Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (34): Lieber Hansi Flick!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief in die Weißwurstmetropole…

Lieber Hansi Flick!

Du bist wahrlich ein Hans(i) im Glück – von der zweiten Reihe ruck-zuck zum (befristeten) Trainer eines der besten Vereine der Welt befördert und sofort erfolgreich. So ein Glück kennt keinen Rabatt. Jetzt hat dich sogar Triple-Jupp gelobt und sich für deinen Verbleib bei den Roten ausgesprochen.

Du lässt die Bayern nicht nur variabler als dein Vorgänger auflaufen, du hast auch im menschlichen Bereich Gräben zugeschüttet. Am Feld binden die Münchner die Defensivspieler des Gegners und schlagen zu, weil sie individuelle Klasse in ihren Reihen haben, die dann Außergewöhnliches leisten kann. Thomas Müller meint, du machst klare Ansage und alle wissen was zu tun ist. Gerade jenen Müller und auch den schon als Fehleinkauf titulierten Philippe Coutinho hast du mental wiederaufgebaut. Du scheinst einer jener Männer der Seitenlinie zu sein, die ob ihrer Art schnell Zugang zu einer Mannschaft finden. Das ist sehr wichtig, vielleicht sogar das Wichtigste.

Auf die Lorbeeren von Heynckes angesprochen, hast du auf der letzten Pressekonferenz jene Geschichte erzählt, als er dir einst als Spieler mit der Aussage, er sei mit dir zufrieden, Wertschätzung entgegengebracht hat. Die Eigenschaften „Empathie und Menschlichkeit“ hast du ihm zugeschrieben. Sein Verhalten hat dir damals imponiert, du versuchst es jetzt nachzuahmen. Ich denke, das ist mehr als angebracht. Natürlich sind andere Aspekte der Trainingsarbeit nicht zu vernachlässigen, aber wie Peter Rosegger schon sagt: „Gut sein heißt glücklich sein.“ Taktik, Fitness, Spielermaterial sind gewiss auch wichtige Bausteine des Erfolges, aber wie Helmut Schulte vom Präsidenten des FC St. Pauli gelernt hat, werden gute Leistungen nur mit frohem Herzen erbracht. Die soziale Komponente sorgt dafür, dass auch verwöhnte Fußballmillionäre die notwendigen 5% für Geniestreiche aus sich herausholen können. Schulte hat auch gesagt, dass das Thema Taktik – seiner Meinung nach – überschätzt wird und Trainer vor allem aufgrund ihrer Persönlichkeit auf eine Mannschaft einwirken. Das mag in der S-Klasse des Fußballs – wo Kleinigkeiten den Unterschied ausmachen – stimmen und dort, lieber Hansi, bist du nun angelangt.

Die Spieler nennen dich bei deinem Rufnamen, fühlen sich wohl und respektieren dich trotzdem als Autoritätsperson. Das ist ein Spagat, den viele nicht wagen, einige aber auch gar nicht können. So mancher Erfolgscoach ist in seiner menschlichen Entwicklung stehen geblieben, baut lieber auf eine ungesunde Hackordnung, Angst und Demut. Es geht auch anders. Das zeigst du uns. Bei einem der besten Vereine der Welt.

Alles Gute weiterhin wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag