Existenzängste, windige Investoren, Fanprobleme – die Austria war in den letzten Jahren nicht gerade von guten Nachrichten gesegnet. Und dennoch schafften es die Veilchen... Wiedergeburt in Violett: So schaffte es die Austria wieder „in“ zu sein

Existenzängste, windige Investoren, Fanprobleme – die Austria war in den letzten Jahren nicht gerade von guten Nachrichten gesegnet. Und dennoch schafften es die Veilchen zuletzt ein neues Selbstverständnis zu entwickeln und fanden so zurück in die Erfolgsspur.

Doch wie gelang es dem hoch verschuldeten Klub so stark zurückzukommen? Im Austrian Soccer Board, Österreichs größtem Fußballforum diskutierten zahlreiche Fans der Wiener diese Entwicklung. Auf den Punkt brachte es zunächst ein User namens pramm1ff, der auch das Fanportal verteilerkreis.at betreibt:

Die Fanszene und das Fanleben im Allgemeinen haben bei uns derzeit eine richtig krasse Dynamik entwickelt. Das kommt denke ich aus einer Reihe an Faktoren, die ich sicherlich nicht abschließend aufzählen kann, aber ich versuche es mal:

  1. Teilsäuberung von Neonazi-Gruppen und Gras das über alte Wunden auf der Tribüne gewachsen ist
  2. Der Kraetschmer-Abschied: Ein Reibebaum weniger, Krisch mit offenerem Zugang, Fanszene konnte sich wieder mehr entfalten
  3. Rückkehr-Mentalität nach Covid, niedrige Ticketpreise, echter Fokus auf Zuschauerzahlen und Mitglieder, volleres Stadion, mehr Stimmung, neue Leute, niedrigere Hemmschwelle zum Stadionbesuch, selbstverstärkender Effekt
  4. Finanzielle Krise, neuer Zusammenhalt, Verein unterstützen wollen, Fan-Initiativen, Weg von Anspruch und Stil, hin zu „frag nicht was dein Verein für dich tun kann, sondern was du für deinen Verein tun kannst“
  5. Sympathische Spieler, aus der Finanzkrise geborene Tugend den Nachwuchs zu fördern, Trainerlegende Schmid, Legenden wieder eingebunden, neues junges Personal in der Geschäftsstelle (insbesondere B2C und Medienabteilung)
  6. Sportlicher Erfolg mit Platz 3, Europacup-Freuden, attraktiver Fußball, neuer Spirit im Team, violetten Kampfgeist nach Jahren wiedergefunden
  7. Erstarken von KAI als Magnet für Nachwuchsfans, gelungene Choreos, kaum mehr rechte Skandale und schließlich die volle Übernahme der Tribüne
  8. Brutal attraktiver Fußball, neue Leit- und Identifikationsfiguren in der Mannschaft, eine violette Einheit mit Leadertypen, Talenten und Teamgeist 

Ich glaube nicht, dass das eine Eintagsfliege ist oder gar an sportlichen Leistungen hängt, denn dafür haben wir schon zu viel durchgemacht und den Drive dennoch nicht verloren. EC-Debakel, lausige Ligaspiele, verkorkste Transferfenster, Investorenübernahme, Schmid-Entlassung, etc. 

Nein – vielmehr ist es so, dass sich bereits tief in der violetten Seele festgesetzt hat, dass wir zusammenhalten müssen. Früher war uns kein Transfer gut genug, kein Trainer schnell genug entlassen, kein Funktionär zu wenig in der Schusslinie, kein Spieler zu früh abgeschrieben und keine Fanaktion verdächtig genug. Heute ist es das Gegenteil. Wir feiern was wir können und stecken weg was sich nicht ändern lässt.

Wir haben gelernt, dass wir nur stark sind, wenn wir uns nicht vom Weg abbringen lassen und wir wissen, dass wir jeden Tag kämpfen müssen, um nach oben schielen zu können, ja sogar um finanziell bzw. sportlich zu überleben. Das hatten wir in dieser Härte und Konsequenz eigentlich auch noch nie, denn selbst nach Stronach hat das den Durchschnittsfan nicht auf so vielen Ebenen tangiert. Da waren keine Investoren, keine Führungswechsel, keine Hauptgruppe die sich auflöst, keine Konkursängste und Lizenzverweigerungen präsent. Das schweißt zusammen und man spürt es.

Auch was die Fan-Werbung betrifft, machte die Austria in den letzten Monaten einiges richtig. Im Zuge der Pandemie gab es einige Studien, die zeigten, dass die Veilchen kaum noch junge Leute ansprechen, weil diese innerhalb der Hauptstadt eher zu Rapid gehen und österreichweit vor allem vom regelmäßigen Erfolg von Red Bull Salzburg bezirzt werden und lieber das Bullen-Trikot überstreifen, als ein Violettes. Zudem sind in Wien vor allem internationale Spitzenklubs zu großen Konkurrenten für die Wiener Großklubs geworden. Manchester City und Co. ziehen aufgrund der Qualität des Fußballs und der höheren Verfügbarkeit durch Free- oder Pay-TV bei den Jüngsten am allerbesten.

Der User jimmyhogan beschreibt, dass auch die Arbeit in sozialen Netzwerken eine wichtige Auswirkung auf die neue, hippe Ausstrahlung der Austria hatte:

Zwei Faktoren, die noch nicht genannt worden sind, für unseren Aufschwung bei den Jungen:

– Der Tiktok Channel mit 46.000 Followern und fast einer Million Likes, den mit Aleks ein absoluter Topmann betreut. Das wird von vielen sicher unterschätzt, wie viel die Jugendlichen heutzutage nonstop Tiktok ballern und auch ihre Freizeitgestaltung danach ausrichten. Wenn du dort nicht vorkommst, gibt’s dich quasi nicht. Wir erzielen dort mit den Beiträgen teilweise Reichweiten über 50.000 Views in einer extrem jungen Zielgruppe, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

– Das topmoderne Stadion, das wirklich was gleichschaut. An dieser Stelle ein unironisches Danke an Markus Kraetschmer, auch wenn’s uns fast in den Ruin treibt, war es wohl auf lange Sicht absolut notwendig.

Bei der Austria tut sich also was. Eine neue Generation auf der Tribüne und ein anderer Schlag von Fußballern auf dem Platz, die nach einem klaren Konzept auftreten und die Vorgaben ihres Trainers binnen kürzester Zeit verinnerlicht haben.

Ein Fragezeichen steht den Wienern nun im Sommer bevor: Welche Veränderungen wird die Transferzeit mit sich bringen? Angesichts der weiterhin prekären finanziellen Lage wird man um den einen oder anderen Spielerverkauf wohl nicht herumkommen. Ob Jürgen Werner und Co. es schaffen, die grundsätzliche Qualität der Mannschaft aufrechtzuerhalten, wird die nächste große Frage in Violett sein. Eine Teilnahme an der Europacup-Qualifikation macht es für die Austria aber definitiv einfacher…

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen