Sehr viel wurde in den letzten Tagen und Wochen über die Geschehnisse beim ÖFB und die nach dem Aus von Marcel Koller entstandene Teamchef-Suche... Der Neo-Teamchef im Porträt (2): Das Spielmodell des SK Sturm Graz im Herbst 2017

Sehr viel wurde in den letzten Tagen und Wochen über die Geschehnisse beim ÖFB und die nach dem Aus von Marcel Koller entstandene Teamchef-Suche geschrieben und diskutiert. In den Medien und den sozialen Netzwerken standen dabei leider wieder einmal fast ausschließlich emotionale und persönliche Aspekte im Fokus. Die mächtigen Landespräsidenten wurden dabei ebenso auseinandergenommen wie undurchsichtige Entscheidungsprozesse in ÖFB-Gremien, unglückliche Pressekonferenzen und angebliche „Top-Power-Point Präsentationen“ von möglichen Teamchef-Kandidaten. Und einige suchten noch ganz verzweifelt nach einer Analyse zur missglückten Europameisterschaft 2016. Sportdirektor Willi Ruttensteiner sollte nämlich nicht die nötigen Schlüsse daraus gezogen haben. Dabei darf man den entscheidenden Punkt dieser ganzen Debatte nicht übersehen: In Österreich soll in Zukunft wieder der Fußball im Mittelpunkt stehen und nicht die Wissenschaft.

All jenen, die davon genug haben, bieten wir ein Kontrastprogramm. Wir richten den Scheinwerfer auf das Spielfeld und analysieren in dieser vierteiligen Serie unter anderem die Entwicklung des Trainers Franco Foda, sein aktuelles Spielmodell mit Sturm Graz und versuchen mögliche Modelle für das zukünftige Spiel der Nationalmannschaft unter Foda zu konstruieren. Im ersten Teil widmeten wir uns der persönlichen Entwicklung des Franco Foda an, nun sehen wir uns das Spielmodell des SK Sturm Graz im Herbst 2017 genauer an!

Spielmodell SK Sturm Graz Herbst 2017

Bis dato ist Sturm Graz gemeinsam mit Red Bull Salzburg die dominanteste und spielstärkste Mannschaft in der heimischen Bundesliga. Beide Teams haben dabei gewisse Ähnlichkeiten miteinander bzw. anders formuliert, beide Mannschaften verfolgen schlichtweg moderne taktische Grundprinzipien in den jeweiligen Spielphasen. So forcieren beide Teams das Spiel flach und kontrolliert aus der eigenen Abwehr heraus aufzubauen, um im weiteren Angriffsverlauf bewusst den Gegner vor Entscheidungen zu stellen und die dadurch entstehenden Räume zu bespielen. Das hat wohl auch Foda gemeint, indem er behauptete, dass sein Team die Angriffe jetzt besser vorbereite als noch in der vergangenen Saison.

Aktivität und Spielkontrolle strahlen dadurch beide Mannschaften aus, nur jeweils in anderen Strukturen und teilweise auch in anderen Räumen. Die Angriffe von Red Bull in ihrer 4-1-3-2 Grundordnung werden vor allem im letzten Drittel wesentlich häufiger durch das Zentrum gespielt als dies bei Sturm der Fall ist. Anhand dieses Vergleichs beider Spitzenmannschaften in der Bundesliga wird wieder mal ersichtlich, dass Grundordnungen allein rein gar nichts über die Spielidee eines Trainers aussagen. Oder wer kommt schon auf die Idee, die Spielweise von Franco Foda aufgrund der 5-4-1 Ordnung als defensiv und abwartend zu bezeichnen? All jenen, die Sturm Graz spielen gesehen haben, stellt sich diese Frage überhaupt nicht.

Auch im Spiel gegen den Ball verbindet die beiden Topteams der Liga mehr als auf den ersten Blick angenommen. Frano Foda und Marco Rose setzen auf klar und sauber strukturierte Pressingbewegungen, innerhalb derer sich die Spieler am Ball orientieren und dabei das Ziel verfolgen, das Zentrum sowie die Halbräume zu kontrollieren. Für gegnerische Teams ist es daher äußerst schwierig, sich gegen eine aufrechte Organisation durch das Zentrum Torchancen herauszuspielen. Großer Unterschied zwischen Sturm und Salzburg ist an diesem Punkt die Wahl der Pressinghöhe- und intensität.

Während Red Bull in der Regel auf ein aktives und lenkendes Angriffspressing setzt, verteidigt Sturm vor allem im 5-4-1 wesentlich tiefer und passiver und konzentriert sich auf das Verschließen von Passoptionen im Zentrum und in den Halbräumen. Gegnerische Innenverteidiger und abkippende Sechser können daher das Spiel meist ruhig aufbauen und den Ball kontrollieren, bei Pässen in den Grazer Verteidigungsblock (oder in den Zwischenlinienraum) wird der Pressingmechanismus aber sofort scharf gestellt und der gegnerische Passempfänger aggressiv unter Druck gesetzt. Wir werden auch sehen, dass die Flügelzonen beliebte Pressingtrigger für die Grazer sind. Kompakte Abstände, vor allem in den horizontalen Linien, ermöglichen sofortigen Zugriff und die nötige Absicherung für den attackierenden Spieler.

„Wir sind dann gut, wenn wir als Kollektiv auftreten und alle zusammen gegen den Ball arbeiten. Wenn wir das nicht machen, können wir auch gegen jede Mannschaft in dieser Liga verlieren“.

Franco Foda über die Basis seines Spielmodells

In diesem Punkt gleichen sich Sturm und Salzburg wieder. Bei beiden Mannschaften ist das Spiel gegen den Ball die Basis, was durch ein funktionierendes Kollektiv mit klaren Pressingmechanismen zum Ausdruck gebracht wird. Nur machen sie dies aus verschiedenen Initial-Ordnungen heraus und in anderen Spielfeldzonen.

Dank dieser harmonischen Abstimmung zwischen den einzelnen Spielphasen setzen sich diese zwei Teams zurzeit noch etwas von der Konkurrenz in der Bundesliga ab. Die zwei Wiener Großklubs hatten vor allem zu Saisonbeginn mit erheblichen Balance-Problemen zu kämpfen. Rapid allerdings konnte sich in den letzten Wochen stabilisieren, die Austria hat auch aufgrund von personellen Engpässen teilweise im Spiel gegen den Ball noch große Probleme.

Nach diesem kurzen Abgleich des Spielmodells von Franco Foda mit der Konkurrenz in Österreich wollen wir uns nun ausgehend vom Spielmodell im Detail anschauen, mit welchen taktischen Mitteln er diese Strategie auf den Platz umsetzt und sich dabei immer wieder gut an den Gegner anpasst.

Mannschaftsanalyse: Grundordnungen und Personal

Neben der 3-4-3/5-4-1 Grundordnung griff Foda in den bisherigen 14 Runden auch noch auf ein 4-2-3-1, 4-1-4-1 und einmal auf ein 3-3-3-1 (mit Raute im Mittelfeld) zurück.

Das 4-2-3-1 kam hauptsächlich zu Saisonbeginn in den ersten beiden Spielen gegen St. Pölten und im Ernst-Happel Stadion gegen die Austria zum Einsatz. Danach wurde es in der dritten Runde in Mattersburg vom 3-4-3 abgelöst, welches von da in bis zur 9. Runde gegen Altach in Verwendung war. Gegen die Vorarlberger setzte Foda zu Beginn auf ein 4-3-3, der Matchplan wurde aber durch den Ausschluss von Sandi Lovric durcheinander gewirbelt. Nach der roten Karte stellt Foda auf ein tiefes und passives 4-4-1 um und erkämpfte sich dadurch noch ein 0:0. In den zwei Runden danach folgten gegen St. Pölten (3-3-3-1) und die Austria (4-1-4-1) noch einmal spezifische Gegneranpassungen. In der zwölften Runde gegen Mattersburg sortierte sich die Mannschaft im 4-2-3-1, während man in den beiden letzten Runden gegen den WAC und gegen Rapid wieder zum 3-4-3 zurückkehrte.

Auch im personellen Bereich hat Foda seinen Stamm gefunden. An Torhüter Jörg Siebenhandl führt kein Weg vorbei. Seine soliden bis guten Leistungen brachten ihn jetzt auch zum ersten Lehrgang unter Foda im Nationalteam. Vor allem im fußballerischen Bereich ist er sehr gut aufgestellt.
Das zentrale Verteidigungs-Trio bestand in den meisten Spielen aus Maresic im Zentrum, Koch auf der rechten und Lykogiannis auf der linken Halbposition. Lykogiannis ersetzte dabei vor allem zu Saisonbeginn den verletzten Christian Schulz auf dieser Position. Interessanter Nebenaspekt: Mit Koch und Lykogiannis verteidigten zeitweise zwei nominelle Außenverteidiger im Zentrum der Fünferkette. Fabian Koch kam zu Beginn seiner Laufbahn bei Wacker Innsbruck unter Walter Kogler überhaupt noch im rechten Mittelfeld zum Einsatz.
Wenn Lykogiannis im Zentrum spielte, ersetzte Marvin Potzmann ihn auf der linken Abwehrseite. Das Pendant auf der rechten Seite war meist der Ex-Leipziger Stefan Hierländer.

Potzmann und Hierländer stehen exemplarisch für die neu gewonnene Flexibilität im Sturm-Spiel. Beide Spieler sind sehr variabel einsetzbar und überzeugen mit hoher Spielintelligenz und großer Anpassungsfähigkeit. Potzmann kam neben den beiden Wing-Back Positionen gegen die Austria auf der Acht und gegen Mattersburg im linken Mittelfeld zum Einsatz und überzeugt dort mit sehr starken Leistungen.
Stefan Hierländer bringt fast die noch größere Vielfältigkeit mit. Er kann im Mittelfeld praktisch auf jeder Position spielen. Egal ob links oder rechts, als Sechser, Achter oder Zehner. Dazu hat Foda sein Profil erweitert und setzt ihn seit heuer auf der rechten Flügelverteidigerposition ein, wo er dank seiner Dynamik und seinen läuferischen Fähigkeiten sehr viel für die Mannschaft arbeitet und vor allem in Umschaltsituationen (sowohl offensiv wie defensiv) ein wichtiger Faktor ist. Ralf Rangnick soll deshalb einmal nicht umsonst gesagt sagen, dass Hierländer selbst gar nicht richtig wisse, wie gut er wirklich ist. Das kann man so stehen lassen.

Im zentralen Mittelfeld spielten Neuzugang Peter Zulj und neben ihm Sandi Lovric bzw. James Jeggo in die Stammelf. Lovric und Jeggo agieren dabei als Fixpunkt im zentralen Mittelfeld und spielen tendenziell tiefer als Zulj. Dieser hat einen sehr großen Aktionsradius und stellt dadurch immer wieder gute Verbindungen zu den drei vordersten Akteuren her. Dazu ist er einer der besten Passspieler in Österreich, sowohl auf kurzer wie auch auf langer Distanz. Franco Foda selbst beschreibt ihn so:

„Die läuferischen Qualitäten, die er abruft sind unglaublich. Er ist im Moment ein „Box-to-Box Spieler. Er spielt absolut gute letzte Bälle und wir müssen dranbleiben, dass er keine Sekunde nachlässt. Er ist ein Linksfuß und ein Spieler, der auf engem Raum den Ball fordert und den letzten Pass spielen kann“.

Foda über Neuzugang Peter Zulj

 

Die Positionen in der Sturmlinie sind ebenfalls recht klar besetzt. Deni Alar gibt dabei die klassische Sturmspitze im Zentrum. Er weicht dabei wenig auf die Seiten aus, was aufgrund der doppelten Besetzung durch die Außenspieler Röcher sowie Huspek und den Flügelverteidigern auch nicht notwendig ist. Stattdessen läuft er die Schnittstellen der gegnerischen Abwehrketten an und fordert auch den Ball im Zwischenlinienraum. Er ist logischerweise auch Abnehmer Nummer eins für Flanken in den Sechzehner. Back-Up für ihn ist Philipp Zulechner.

 

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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