Zurück beim Ex-Verein. Bruno Labbadia wurde am 05.12.2022 zum neuen Trainer des kriselnden VfB Stuttgart ernannt. Er geht somit in seine zweite Amtszeit bei... Bruno Labbadia zurück in Stuttgart: Wie wird das den VfB verändern?

Raphael Holzhauser (VfB Stuttgart)

Zurück beim Ex-Verein. Bruno Labbadia wurde am 05.12.2022 zum neuen Trainer des kriselnden VfB Stuttgart ernannt. Er geht somit in seine zweite Amtszeit bei den Schwaben und steht vor der Aufgabe diese in der deutschen Bundesliga zu halten. Ausgestattet mit einem Vertrag bis 2025 stellt sich die Frage: Labbadia und der VfB passt das auch ein zweites Mal?

Labbadias Vergangenheit am Neckar

Labbadias zweite Amtszeit startet beinahe ähnlich wie seine erste in der Saison 2010/11. Damals stand der VfB Stuttgart nach 16 Spieltagen auf Platz 17 der Tabelle. Diesmal ist es ein Spieltag weniger und ein Tabellenplatz weiter vorne. Die Vereinsführung des VfB Stuttgarts erhofft sich wohl den gleichen Effekt wie schon zur Saison 2010/11, in der Labbadia den VfB von Rang 17 auf Rang 12 führte.

Noch erfolgreicher war der Trainer dann in der darauffolgenden Saison, in der er mit dem VfB Platz 6 und somit die internationalen Ränge erreichte. Auch im nationalen Pokal war Labbadia mit den Schwaben, damals noch besetzt mit Cacao, Martin Harnik und dem heutigen Real-Madrid-Innenverteidiger Antonio Rüdiger, äußerst erfolgreich. So erreichte er mit dem VfB 2013 das DFB-Pokalfinale, in dem sich seine Mannschaft jedoch gegen den FC Bayern München knapp mit 2:3 geschlagen geben musste.

Labbadias Amtszeit am Neckar endete nach 119 Pflichtspielen und mit einem Punkteschnitt von 1,46, nach einem Fehlstart in die Saison 2013/14. Labbadia und der VfB Stuttgart gingen nach einer äußerst erfolgreichen Zeit im Guten auseinander, was wohl auch eine Rolle bei seiner Rückkehr gespielt hat.

Labbadias Spielidee bei seinen vorherigen Stationen

Bei seiner letzten Station, dem kurzen Intermezzo bei Hertha BSC, agierte der Coach variabel im Hinblick auf die Formationen. Mal mit einer Sturmspitze, mal mit zwei. Mal mit einem Sechser, mal mit zwei. Es gehört sicherlich auch zur Wahrheit, dass seine Amtszeit zu Ende ging, da Labbadia nicht die richtige Formation fand, um das Beste aus seinen Spielern herauszuholen.

Bruno Labbadia steht generell für Ballbesitzfußball und aggressives Pressing in Phasen ohne Ballbesitz. Bei seiner durchaus erfolgreichen Station in Wolfsburg, von 2018 bis 2019, lief seine Elf meistens in einem offensiven 4-3-3 auf. Als Stürmer befand sich mit Wout Weghorst ein echter Neuner im Kader der Wölfe, der für lange Bälle den Abnehmer geben konnte. Doch Stürmer müssen unter Labbadia auch noch eine weitere Eigenschaft mit sich bringen – akribisches Anlaufen. Labbadia fordert von seiner Mannschaft ein aggressives Pressing gegen den Ball. Entscheidend ist hier auch die Kompaktheit des Systems, sodass gerade das Mittelfeld mit drei Spielern, sowie defensiv auch mit den Flügelspielern besetzt ist.

Für seinen Ballbesitz-Fußball bestückt Labbadia sein Mittelfeld gerne mit einem laufstarken und offensiveren Achter oder Zehner. Dieser wird ergänzt durch einen klaren Achter und einen klassischen Sechser. Schaut man sich das Mittelfeld der Wolfsburger an, so erkennt man in Yannick Gerhardt den offensiven Achter, in Maximilian Arnold den klaren Achter und in Guilavogui oder Camacho den echten Abräumer auf der Sechs.

Bruno Labbadia ist strikter Verfechter der Viererkette, bei der die Außenverteidigern eine wichtige, offensive Rolle einnehmen. Die Außenverteidiger werden konstant in das Offensivspiel einbezogen und haben die Aufgabe Überzahl-Situationen zu schaffen und in Kombination mit den Flügelspielern zu lösen.

Der gebürtige Darmstädter zeigte sich jedoch auch im Verlauf seiner Trainerkarriere flexibel und schaffte es ebenfalls zwei echte Neuner – dann meist mit einem Zehner – in sein System einzubinden.

Passt diese Idee zum Kader des VfB?

Bruno Labbadia übernimmt den finanziell klammen VfB in einer schweren Saison. Das Wintertransferfenster startet jedoch in absehbarer Zeit und damit auch die Möglichkeit weitere Qualität hinzuzugewinnen. Die wohl größte Umstellung wird es für die Defensive der Stuttgarter geben. Unter den Ex-Trainern Matarazzo und Wimmer hat der VfB quasi ausnahmslos mit Dreierkette gespielt. Mit Josha Vagnoman hat der VfB sich im Sommer auf der Rechtsverteidiger-Positon verstärkt und auch Borna Sosa sollte, bei Verbleib im Winter, gesetzt sein.

Die Umstellung auf eine Viererkette scheint also möglich. Sosa verkörpert exakt die Art von Außenverteidiger, die sich Labbadia in seinem Spiel vorstellt. Der Kroate glänzt mit präzisen Flanken und schaltet sich regelmäßig in das Offensivspiel der Schwaben ein. Vagnoman war lange verletzt und ist bisher noch nicht wirklich in Stuttgart angekommen. Für ihn stehen sonst noch mit Anton und Stenzel zwei eher defensivere Varianten bereit.

Im Mittelfeld bieten sich mit Atakan Karazor und Wataru Endo gleich zwei ballsichere Sechser an. Letzterer ist als Kapitän und Schlüsselspieler gesetzt, kann jedoch auch die Achter-Position einnehmen. Um die verbleibenden Achter-Positionen werden sich wohl Ahamada, Millot und auch Nikolas Nartey streiten. Keiner der drei ist besonders erfahren und alle drei standen für den Stuttgarter Weg unter Ex-Sportdirektor Mislintat.

Für die offensivere Interpretation wäre hier Enzo Millot die wahrscheinlichste Variante, aber auch der eigentliche Flügelspieler Chris Führich hat diese Rolle im Laufe der Saison schon übernommen. Einzig die Umstellung auf eine Formation mit Zehner könnte dringend einen Neuzugang erfordern. Hier bringt der Kader des VfB Stuttgart keinen Bundesliga-erprobten Spieler mit sich.

Auf den Flügeln bieten sich mit Silas, Egloff, Tomas und Führich einige Optionen an. Als Sturmspitze stehen mit Guirassy und Pfeiffer zwei Spieler vom „Typ Weghorst“ zur Verfügung. Es lässt sich hier zumindest vermuten, dass diese Spieler in das Anforderungsprofil Labbadias passen.

Fazit

Beim VfB Stuttgart prallen gerade zwei Welten aufeinander. Während bisher versucht wurde mit schnellen Umschaltmomenten Tore zu erzielen, wofür gerade die Dreierkette eine geeignete Formation war, wird Labbadia nun mehr auf ein geordnetes Angriffsspiel setzen. Der Kader des VfB Stuttgart hat das Potenzial die Ideen des Fußballlehrers umzusetzen, wird sich jedoch auf diese Neuinterpretation seiner Rollen einlassen müssen. Gerade im Mittelfeld hat Labbadia viele Spieler zur Auswahl, mit denen er dieses sehr variabel besetzen kann. Mit der Variabilität kommt jedoch auch meist Unerfahrenheit hinzu, was im Abstiegskampf zum Problem werden kann. Positiv für den neuen Stuttgart-Trainer ist auf jeden Fall die lange Zeit bis zum nächsten Pflichtspiel. Genug Zeit also, um dem VfB-Kader den Labbadia-Fußball nahe zu bringen.

Jonathan Kolbe, abseits.at

Jonathan Kolbe