Mit einer taktischen Meisterleistung und etwas Glück hat Borussia Dortmund die deutsche Bundesliga mit einem Schlag wieder höchstinteressant gemacht. Im Spitzenspiel der 13. Runde... Dortmund stoppt die Bayern – wie man mit 39% Ballbesitz ein Spiel kontrolliert

Mit einer taktischen Meisterleistung und etwas Glück hat Borussia Dortmund die deutsche Bundesliga mit einem Schlag wieder höchstinteressant gemacht. Im Spitzenspiel der 13. Runde gewann die Mannschaft von Jürgen Klopp gegen Ligakrösus Bayern München in der Allianz Arena mit 1:0. Obwohl die Gastgeber deutlich mehr Spielanteile hatten, kam das Gefühl auf, dass die Schwarzgelben mit ihrem laufintensiven Defensivkonzept den Takt vorgaben.

„Ein 0:0 wäre das gerechte Ergebnis gewesen“, meinte Bayern-Trainer Jupp Heynckes nach dem Schlusspfiff. Auf den ersten Blick kann man den Worten des 66-Jährigen nur beipflichten, fiel Götzes Goldtor doch nach einer Reihe günstiger Zufälle. Zuerst wurde Dortmunds Flügelflitzer am Arm angeschossen, dann profitierte er von Boatengs Orientierungslosigkeit. „Da hatten wir sicher auch ein bisschen Glück“, gibt BVB-Coach Jürgen Klopp zu. Ansonsten war es ein sehr intensives Spiel, in dem die Gäste aus dem Ruhrpott es vor allem verstanden die Außenbahnen dicht zu halten.

Robben verdrängt Alaba auf die Bank

Heynckes sorgte bereits vor dem Spiel für staunende Gesichter, indem er entgegen aller Erwartungen Superstar Robben von Beginn aufbot. Der Niederländer bestritt aufgrund von Verletzungen zuletzt vor sieben Wochen ein Spiel im roten Trikot. Für Bayerns Nummer zehn musste ÖFB-Legionär David Alaba weichen. Der Teamspieler war ein heißer Anwärter für die Startposition im defensiven Mittelfeld, da Schweinsteiger bis Jahresende verletzt ausfällt und Tymoshchuk gesperrt ist. Dort spielte aber Kroos, nachdem Müller vom rechten Mittelfeld ins zentrale, offensive Mittelfeld rückte um am rechten Flügel Platz für Robben zu machen.

Der amtierende deutsche Meister musste auf Innenverteidiger Subotic verzichten. Der Serbe zog sich am letzten Spieltag beim 5:1-Erfolg gegen Wolfsburg einen Mittelgesichtsbruch zu und wurde von Felipe Santana einwandfrei vertreten. Im zentralen Mittelfeld setzte Klopp auf das Brecher-Gespann mit Kapitän Kehl neben Pferdelunge Bender. Links bekam der ebenso lauffreudige Großkreutz den Vorzug gegenüber Perisic. Der gebürtige Dortmunder sollte wie bereits im Februar Linksverteidiger Schmelzer im Duell gegen Robben unterstützen.

Grundpfeiler: Überzahl auf den Flügeln

„Es war für unsere Taktik unerheblich, ob dort Müller oder Robben stand, weil wir uns ja nicht nur auf einzelne Spieler fokussieren“, konnte den Magdeburger, dessen Einsatz ebenfalls in der Schwebe war, der Schachzug von Heynckes nicht überraschen. „Wir waren darauf eingestellt“, so Schmelzer weiter. Und wie sie das waren: Fast 650 intensive und über 500 schnelle Läufe sowie knapp 150 Sprints führten zu 10,5 Kilometer mehr am Distanzzähler als der unterlegene Konkurrent an diesem Abend. Mit mindestens zehn Mann hinter dem Ball verteidigte der BVB den Spielaufbau des Rekordmeisters – mal wurde in der gegnerischen Hälfte Druck ausgeübt, mal erst kurz vor dem eigenen Strafraum attackiert. Das Ergebnis war stets das gleiche: Bayern musste die Angriffe hinten rum umleiten. Vor allem auf den Außenbahnen waren die Dortmunder immer bemüht in Überzahl zu agieren.

Hier wird Ribery vom überragenden Piszczek bedrängt. Die Dortmunder haben gegen den Franzosen sowie gegen den aufgerückten Lahm und Müller klar die Majorität – 5:3 – es bleibt also nur der Ball zurück auf Kroos, der die Seite wechselt.

Dort zeigt sich das gleiche Bild: Robben und Rafinha werden von Schmelzer, Großkreutz und Kehl getrippelt. Den Pass auf Müller nimmt Abwehrchef Hummels durch geschicktes Aufrücken die Effektivität, so dass der Angriff wenige Augenblicke später verpufft.

Müller ohne Bindung, Kroos ohne Ideen

Doch nicht nur die Seiten hatten die Klopp-Jungs im Griff, auch das Zentrum der Bayern konnte sich nie entfalten.

Kehl und Bender schränkten die Wirkung des WM-Torschützenkönigs gekonnt ein, so dass Müller trotz engagierter Laufleistung in knapp 70 Minuten nur auf insgesamt 37 Ballkontakte kam. Dabei hatte der Ex-Löwe den deutlich größeren Aktionsradius und konnte auch die Sympathien von Sky-Co-Kommentator Jens Lehmann für sich gewinnen. „Dieser Bender, der ist toll. Der rennt und rennt und rennt“, zeigte sich der ehemalige BVB-Schlussmann von der Laufleistung Benders begeistert. Mit 13,09 Kilometern war der 22-Jährige einmal mehr der Akteur, der Distanz-Wertung anführte. So wie Müller konnte auch Kroos nicht an die zuletzt gezeigten Leistungen im Nationalteam anschließen.

Immer wieder wurde der 21-Jährige schon früh unter Druck gesetzt, so wie hier von Kehl und Kagawa. Der Japaner zeigte, dass er nicht nur ein außergewöhnlicher Techniker ist, sondern sich auch in den Dienst der Mannschaft stellen und defensiv aufreiben kann. Gemeinsam mit Lewandowski, der die Anforderungen an eine moderne Sturmspitze erstklassig erfüllte, war Dortmunds Spielmacher der Spieler der die bajuwarischen Angriffswellen früh brach. Unterm Strich ergab sich oft folgendes Szenario:

Während Dortmund den Bayern die gelbe Zone vollständig überließ, wurde im grünen Bereich unermüdlich gepresst und die Räume eng gemacht. Die rote Zone vor dem eigenen Tor versuchte man zu meiden, was über weite Strecken sehr gut gelang.

Felipe Santana – mehr als ein Ersatzmann

Wenn man aber einen Spieler aus dem starken gelben Kollektiv besonders hervorheben will, so ist das Innenverteidiger Felipe Santana. Gemeinsam mit Partner Hummels montierte er Torjäger Gomez ab, würgte die Schnittstellenläufe von Müller ab und sicherte bei den Flügelduellen gegen Ribery ab. Überdies hinaus gewann er wichtige Zweikämpfe und schaltete sich ein ums andere Mal ins Offensivspiel ein. Mit sicheren Pässen entlastete er Dortmunds „heimlichen“ Spielmacher Hummels.

Vom Ex-Bayer gingen aber nach wie vor entscheidende Impulse im Dortmunder Umschaltspiel aus. Zum Beispiel Mitte der zweiten Halbzeit, als sich die Gäste auch offensiv in Szene setzten.

Der erstklassige Pass Hummels‘ durch die Schnittstelle auf Lewandowski mündet, nach sehenswerter Ferserl-Weiterleitung des Polens auf Kagawa, in der ersten hundertprozentigen Torchance des Meisters. Diese konnte Bayern-Torwart Neuer jedoch zunichtemachen.

Nachlässigkeit, Verwirrung und Glück – das 1:0 für Dortmund!

In der 65. Minute war der 22 Millionen schwere Ex-Schalker im Tor der Münchener allerdings geschlagen. Götze ließ Deutschlands Teamtormann aus acht Metern keine Chance und schoss, nachdem Boateng orientierungslos im Strafraum rumirrte, gedankenschnell das Leder in die Maschen. Vorangegangen war dem Treffer neben dem tollpatschigen Verhalten Boatengs das Fehlen von etwas, das die Borussia an diesem Abend vorlebte: kompromissloses Zweikampfverhalten.

Rafinha agiert zu passiv und nachlässig gegen Lewandowski. Gustavo, der durch das in die Mitte Rotieren Götzes offenbar irritiert wurde, legt dieselbe Halbherzigkeit an den Tag, attackiert weder den ballführenden Stürmer, noch beachtet er Götze in seinem Rücken oder schließt das Loch zum freien Raum. Wo der Ball auch hin gespielt wird um einen Doppelpass später im Netz der Bayern zu landen.

Hohe Bälle als einziges Mittel

Die Hausherren waren endgültig aus dem Konzept gebracht und mussten einen weiteren Gegentreffer hinnehmen. Diesem wurde allerdings von Schiedsrichter Gagelmann zu Recht wegen Abseits die Anerkennung verwehrt. Der Zufall war steter Begleiter der wenigen Bayern-Torchancen, die vorrangig mit langen Pässen eingeleitet wurden. So gut durchdacht das Defensivkonzept des Ballspielvereins auch war, so überraschend war es, dass man so leicht hinter die letzte Verteidigungslinie kam. Gomez vergab mit seiner einzigen nennenswerten Aktion nach einem weiten Zuspiel von Kroos kurz vor dem 0:1 die beste Chance des Tabellenführers.

Fazit

Es war nicht der mitreißende Schlagabtausch oder der kombinationsintensive Leckerbissen, den sich nach dem letzten Duell der beiden Mannschaften viele erwarteten. Dazu fehlten die spielerischen Elemente aus der Tiefe auf beiden Seiten. Zum einen konnte Toni Kroos, der zuletzt in Überform spielte, die Schweinsteiger-Rolle nicht fließend übernehmen. Zum anderen forderte Dortmunds zentrale Achse mit Kehl und Bender natürlich Eingeständnisse in der Kreativität. So war der Plan von Klopp früh klar: tief gestaffelt stehen und die wenigen Chancen, die sich einem in der Allianz Arena bieten, nützen. Zwar wäre eine torlose Punkteteilung durchaus fair gewesen, durch die aufopferungsvolle Spielweise und der nahezu perfekten Umsetzung hat sich Borussia Dortmund den Sieg aber schließlich ein klein wenig mehr verdient.

Axl, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert