Real Madrid hat sich im Winter mit Lucas Silva verstärkt. Brasiliens U21-Nationalspieler wechselte von Cruzeiro nach Madrid. Für die Summe von 14 Millionen Euro... Die Rolle des unscheinbaren Neuzugangs Lucas Silva bei Real Madrid

Real Madrid Vereinswappen LogoReal Madrid hat sich im Winter mit Lucas Silva verstärkt. Brasiliens U21-Nationalspieler wechselte von Cruzeiro nach Madrid. Für die Summe von 14 Millionen Euro ist ein solcher Direktimport eines erst 22-jährigen zentralen Mittelfeldspielers durchaus ein Risiko. Allerdings scheinen die Blancos beim Scouting ganze Arbeit geleistet zu haben. Denn Lucas Silva ist vielleicht kein Weltstar, passt aber fast optimal in das aktuelle System und in die Rolle eines Ergänzungsspielers im aktuellen Kader. Sein Fähigkeitenprofil entspricht dem, was die Mitspieler Reals für die zentrale Rolle benötigen.

Verbindungs- und Balancegeber

Im Gegensatz zu Modric und Kroos oder auch Alonso in der vergangenen Saison ist Lucas Silva kein druckvoller und omnipräsenter Spielgestalter. Er drückt dem Spiel nicht seinen Stempel auf, fällt nicht durch spektakuläre Diagonalbälle oder tolle Dribblings auf, sondern beschränkt sich auf ein sehr simples Spiel. Er konzentriert sich dabei auf das intelligente Fortführen von Angriffen, die Unterstützung seiner Mitspieler und viele simple, aber strategisch geschickt gewählte Pässe.

Dadurch ist er trotz einer eigentlich sehr unauffälligen und bisweilen wenig präsent wirkenden Spielweise ein stabiler und nützlicher Akteur. In gewisser Weise passt er dadurch auch zu Kroos und Modric, die zwar präsenter und spektakulärer agieren, aber sich ebenfalls primär durch ihre technische Sauberkeit, hervorragende Entscheidungsfindung und geduldige Beeinflussung des Spiels der eigenen Mannschaft hervorheben.

Lucas Silva verglich sich sogar bei seiner Präsentation mit Kroos. Zwar ist Kroos wie schon erwähnt eben deutlich spielmachender, Parallelen sind allerdings ebenfalls vorhanden. In gewisser Weise macht dies Silva auch zu einem perfekten Ersatzspieler.

Der perfekte Backup für Modric und Kroos

Der Verkauf Alonsos wurde nach dem letzten Sommer etwas kritisiert; doch Kroos‘ herausragende Leistungen bei ähnlichem Gehalt und weniger Profijahren auf dem Buckel sorgten dafür, dass die Kritiker bald verstummten. Silvas Verpflichtung wurde nun ebenfalls kritisiert, weil man eine stattliche Summe für einen in Europa weitestgehend unbekannten Spieler ausgab. Allerdings ist die Verpflichtung in Anbetracht der Abgänge und des Fähigkeitenprofils mehr als verständlich.

Alonsos Verkauf zum FC Bayern und Casemiros Leihe zum FC Porto sowie der Abgang Di Marias zu Manchester United nahmen Real gleich drei Kaderoptionen für das zentrale Mittelfeld. Zwar können sowohl James Rodriguez als auch Isco diese Rolle ausfüllen, doch nominell sind für die zwei zentralen Mittelfeldpositionen des 4-4-2 nur vier Spieler vorhanden: Das Stammduo Modric und Kroos sowie die beiden Ersatzspieler Illarramendi und Khedira.

Nominell mag dies ausreichend klingen, doch sobald Modric oder Kroos ausfallen, gibt es gewisse Probleme. Illarramendi und Khedira sind zwar individuell sehr gute Spieler und als Bankspieler durchaus tauglich, aber sie bringen eine etwas andere Spielweise ins zentrale Mittelfeld. Das ist besonders bei Khedira der Fall, welcher wohl im Sommer auch verkauft werden wird.

Im Gegensatz zu Modric und Kroos ist Khedira schwächer in seiner Entscheidungsfindung, unsauberer in der Ballverarbeitung und im Passspiel sowie fokussierter auf seine Athletik, das Vorstoßen bis in den gegnerischen Strafraum und auch gegen den Ball definiert er sich eher durchs Rustikale. Der Fall Illarramendi ist wiederum etwas anders gelagert.

An sich bringt Illarramendi die nötigen technischen und taktischen Fähigkeiten mit, spielt aber eher als alleiniger Sechser und hält sich in der Ballzirkulation gerne tiefer auf. Dadurch ist er auch im Gegenpressing meist im Sechserraum vorzufinden, während Modric und Kroos sich hier abwechseln und im Wechsel höher stehen, um Bälle zu erobern.

Insofern ist der Einkauf Lucas Silvas sehr gut, weil er für Khedira eine passendere Rolle als Ersatzspieler einnehmen kann. Khediras Profil wird – zumindest als direkter Ersatz für Kroos und Modric bei deren Verletzungen – im aktuellen System nicht benötigt. Silva wiederum kann sowohl für Kroos und Modric auflaufen, ohne dass sich das System und die Abläufe groß ändern, auch wenn die individuelle Qualität geringer wird.

Die Frage ist allerdings, ob Lucas Silvas individuelle Fähigkeiten ausreichen, um auf dem für Real erforderlichen Niveau spielen zu können.

Ein Mittelfeldallrounder für die Zukunft

Grundsätzlich bringt Lucas Silva besondere Qualitäten mit, die ihn auch auf hohem Niveau nützlich machen dürften. Zwar wird er sicherlich in den nächsten Jahren Kroos und Modric nicht verdrängen können, sollte aber durchaus im Stande sein langfristig in die Rolle des bald 30-jährigen Modric hineinzuwachsen.

Lucas Silvas Ausgeglichenheit und Komplettheit sowie seine taktisch und technisch saubere Ausführung sind sehr große Stärken, weil er sich dadurch in fast jeder Situation ohne große Fehleranfälligkeit und mit hoher Erfolgsstabilität zurechtfindet. Natürlich findet er noch nicht die spektakulären Lösungen, das könnte sich aber in den nächsten Jahren durchaus noch etwas entwickeln. Das technische und taktische Fundament ist immerhin vorhanden.

Desweiteren kann er nicht nur als Sechser, sondern auch als Achter oder sogar Zehner und in den unterschiedlichsten Rollen agieren. Als ausweichender und unterstützender Zehner, als vorstoßender und ballverteilender Achter oder als absichernder und simpel den Ball laufen lassender Sechser – all das kann Lucas Silva auf ähnlich hohem Niveau umsetzen.

Wenn sich die Mannschaft eher auf das Verteidigen und schnelle Konter fokussiert, ist Lucas Silva gut im Verschieben, beim Absichern der Konter und beim Einleiten der Angriffe. Fokussiert sich die eigene Mannschaft wiederum auf hohes Pressing, aggressives Gegenpressing und viel Ballbesitz, so kann Lucas Silva auch hier seine Stärken einbringen. Dazu kann er durch seine Laufstärke die zentralen Räume sehr gut ausfüllen, bietet sich viel an und lässt den Ball schnell laufen.

Bei seiner Vorstellung verglich er sich nicht nur mit Toni Kroos, sondern bezeichnete sich auch als „europäischen Spieler“, der viel mit einer oder maximal zwei Ballberührungen arbeite und das Tempo hochhalten möchte. Direkte Schwächen hat er eigentlich nicht, einzig der Mangel an außergewöhnlichen und besonderen Stärken kann auf diesem Niveau und in einer solchen Mannschaft als relative Schwäche gesehen werden. Aber: Mit erst 22 Jahren ist Lucas Silva noch jung und könnte sich in den nächsten Jahren aus dieser leichten Profillosigkeit herausentwickeln.

Fazit

Alles in allem ist Lucas Silva eine unscheinbare Verpflichtung und ein ebenso unscheinbarer Spieler. Aber Real hat damit genau das Richtige gemacht. Mit Lucas Silva haben sie wieder mehr Tiefe im zentralen Mittelfeld und eine Alternative, mit der sie nach Verletzungen von Kroos oder Modric nicht mehr die Abläufe umstellen müssen. Desweiteren sollte bei enormer Rotation Lucas Silva nicht nur mit Kroos oder Modric, sondern auch mit Illarramendi, James und Isco als Partner enorm gut funktionieren. Kurz-, mittel- und langfristig scheint es also eine passende Verpflichtung gewesen zu sein.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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