Kaum verlieren die Bayern mal wieder ein Spiel, gibt es viel Kritik an Trainer Pep Guardiola und seiner Spielidee. Manche Experten und Fans fordern... Der FC Bayern auswärts: Eine taktische Analyse

_Pep Guardiola - FC Bayern MünchenKaum verlieren die Bayern mal wieder ein Spiel, gibt es viel Kritik an Trainer Pep Guardiola und seiner Spielidee. Manche Experten und Fans fordern einen taktischen „Plan B“, mit tief stehender Abwehr und Konterspiel. Doch die schwachen Auswärtsauftritte der Bayern gegen starke Mannschaften – vor allem in der Champions League – liegen eher darin begründet, dass der sonst sehr gut funktionierende „Plan A“ nicht konsequent umgesetzt wird – und dass durch fehlenden Mut zur Attacke die Probleme sogar größer werden.

Folgende Statistik belegt das Auswärtsproblem der Bayern sehr gut: seit Guardiolas Amtsantritt konnte man von den Auswärtsspielen im KO-System erst einmal gewinnen -nämlich 2014 gegen Arsenal. Zwei Spiele endeten unentschieden und drei gingen verloren. Von den Heimspielen hingegen konnte man bis auf die Pleite gegen Real Madrid und das Unentschieden gegen Arsenal alle Spiele gewinnen, zum Teil deutlich wie gegen Porto oder Donetsk oder durch sehr starke Leistungen wie gegen Barcelona.

Doch nicht nur den Ergebnissen nach, sondern auch fußballerisch gibt es zwischen den Auftritten auswärts und zuhause eine große Diskrepanz. Oft fehlen im fremden Stadion genau jene spielerischen und taktischen Elemente, die in der Allianz Arena oft zu deutlichen und (zumindest für Bayern-Fans) begeisternden Siegen führten. Auffällig sind vor allem die geringere Risikobereitschaft beim Attackieren des Tors und die dadurch entstehende fehlende Durchschlagskraft. Doch woran genau liegt das?

Mangelndes Nachrücken und zu große Abstände

Ein großes Problem ist die Raumaufteilung beziehungsweise die Positionierung der gesamten Mannschaft. Ein elementares Prinzip des Juego de Posición ist, dass bei Ballbesitz – angenommen dieser beginnt mit eigenem Abstoß – durch Passspiel die Mannschaft gemeinsam nach vorne rückt. Der Raum zum gegnerischen Tor wird also selten durch lange Bälle überbrückt, sondern durch das Zirkulieren des Balles, wobei immer wenn möglich der Pass nach vorne gesucht werden soll. Auf diesen wird dann durch gemeinsames Nachrücken reagiert, um gemeinsam näher vorm Tor Druck aufzubauen. Doch genau dies funktioniert in Auswärtsspielen (zumindest gegen stärkere Mannschaften) zu selten. Das Ergebnis sind oftmals lange Passabfolgen im Bereich um den Mittelkreis, ohne dabei Druck im Bereich vor dem Strafraum des Gegners aufbauen zu können, da das Nachrücken der Spieler hinter dem Ball fehlt. Ein möglicher Grund dafür ist der von Guardiola oftmals erwähnte Respekt vor den Kontern des Gegners, doch genau das ist paradox: denn die erfolgsstabilste Art Konter zu verhindern, ist möglichst weit aufzurücken, um bei Ballverlust im Gegenpressing den Ball zurückzuerobern oder weit weg vorm eigenen Tor durch ein Foul den Konter zu verhindern. Zudem werden durch die großen Abstände zwischen den eigenen Spielern Ballverluste wahrscheinlicher, da der Gegner den Ballführenden isolieren kann, und der Zugriff im eigenen Pressing schwieriger.

 

Posicion

Positionsspiel und kosequentes Nachrücken gegen Piräus
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Hinzu kommt, dass die Positionen der einzelnen Spieler oftmals konservativer und starrer wirken. Beispielsweise war Thomas Müller gegen Arsenal fast nur auf dem rechten Flügel zu finden, seine Läufe in alle möglichen Räume, die sich gerade öffnen, oder den Mitspielern Raum bieten, sieht man zu selten. Gegen Arsenal war es auffallend, dass Pässe hinter die Abwehrlinie, nicht gespielt werden, obwohl Vidal oder Lewandowski durchaus vielversprechend gestartet sind und der Ballführende dies sogar gesehen hat. Aktionen wie die Tore gegen den BVB nach langem Pass von Boateng können dadurch natürlich nicht entstehen. Auch das ist wohl damit zu erklären, dass Guardiola auswärts den Fokus auf die Kontrolle des Gegners legt, aber nicht durch ständiges Attackieren wie sonst, sondern durch „Verwaltungsfußball“.

Das Resultat ist nicht selten Fußball ohne Dynamik und Durchschlagskraft.

Kontrollfokus und seine Folgen

Insgesamt fällt also vor allem auf, dass die Bayern gegen starke Teams auswärts sich zu sehr an den Gegner anpassen, um Gefahr zu verhindern, anstatt das eigene Spielprinzip konsequent umzusetzen. Symptomatisch dafür ist auch, dass man versucht, Schlüsselspieler des Gegners aus dem Spiel zu nehmen, aber dafür die eigenen Spieler in zu starre Rollen gedrängt werden und somit ihrer eigenen Stärken beraubt werden. (Beispiel: Lewandowski gegen Arsenal oft im Halbraum und zurückfallend, um zusammen mit Vidal Cazorla auszuschalten, Müller auf Flügel anstatt einrückend und Lahm aufrückend).

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Oben: Thomas Müllers Heatmap gegen den BVB
Unten: Thomas Müllers Heatmap gegen Arsenal

Allerdings soll dieser Artikel nicht als Kritik an Guardiolas Spielidee missverstanden werden, im Gegenteil: vielmehr sollte der Katalane auch auswärts auf seine Strategie vertrauen und sich nicht zu sehr aus Angst vor einer Niederlage an den Gegner anpassen. Die schwachen Auftritte auswärts sind also keine Folge von „zu viel Guardiola“ sondern vielmehr von „zu wenig Guardiola“ (diese Formulierung stammt von Pep selbst nach dem CL-Halbfinal-Rückspiel gegen Real Madrid). Der fehlende Mut zum Risiko erklärt sich vielleicht noch besser durch einen Blick auf die letzten Jahre: Letztes Jahr scheiterte die äußerst riskante Idee, das Sturmtrio von Barca durch Manndeckung zu verteidigen, schon nach wenigen Minuten und resultierte in großer Kritik am Trainer. In der Saison 13/14 dominierte man Real Madrid im Bernabeu 15 Minuten lang mit 10 Mann in der gegnerischen Hälfte. Hier funktionierte die Kontrolle durch Attacke und große Fluidität der Spieler durchaus gut. Doch ein Konter reichte Real zum Tor, wodurch die Stimmung im Stadion sich dermaßen euphorisierte, dass das Spiel komplett kippte und Real noch einige weitere klare Chancen vor der Halbzeit hatte. Eine interessante Episode dazu findet sich auch im Buch „Herr Guardiola“: so war vor dem Achtelfinal-Hinspiel gegen Arsenal in derselben Saison die Anweisung Guardiolas, zehn bis zwölf Minuten das Spiel zu kontrollieren, bis das Pressing der Engländer an Intensität verlieren würde, um daraufhin zu attackieren. Dies ging grandios schief. Doch trotzdem scheint Guardiola, die Idee, das Spiel durch simplen Ballbesitz ohne Attacke zu kontrollieren nicht aufgegeben zu haben. Das Problem dabei ist, dass das Umschalten von Kontrolle zur Attacke zu spät oder gar nicht gelingt (siehe auch die Spiele in Porto oder Barcelona).

Zudem wächst durch fehlende Gefahr der Bayern zu Beginn das Selbstbewusstsein der Heimmannschaft, was dann oft zu einer – für die Bayern –ungemütlichen Atmosphäre führt. Interessant ist dabei auch, dass sich in den wichtigen Spielen auswärts individuelle Fehler häufen, die es in Heimspielen kaum gibt (Dante und Boateng gegen Porto, Bernat gegen Barca, Neuer gegen Arsenal, Alonso gegen City 2015). Weiterer Fun-Fact: das Hinspiel war in jeder KO-Runde auswärts (was eigentlich eher als Vorteil gilt). Somit könnte es auch ein legitimes Motiv Guardiolas sein, sich alle Chancen für das Rückspiel zu bewahren.

Allerdings gab es auch schon überragende Leistungen der Bayern im fremden Stadion: unvergessen die totale Dominanz gegen Manchester City 2013 und gut ein Jahr später der 7:1-Sieg gegen die Roma – nicht zuletzt dank dem damals überraschenden System mit Robben und Bernat als offensive Flügelverteidiger.

Es wird spannend bleiben, wie sich die Bayern in Zukunft im fremden Stadion präsentieren, denn vor allem in der Champions League reicht gegen die Top-Mannschaften ein gutes Spiel oft nicht aus. Und auch im DFB-Pokal wartet mit Wolfsburg ein starker Gegner – ebenfalls auswärts.

Fabian Schaipp, www.abseits.at

Fabian Schaipp

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