Armenien verbinden die meisten wohl sofort mit BVB-Star Henrikh Mkhitaryan (ausgesprochen: Mchitarjan), doch mit dem Aufschwung des Mittelfeldspielers entfachte sich eine Euphorie im ganzen... Armenien: Der Aufschwung einer kleinen Fußballnation

armenienArmenien verbinden die meisten wohl sofort mit BVB-Star Henrikh Mkhitaryan (ausgesprochen: Mchitarjan), doch mit dem Aufschwung des Mittelfeldspielers entfachte sich eine Euphorie im ganzen Land. Nicht nur Mkhitaryan sondern eine ganze Nation fieberte, als es im Herbst 2011 um die Qualifikation zur Europameisterschaft ging. Als die große Überraschung der gesamten Qualifikation musste man sich im letzten und entscheidenden Gruppenspiel gegen Irland mit 1:2 geschlagen geben. Damit schafften die Iren den Sprung ins Play-Off, Armenien scheiterte.

Die Vergangenheit

Schon damals war es nicht nur Mkhitaryan der für diesen Achtungserfolg sorgte, neben ihm avancierte Stürmer Yura Movsisyan zur treibenden Kraft im Team, ebenso konnte Karlen Mkrtchyan im defensiven Mittelfeld für die nötige Stabilität sorgen. Kapitän war zu diesem Zeitpunkt der Rekordnationalspieler Sargis Hovsepyan der seit 1992 ein Bestandsteil des Nationalteams war.

Nach dessen Karriereende im Herbst 2012 übernahm Torhüter Roman Berezovskiy von Dinamo Moskau die Binde.

Die Gegenwart

Das Ziel war es nach der verpassten EM-Quali sich für die WM zu qualifizieren, doch nach der Gruppenauslosung musste man feststellen, dass dies kein einfaches Unterfangen wird. Mit Italien, Dänemark und Tschechien bekam man drei nominell stärkere Gegner zugelost, zudem spielt man auch noch gegen die Bulgaren und gegen Malta. Eine schwere Gruppe für die Männer aus dem Kaukasus. Allerdings holte man sich für diese Qualifikation Verstärkungen an Bord. Aras Özbiliz von Ajax Amsterdam (heute bei Spartak Moskau) wurde erstmals einberufen, zudem schafften Talente wie Taron Voskanyan, Varazdat Haroyan, Karen Muradyan, Arsen Beglaryan (der auch von Red Bull Salzburg beobachtet wird/wurde), Kamo Hovhannisyan und Masis Voskanian den Sprung ins A-Nationalteam.

Im Herbst 2012 konnte auch die U21 Armeniens einen Achtungserfolg erreichen, die Teilnahme an der U21-Europameisterschaft verspielte man erst im letzten Gruppenspiel, als man gegen Montenegro nur ein 0:0 erreichte. Viele Spieler dieser Generation schafften auch den Sprung zur A-Nationalmannschaft, manche sogar den Sprung ins Ausland. Davit Manoyan wurde beispielsweise über einen längeren Zeitraum von Kuban Krasnodar getestet, entschied sich jedoch dafür weiterhin in seiner Heimat als Kapitän bei Pyunik Erewan zu agieren.

Die Spieler

Der Aufschwung steht auch im Zeichen der Club-Karrieren vieler Spieler, so schaffte der heutige Topstürmer Yura Movsisyan innerhalb kurzer Zeit den Sprung aus einem amerikanischen College-Team bis hin zum Star-Stürmer von Spartak Moskau. Sein Teamkollege Aras Özbiliz wechselte aus der Ajax-Akademie zu Kuban Krasnodar, wo er eine tolle Saison hinlegte und anschließend für rund sechs Millionen in die russische Hauptstadt wechselte. Schachtjor Karagandy, der kasachische Sensationsclub, hat im Sommer übrigens den armenischen Nationalspieler Gevorg Ghazaryan von Metalurg Donestk ausgeliehen – auch er ist in Kasachstan absolute Stammkraft und darf künftig auch in der Europa League sein Können unter Beweis stellen. Nicht zu vergessen ist auch die beachtliche Karriere des Henrikh Mkhitaryan, der innerhalb von vier Jahren von Pyunik über Metalurg und Shakhtar Donetsk bis nach Dortmund zum BVB kam. Ein absoluter Vorzeigeprofi der für nächtliche Ausflüge oder stundenlange PS3-Abende nicht zu haben ist. Insgesamt spülte der 24-Jährige bereits über 33 Millionen Euro an Ablösesummen in diverse Clubkassen. Mit den kolportierten 27,5 Millionen Ablöse, die Dortmund für den Armenier hinlegten, ist er auch zweifelsfrei der teuerste Spieler seines Landes.

Ebenso beachtlich ist die Karriere des „Sechsers“ Karlen Mkrtchyan, der auch als Innenverteidiger eingesetzt werden kann. Als „Armeniens Spieler des Jahres 2010“ wechselte er wenig später zu Metalurg Donetsk, wo er wie im Nationalteam zur festen Größe wurde. Im August dieses Jahres suchte er sich eine neue Aufgabe und wechselte nach Dagestan zu Anzhi Makhachkala. Ebenfalls in Russlands Premier League spielt Marcos Pinheiro Pizzelli. Der gebürtige Brasilianer wurde eingebürgert nachdem er dreimal armenischer Torschützenkönig wurde, mittlerweile spielt er meist im offensiven Mittelfeld oder als hängende Spitze. Auch er wechselte zuerst in die Ukraine zu Metalurg Donetsk wurde später an Kuban Krasnodar verkauft und wechselt im Juli 2013 zum Stadtrivalen FK Krasnodar.

„Goldene Generation“ und Zukunft

Doch oft hört man: „Jetzt haben sie eine goldene Generation, danach ist wieder 30 Jahre Flaute“. Das kann man aber in diesem Fall definitiv nicht bestätigen. Viel mehr hat man das Gefühl, diese „Goldene Generation“ kommt erst. Führungsspieler wie Mkhitaryan, Özbiliz, Movsisyan oder Mkrtchyan stehen noch lange nicht am Ende ihrer Karriere, daneben werden bereits junge Talente eingebaut, wie zum Beispiel Abwehrjuwel Varazdat Haroyan oder Sargis Adamyan von Hansa Rostock. Betrachtet man den Werdegang einiger Stammspieler im Nationalteam und deren Voraussetzungen, bemerkt man schnell, dass wohl einige der jungen Spieler noch bessere Karrieren hinlegen werden, sowie im taktischen Bereich bessere Ausbildungen erfahren können. In der eigenen Liga gibt es eine Fülle an talentierten Spielern die in Zukunft realistische Chancen auf Nationalteameinsätze haben. Darunter auch Pyunik-Stürmer Viulen Ayvazyan, das vielleicht größte Talent des Landes, der in der diesjährigen Europa-League-Qualifikation drei Treffer in vier Spielen als Joker erzielte. In der vergangenen Spielzeit avancierte er als Joker zum besten Torjäger des armenischen Rekordmeisters Pyunik Erewan.

Pyunik hat nach  den Verkäufen der heutigen Nationalspieler Mkhitaryan, Ghazaryan, Mkrtchyan, Arzumanyan, Pizzelli oder Yedigaryan, die Philosophie des Vereins grundlegend geändert. Seither kommen fast ausschließlich Spieler aus der „Yerevan Avan Academy“ zum Einsatz, der älteste Spieler heute ist Artur Yuspashyan mit 24 Jahren. Das Durchschnittsalter des Teams beträgt rund 20 Jahre, zudem stellte man mit Varazdat Haroyan, Kamo Hovhannisyan, David Manoyan, Taron Voskanyan, Artur Yuspashyan und Gor Manukyan gleich sechs Spieler die im erweiterten Kreis des Nationalteams stehen. So viele wie kein anderer armenischer Club. Viel deutlicher wird diese Jugend-Philosophie aber in den Nachwuchs-Nationalteam sichtbar, so kommen rund 50 Prozent des U21-Nationalteams von Pyunik. Geteilt wird diese Akademie mit dem Stadtrivalen Banants, die ebenfalls eine sehr gute Jugend haben, jedoch im Profibereich noch vermehrt auf Legionäre und gestandene Spieler setzen.

Das U17-Nationalteam besteht fast ausschließlich aus Spielern von Banants. Eine neue Akademie dürfte bald in Gyumri im Norden Armeniens entstehen. Der dortige Verein Shirak Gyumri ist amtierender armenischer Meister und darf sich bald über deutlich verbesserte Ausbildungsmöglichkeiten freuen. Mit Artur Harutyunyan, Davit Hakobyan und Karen Muradyan spielen in Gyumri derzeit auch drei Kandidaten fürs Nationalteam. Erwähnenswert ist dazu auch, dass bei Shirak sehr oft junge Afrikaner eine gute Anlaufstelle für die UEFA-Zone haben und sich dadurch für weitere Aufgaben empfehlen, wie zum Beispiel Ismael Fofana oder Yoro Lamine Ly.

Nicht nur Pyunik und Banants

Ein anderes armenisches Toptalent ist diesen Sommer zu Braga gewechselt. Der Mittelfeldspieler Sargis Shahinyan von Mika Yerevan wagte den Schritt auf die iberische Halbinsel, Clubkollege Hayk Galstyan (debütierte in der ersten armenischen Liga im Alter von 15 Jahren) könnte bald folgen. Atletico Madrid möchte den Stürmer für die Jugendabteilung verpflichten. Mit Alik Arakelyan (17 Jahre) und Vladmir Ulukhanyan (17 Jahre) scharren auch bereits die nächsten Talente in den Startlöchern.

Die Diaspora-Armenier

Einzigartig an Armenien ist auch, dass rund 6-7 Millionen Armenier außerhalb des Landes leben. So kommt es auch dazu, dass man immer wieder Fußballer im Team hat, die gar nicht oder nur kurz in Armenien lebten. Derzeit spielen mit Artur Sarkisov, Yura Movsisyan und Aras Özbiliz drei Diaspora-Armenier im Nationalteam. Erfreulich für die armenische Liga, bis auf diese drei Spieler kommen alle Nationalspieler aus der eigenen Liga, auch wenn diese nur auf Rang 49 der UEFA-Fünfjahreswertung steht. Man sieht auch in kleinen Ligen kann gute Arbeit geleistet werden und ein Blick dorthin könnte sich auch für österreichische Vereine lohnen.

Ähnliche Fälle wie die drei Diaspora-Armenier kann beziehungsweise wird es auch in Zukunft geben. Viele Jugendspieler russischer oder ukrainischer Topclubs haben armenische Wurzeln, entscheiden sich erst später für die armenische Nationalmannschaft. Kandidaten hierfür wären Artur Miranyan von Shakhtar Donetsk, Armen Ambartsumyan von ZSKA Moskau oder Gevorg Arutyunyan von Rubin Kazan. Auch in den Niederlanden gibt es mit Tigran Gazarjan ein hoffnungsvolles Talent, bei Olympique Marseille hat Nachwuchsspieler Gael Andonian armenische Wurzeln, ebenso Lorenzo Zarmanian aus dem Juve-Nachwuchs. In Deutschland gibt es mit Andranik Stepanyan (St.Pauli) und David Avetisjan (TuS Koblenz), sowie Narek Abramov (HSV) und Raffael Grigorian (Eintracht Frankfurt) weitere hoffnungsvolle Talente. Bei Paris Saint-Germain gäbe es noch Alexandre Demirdjan, beim RSC Anderlecht Narek Petrossian, bei Anzhi Makhachkala Yuri Udunyan und schließlich noch Furman Melkonyan beim FC Sevilla. Man sieht auch hier hat man ein großes Pool an großen Talenten die vielleicht eines Tages den Sprung ins armenische Nationalteam schaffen werden.

Die Euphorie

Feiern wie jene nach dem Auswärtssieg gegen Tschechien am Yerevan square könnten sich häufen, die Chancen sich für ein internationales Großereignis zu qualifizieren steigen. Möglicherweise schafft man es ausgerechnet zur EM 2016 in Frankreich, wo sehr viele Armenier leben. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, immerhin wird man künftig wohl bei der Auslosung in einem höheren Topf sein und zudem dürfen sich dann 24 Nationen qualifizieren. Zur Weltmeisterschaft in Brasilien wird Armenien wahrscheinlich nicht fahren, eine knappe 0:1-Heimschlappe gegen die Dänen durchkreuzte den Plan von Trainer Vardan Minasyan. Nur mit zwei Siegen gegen Bulgarien und Italien könnte man die theoretische Chance dafür noch ergreifen. Schwer genug, denn sowohl Dänemark, Bulgarien als auch Tschechien wollen das auch noch. Bedenkt man, dass man sich fünf Jahre noch zuvor freute wenn man nicht Gruppenletzter wurde, so kann man nun bereits von möglichen EM-Teilnahmen reden. Ein Aufschwung der in diesem euphorischen Land wohl nicht so schnell gestoppt wird.

Marcel Yildiz, abseits.at

Marcel Yildiz

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