den engen Raum provoziert wurden.

Austria bringt sich mit eigenem Ballbesitz in ständige Gefahr

Aber auch die „Veilchen“ wollten natürlich mutig auftreten und sich nicht nur auf einen „Kick & Rush“ Fußball einlassen, sondern spielerische Elemente setzen. Daher wollte man wie gewohnt von hinten das Spiel sauber aufzubauen und überlegte sich hierfür einige taktische Kniffe. Man versuchte unter anderem Ranftl weit aufrücken zu lassen, damit dieser seinen Gegenspieler mitnahm, während Jukic in seinem Rücken aus dem Zentrum auf den Flügel ausweichen sollte, um für Chipbälle von Torhüter Früchtl anspielbar zu sein. Des Weiteren probierte man auch Mühl in den „Sechserraum“ neben Fischer zu schieben, damit dessen Schwächen auf halblinks nicht von Sturms Pressing angebohrt und ausgenutzt werden konnten. Im Gegenzug positionierte sich der linke Flügelverteidiger Leidner tiefer, wobei der strategische Fokus auf die rechte Seite mit Handl, Jukic und Ranftl gelegt werden sollte.

In der Theorie klangen diese Ideen alle recht schlüssig, doch die Praxis sollte die Violetten rasch einholen. Sturm hat sich nicht umsonst unter Ilzer zu den pressingstärksten Teams der Liga entwickelt und damit auch international für Furore sorgen können. Man nahm die Gäste dahingehend sogar so ernst, dass man die eigene Formation im Pressing anpasste. Üblicherweise attackieren die Grazer aus dem 4-Raute-2 und mit zwei Stürmern an vorderster Front. Gegen die Wiener stellte man aber die Pressingformation extra um, indem man Mittelfeldspieler Prass nach vorne auf eine Höhe mit Emegha und Sarkaria beorderte, wodurch die Anordnung kurzzeitig zu einem 4-3-3 wurde. Damit stellte man sicher, dass man einen direkten Zugriff auf die drei aufbauenden Verteidiger der Austria hatte und wollte daher für nummerische Gleichzahl sorgen.

Dahinter wurden Fischer und Jukic oftmals in Manndeckung genommen, wodurch die Verbindungsspieler vom Spielgeschehen abgeschnitten werden sollten. All diese Anpassungen unterstreichen nur, auf welch hohem Niveau sich Sturm mittlerweile bewegt und man auf jeden Gegner eine passende Antwort parat hat. Das demonstrierte man dann auch auf dem Spielfeld, indem man jeden Versuch der Austria, einen Spielaufbau aufzuziehen und spielerische Lösungen zu finden, zunichtemachte. Die violetten Gäste schafften es nur äußerst selten, sich aus dem Pressing der Grazer zu befreien und man kam mit diesem Druck in Wirklichkeit überhaupt nicht zurecht. Meist sah es so aus, dass man nach zwei bis drei Pässen zwischen Torhüter und Innenverteidiger, den hohen Ball nach vorne wählte und somit kaum Kontrolle im Ballbesitz hatte. Es gelang überhaupt nicht, die erste Pressinglinie von Sturm in Bewegung zu bringen und laufen zu lassen, geschweige denn zu überspielen. Hier hätte man mehr Ruhe gebraucht und den Ball über mehrere Stationen laufen lassen müssen, um Lücken beim Gegner zu kreieren.

Das verabsäumte man allerdings, wodurch diese langen Bälle für die Grazer leicht zu verteidigen waren und nicht nur kaum eine Gefahr darstellten, sondern meist postwendend zurückkamen. Man stellte sich auch auf Zielspieler Tabakovic gut ein und Sechser Gorenc-Stankovic unterstützte die beiden Innenverteidiger permanent, um den formstarken Stürmer in die Zange zu nehmen. In jeglicher Hinsicht hatte Sturm schlicht eine Antwort auf die Bemühungen der Austrianer. Die Gäste wurden auch zunehmend von dieser Form der Ratlosigkeit angesteckt und verloren komplett die Ruhe, wodurch sich immer wieder teils haarsträubende Ballverluste im Ballbesitz einschlichen. Das spielte Sturm wunderbar in die Karten und sorgte dafür, dass die Gastgeber ein regelrechtes Feuerwerk nach gut 15 Minuten abfeuerten.

Das Muster war dabei in den meisten Fällen ähnlich gestrickt: Austria im Ballbesitz, Ballverlust im Spielaufbau oder Mittelfeld, Umschaltsituation für Sturm und Gefahr für das eigene Tor. Hier spielte Sturm die strategische Überlegenheit im Zentrum schlicht mustergültig aus, wo man Räume gegen eine gestreckte Mannschaft der Austria vorfand, die im Ballbesitz natürlich versuchte, das Spielfeld breitzumachen. Dadurch konnten die Grazer nach der Balleroberung sehr geradlinig und direkt nach vorne kombinieren und erspielten sich eine Vielzahl an Torchancen. Nur Austria-Torhüter Früchtl war es zu verdanken, dass es lange Zeit 0:0 stand.

Nach gut 35 Minuten war es dann aber soweit und Sturm ging in Führung. Nach einem schweren Ballverlust von Innenverteidiger Handl im Ballbesitz, konterte Sturm im höchsten Tempo und kam mit wenigen Pässen in den gegnerischen Strafraum, wo sich Stürmer Emegha durchsetze und trocken zum 1:0 traf. Einer der vielen haarsträubenden Fehler wurde schlussendlich auch bestraft. Die Violetten hingen in dieser Phase vollkommen in den Seilen und hatten schlicht keine Antwort auf die Aufgaben, die ihnen Sturm auferlegte. Umso überraschender war dann der Ausgleich, der buchstäblich aus dem nichts kam. Eine tolle Freistoßflanke von Jukic vollendete Torjäger Tabakovic mit einem Kopfball ins lange Eck zum 1:1 Ausgleich.

Das schien der Austria etwas Auftrieb zu geben und zumindest tauchte man nun wieder öfter in der gegnerischen Hälfte auf. Beinahe hätte man auch eine Großchance vorgefunden, als Leidner auf der linken Seite durchbrach, allerdings den letzten Kontakt verschlampte und dadurch den Ball nicht zum freistehenden Dovedan spielen konnte. Auf der anderen Seite bereitete man wieder nach einem schweren Fehler im eigenen Ballbesitz eine Topchance von Sturm vor, aber Früchtl konnte einen Schuss von Gazibegovic mit einer Glanzparade parieren. So ging es nach einer ereignisreichen ersten Hälfte mit einem überraschenden 1:1 in die Halbzeitpause.

Sturm dosiert Pressing und haucht Austria Leben ein

Etwas überraschend entschied sich Austria-Trainer Wimmer trotz einer ganz schwachen Halbzeit keine personellen Veränderungen vorzunehmen und schickte die gleiche Elf auf das Spielfeld zurück. Das war auch bei Sturm der Fall, wobei sich hier gruppentaktisch etwas getan hatte. Überraschenderweise schraubte man das eigene Pressing etwas hinunter und lief nicht mehr gnadenlos das Aufbauspiel der Gäste an. Das sah man auch an der Formation, wo Prass nun nicht mehr auf einer Höhe mit den beiden Angreifern agierte, sondern seine angestammte Position als linker „Achter“ einnahm.

Über die Gründe kann man nur spekulieren, vermutlich wollte man sich die Kräfte besser einteilen, um notfalls auch in der Schlussphase nachlegen zu können, sofern das Spiel eng blieb. Ein Faktor war sicherlich auch, dass man die Austria zum Mitspielen einladen wollte. Das war ja bislang im Spiel der beste Spielmacher der Grazer könnte man argumentieren, nämlich die Ballverluste der Violetten. Auf diese konnte man sich bislang verlassen.

Die Austrianer kamen dadurch tatsächlich auch etwas besser in Spiel und fanden in einen Rhythmus hinein. Zwischen Minute 50 und 65 konnte man tatsächlich sogar längere Ballstafetten aufziehen und den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren lassen, ohne nach zwei, drei Pässen einen Ballverlust zu erleiden. Das lag auch daran, dass man Fischer und Jukic besser ins Spiel einbinden konnte und diese für mehr Struktur im Ballbesitz sorgten. Einziges Problem, man blieb im letzten Drittel viel zu harmlos und konnte aus dem vermehrten Ballbesitz wenig Kapital schlagen. Das lag vor allem an den Offensivspielern Dovedan und Keles, da ersterer völlig seiner Form hinterherläuft und ein Schatten seiner selbst ist, während Keles zu ineffektiv agierte und laufend falsche Entscheidungen traf. So bekam Zielspieler Tabakovic kaum brauchbare Bälle und blieb das violette Offensivspiel ein laues Lüftchen.

Und wenn man dann einmal den Ball verlor, brannte es immer wieder lichterloh in der Defensive. Darauf konnten sich die Gastgeber nach wie vor verlassen. Sturm hebelte das Gegenpressing der Gäste sehr oft aus und kam dank dem starken Umschaltspiel gefährlich ins letzte Drittel, wo man zu einigen Möglichkeiten kam. So auch im Vorfeld des 2:1, wo es den Grazern mehrmals gelang, die Violetten auszuspielen und den Ball zu behaupten, ehe Emegha freigespielt wurde und zum 2:1 traf. Wenig später leistete sich auch Torhüter Früchtl einen schweren Patzer im Spielaufbau und leitete einen Angriff von Sturm ein, der zu einem Foulelfmeter führte. Diesen verwandelte Ex-Austrianer Sarkaria souverän und stellte mit dem 3:1 quasi die Vorentscheidung her.

Die Steirer zogen sich anschließend zurück und überließen der Austria das Spiel. Diese kam dadurch auf höhere Ballbesitzzeiten und schlussendlich sogar nach Spielende auf generell mehr Ballbesitz als die Grazer, allerdings blieb man auch weiterhin weitestgehend harmlos und fand keine geeigneten Mittel, um die kompakten Gastgeber zu knacken. Auch der wiedergenesene Spielmacher Fitz konnte nach seiner Einwechslung daran nichts ändern, auch wenn diese Tatsache immerhin eine positive Note in diesem Spiel war, welches letztlich mit einem 3:1 für Sturm endete.

Fazit

Schlussendlich muss man konstatieren, dass dies eine Machtdemonstration des SK Sturm in dieser Begegnung war. Die Steirer zeigten der Austria ihre Grenzen auf und bewiesen, dass man sich aktuell nicht auf dem gleichen Niveau befindet. Die Intensität und die Zielstrebigkeit, mit der die Grazer agierten, konnten die Violetten schlicht nicht kontern. Augenscheinlich war dies bei den zahlreichen haarsträubenden Ballverlusten, die durch das Pressing der Grazer provoziert wurden und eine Vielzahl an Torchancen der Gastgeber ermöglichten. Den Gästen gelang es nicht, den Spagat zwischen mutig zu sein, aber nicht kopflos, zu meistern. Man hatte auf Seiten der Austria zu viele Totalausfälle in der Mannschaft, um gegen ein Team wie Sturm zu bestehen.

Hier darf man natürlich auch nicht vergessen, dass den Violetten einige wichtige Akteure fehlen, was sich vor allem in der Offensive und der damit einhergehenden mangelnden Durchschlagskraft bemerkbar machte. Letztendlich ist dies auch eine Qualitätsfrage und auch in der Hinsicht hat Sturm Graz aktuell deutlich die Nase vorne. Nun muss die Austria um den Einzug in die Meistergruppe zittern und steht man vor dem Wiener Derby gehörig unter Druck, gegen den Erzrivalen ein positives Resultat einzufahren. Es bleiben also hektische Tage bei den Violetten, wo zittern angesagt sein wird.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic