Zimmerservice, Restaurant und Bar im Haus, ständig neue Nachbarn: Das Leben im Hotel bietet viele Annehmlichkeiten. Das wussten Coco Chanel (lebte über 30 Jahre... Anekdote zum Sonntag (145) – Diebe im Hotel oder Italienisch für Anfänger

Zimmerservice, Restaurant und Bar im Haus, ständig neue Nachbarn: Das Leben im Hotel bietet viele Annehmlichkeiten. Das wussten Coco Chanel (lebte über 30 Jahre lang im Pariser Ritz), Robert De Niro (zwei Jahre im Château Marmont) oder Marcel Prawy (elf Jahre mit vielen Plastiksackerln im Sacher) zu schätzen. Auch Rapids Jahrhunderttormann Michael Konsel kennt das Hotelleben: Als er 1997 nach Rom wechselte, wohnte der gebürtige Wiener gemeinsam mit Freundin Tina über ein Jahr lang im Cicerone. Das Stammhotel des damaligen Roma-Präsidenten Franco Sensi liegt nur einen Steinwurf von der Engelsburg entfernt nahe beim Tiber. Doch im Gegensatz zu oben genannten Herrschaften, wären Michi und Tina gerne so schnell wie möglich in eigene vier Wände übersiedelt. Eine passende Wohnung in der italienischen Hauptstadt zu finden, war jedoch schwieriger als gedacht.

Wenige Wochen nach ihrer Ankunft stand bereits das Derby gegen Lazio an. Die inzwischen Verlobten empfingen zu diesem Anlass Besuch aus der Heimat: Konsels Jugendfreund Rudi hatte sich mit Ehefrau Mitra angesagt. Das Paar fuhr non stop zehn Stunden aus Wien in die ewige Stadt und kam müde aber glücklich an. Da sich Michael bereits in der „Kasernierung auf das heikle Match vorbereitete, holte Tina ihre Freunde ab. Nach einem Cappuccino machten sich die drei zum Sightseeing auf und besuchten Kolosseum, Pantheon und Co. . Rudi fieberte schon beim Mittagessen auf der Piazza Navona dem Match entgegen: Er war ein Fußballfanatiker der Sonderklasse, ein Tifoso aus Wien, der das legendäre Stadtduell nicht abwarten konnte. In ganz Rom war die Stimmung zu spüren: Die Stadt war zwiegespalten, die Atmosphäre so aufgeladen wie vor einem heftigen Sommergewitter. Am Nachmittag fuhren Tina und der Wien-Besuch schließlich „nachhause“ ins Hotel Cicerone. Während Rudi und Mitra ihr Zimmer bezogen und sich frischmachten, rief sich Tina ins Gedächtnis nach dem Umziehen die Karten ja nicht zu vergessen. Sie hatte die drei Tickets für das Match fein säuberlich am Vorabend im Nachtkastl verstaut.

In ein Badetuch gewickelt öffnete die junge Frau schließlich die Lade. Verwundert stellte sie jedoch fest, dass sich keine Matchkarten in dieser befanden. Tina stellte das Zimmer auf den Kopf. Von Sekunde zu Sekunde wurde sie immer unruhiger. Schließlich musste sie enttäuscht einsehen, dass jemand wohl die heißbegehrten VIP-Ticktes gestohlen hatte. Von der Oma bis zum Kind gab es einige Römer, die für solche Plätze beim Spiel des Jahres getötet hätten. Ob Zimmermädchen, Hoteldieb oder Liftboy: Irgendeiner war beim Anblick der Eintrittskarten schwach und somit zum „ladro“ (Dieb) geworden. Rom, die Hochburg der Handtaschenräuber, hatte sich wieder einmal von ihrer hässlichsten Seite gezeigt. Weinen und fluchen half nichts. Tina musste Rudi und Mitra die traurige Nachricht überbringen. Als sie jedoch in das lange Gesicht von Rudi sah, wusste sie, dass sie nicht kampflos aufgeben konnte. Michaels Jugendfreund hatte sich so auf das Spiel gefreut.

Kurz entschlossen steuerte Tina ihren Alfa Romeo mit dem Besuch auf der Rückbank Richtung Olympiastadion. Dort angekommen nahm sie all ihren Mut zusammen und sprach den erstbesten Sicherheitsbeamten an: In (noch brüchigem) Italienisch redete Tina auf den signore ein und ließ ihren ganzen Kärntner Charme spielen. Sie deutete auf den Ring an ihrem Finger und erklärte, dass sie die Verlobte von „Miki – err‘ pantera“ sei und leider ihre Ticktes verloren habe. Der gestrenge Herr musterte sie verwirrt: In ihrer Aufregung hatte Tina nämlich „fidanzata“ – Verlobte – mit „finanza“ – Finanzamt – verwechselt sowie anstatt von einem Ring – „anello“ – von einem Lamm – „agnello“ – gesprochen. Der Securitymann war perplex, doch er öffnete schließlich die Schranke und ließ die drei Österreicher passieren.  Rudi atmete auf. Er war nicht umsonst nach Rom gekommen. Im Stadion angekommen schaffte es das trio infernale allerdings nicht zu den reservierten Plätzen vorzudringen. Egal. Es herrschte ein Höllenlärm, die Stimmung war kurz vorm Überkochen. Die Drei quetschten sich auf eine der Betonstiegen und sahen schließlich ein tolles Spiel: Roma gewann und Michael, der Panther, bot eine Spitzenleistung. Laut lachend erzählten die drei Romas Torhüter anschließend von ihrem Abenteuer: Tina – das Finanzamt mit dem Lamm am Finger – mutierte in der Stadionverwaltung für kurze Zeit zum running gag. Doch nachdem sich Michael mit seinen Paraden bald einen Namen gemacht hatte, konnte Tina ihre Karten in Zukunft immer zuhause lassen: Sie war bald als „fidanzata di Miki“ bekannt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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