Mittlerweile hat sich das Red Bull-System in Europa als großes Sprungbett für viele junge Talente erwiesen. Spieler werden aus allen Teilen der Welt nach... Der Touro Louco und die Braga Boys – Red-Bull-Fußball in Brasilien

Mittlerweile hat sich das Red Bull-System in Europa als großes Sprungbett für viele junge Talente erwiesen. Spieler werden aus allen Teilen der Welt nach Salzburg gelotst, wo sie sich an die RB-Methode akklimatisieren, sich entwickeln und anschließend den Sprung zu größeren Klubs wagen. Um das auch in Südamerika erfolgreich umsetzen zu können, hat man in Brasilien zwei Vereine etabliert, mit denen das gelingen soll. Das ist die Geschichte von Red Bull im Land des fünffachen Weltmeisters.

Die Gründung und ersten Erfolge von Red Bull Brasil

Die Geschichte beginnt im Jahre 2007, als man Pedro Navio und Stefan Kozak von Red Bull Beverage Südamerika, damit beauftrage, einen Verein für eine Übernahme und den Aufbau einer Fußballakademie zu finden. Der erste Klub, der dabei in Frage kam, war EC Juventude aus der Stadt Caxias do Sul im südlichsten Bundesstaat Brasiliens Rio Grande do Sul. Allerdings hätte eine Änderung der Farben von grün auf rot und weiß dafür gesorgt, dass Juventude dieselben Vereinsfarben wie einer seiner größten Rivalen SC Internacional gehabt hätte. Deshalb wurde davon abgesehen, den Klub zu übernehmen und man gründete einen eigenen Verein, da man sich eventuellen Streitigkeiten mit den Fans anderer Teams sowie sonstigen möglichen Problemen entziehen wollte. Nachdem man sich den passenden Standort und Strategie evaluierte, entschied man sich für die Gründung von Red Bull Brasil in der Stadt Campinas im Bundesstaat São Paulo, etwa 100 Kilometer nördlich von der gleichnamigen Hauptstadt entfernt. Dort haben auch die beiden traditionsreichen Vereine Guarani FC (gegründet im Jahre 1911) und AA Ponte Preta (1900) ihren Vereinssitz.

2008 ging Red Bull Brasil an den Start. Der Touro Louco (verrückte Stier), so der Spitzname der Bullentruppe, stieg in der vierthöchsten Liga des Bundesstaates São Paulo, genannt Campeonato Paulista Série B1, ein. Bereits damals lag der Fokus auf der Entwicklung junger Spieler, passend ist es also, dass man laut den Wettbewerbsregularien nur drei Ü23-Spieler im Kader haben durfte. Dennoch fand sich der ein oder andere bekannte Name wieder.

Einer der älteren Spieler war der Kapitän Gilmar Fubá. Er gewann mit Corinthians unter anderem zweimal die brasilianische Liga und einmal die FIFA Klub-Weltmeisterschaft. Der zweite war Maurílio, der seine größten Erfolge bei Palmeiras feierte und mit 38 seine Karriere ausklingen ließ. Zudem hatte man mit dem damals 22-jährigen César Augusto einen jungen Stürmer im Kader, der bei Atlético Mineiro in der ersten Liga in jedem zweiten Spiel ein Tor schoss. Paulo Sérgio, seines Zeichens Weltmeister 1994 und Ex-Spieler in der deutschen Bundesliga, betreute für kurze Zeit das Team von der Seitenlinie aus, wurde jedoch früh von Ricardo Pinto ersetzt.

Red Bull Brasil debütierte am 20. April 2008 erfolgreich im brasilianischen Fußball, als man auswärts Sumaré AC mit 2:0 schlug. Beim Heimdebüt im Estádio Moisés Lucarelli, welches eigentlich die Heimstätte von Ponte Preta ist, gegen Elosport CB fielen hingegen keine Tore. Im weiteren Wettbewerbsverlauf qualifizierten sich die Torinos für die dritte Gruppenphase, doch das Finale um den Aufstieg konnte nicht erreicht werden.

Premiere von Red Bull Brasil

Für das Jahr 2009 verlängerte man mit den Schlüsselspielern und verstärkte sich auf einigen Positionen, doch Gilmar Fubá und Maurílio verließen den Verein. Nichtsdestotrotz dominierte man den Wettbewerb und wurde in drei von vier Gruppenphasen bis zum Finale Erster. In den beiden Endspielen trafen die brasilianischen Bullen, die mittlerweile von Jair Picerni, der São Caetano 2002 in das Finale der Copa Libertadores führte, trainiert wurde, auf AE Araçatuba, die man mit insgesamt 4:3 besiegte. Somit war der erste Aufstieg bereits im zweiten Vereinsjahr fixiert. Die Erfolgswelle ritt man 2010 weiterhin, als man nach der ersten Phase auf Platz eins der Série A3 stand. Nach dem zweiten Turnierabschnitt besiegte man Ferroviária mit insgesamt 6:2 und schaffte somit den Durchmarsch in die Série A2. Dadurch qualifizierte man sich auch für die Copa Paulista 2010, in welcher man erst im Finale in Paulista de Jundiaí seinen Meister fand. Immerhin konnte sich Mittelstürmer Henan dabei zum Torschützenkönig krönen.

Ankunft in der A1 und nächster Titel

Angekommen in São Paulos zweithöchster Liga verbrachte Red Bull Brasil dort drei Jahre. Zwar überstanden sie zweimal die erste Turnierphase, doch für das Finale um den Aufstieg konnte man sich nie qualifizieren. Auch in der Copa Paulista, zu der man sich in der Zeit zweimal qualifizierte, sprangen keine Erfolge heraus. Die Erfolge kamen eher aus dem Jugendfußball. In den Jahren 2011 bis 2013 erreichte die U16-Mannschaft des Touro Louco je einmal den zweiten, dritten und vierten Platz in der renommierten Next Generation Trophy, während die U20 zweimal in der Copa São Paulo de Futebol Júnior, kurz Copinha, mitspielte. Dieses seit 1969 jährlich ausgetragene Jugendturnier gilt als einer der wichtigsten Wettbewerbe für Nachwuchsmannschaften in Brasilien, zahlreiche Talente, die später zu großen Stars wurden, haben daran teilgenommen, beispielsweise Cafú, Kaká, Neymar, oder Vinicius Jr.

2014 folgte endlich die Krönung. Nach 19 Spielen und mit den wenigsten Niederlagen aller Vereine erreichte Red Bull Brasil als Vizemeister die Spitze des Fußballs in São Paulo und spielte ab der nächsten Saison in der Série A1 mit. Am 31. Jänner 2015 besiegte man Capivariano, die vor dem Touro Louco in der Série A2 Meister wurden, mit 1:0. Am Ende wurde man Sechster und qualifizierte sich damit für die Série D, wo man allerdings bereits in der Gruppenphase ausschied, und die Copa do Brasil für die nächste Saison.

Von 2016 bis 2019 schied Red Bull Brasil zweimal im Viertelfinale in der Campeonato Paulista aus. Während die U17 im Jahre 2016 immerhin Vizemeister hinter Santos wurde, gewann die erste Mannschaft 2019 die sogenannte Troféu do Interior. An diesem Pokalturnier nahmen die Mannschaften teil, die in der ersten Phase von São Paulos Staatsmeisterschaft zwischen dem neunten und dem vierzehnten Platz lagen.

Übernahme von Bragantino und Abstieg von RB Brasil

Die Taurinos von Red Bull Brasil brachten nur mittelmäßige Ergebnisse hervor und schafften es nicht, in den brasilianischen Spitzenfußball zu gelangen, weshalb der österreichische Energydrink-Hersteller nach einem Verein suchte, der auf höheren Ebenen Erfolg versprach. Dabei wurde man rund eine Autostunde östlich von Campinas fündig, in der Stadt Bragança Paulista.

Der Clube Atlético Bragantino spielte 2019 in der Campeonato Brasileiro Série B, der zweithöchsten nationalen Liga, sowie in der Campeonato Paulista A1, und war somit ein attraktiver Verein für eine Übernahme, zumal er nicht weit entfernt lag. Der Einstieg von Red Bull bei Bragantino erfolgte im März 2019. Bereits einen Monat später spielte der Klubs in Trikots mit den zwei roten Stieren und der gelben Sonne auf der Brust, allerdings behielt man noch das traditionelle Klubwappen.

Eine Finanzspritze von etwa 10 Millionen Euro verhalf dem neuen Mitglied der RB-Familie nicht nur zur Verbesserung der Heimstätte, das Estádio Nabi Abi Chedid, benannt nach dem ehemaligen Vereinsdirektor Nabi Abi Chedid (sein Sohn Marquinho ist der aktuelle Vereinspräsident), sondern auch zur Meisterschaft 2019 und dem damit verbundenen Aufstieg in die Série A. Währenddessen zog sich RB Brasil vorerst zurück, nur um 2020 als Farmteam für Red Bull Bragantino, deren Vereinslogo und Trikots mittlerweile vollständig an die Corporate ID der anderen Bullenklubs angepasst wurde, zurückzukehren. Auf brasilianischem Spitzenniveau angekommen erreichten die Braga Boys, wie man die Mannschaft auch nennt, den zehnten Platz, wobei Stürmer Claudinho Torschützenkönig des Wettbewerbs wurde und seiner Mannschaft zur Teilnahme an der Copa Sudamericana 2021, dem südamerikanischen Äquivalent der Europa League, verhalf. Somit kehrte der Verein aus Bragança Paulista nach 25 Jahren wieder zurück auf die internationale Bühne.

Weiterhin auf der Erfolgswelle fuhr man im nächsten Jahr überzeugende Ergebnisse in der Liga ein, beispielsweise besiegte man Flamengo mit 3:2 und Palmeiras mit 3:1, und wurde am Ende Sechster, womit man sich für die Copa Libertadores, die südamerikanische Champions League, qualifizierte. International stach Bragantino noch mehr heraus. Zuerst gewannen sie die Gruppe, bevor sie Independiente del Valle aus Ecuador im Achtelfinale eliminierten. Nach einem spannenden 4:3-Sieg gegen Rosario Central aus Argentinien, in welchem dem Flügelspieler Artur ein Hattrick und eine Vorlage gelangen, reichte das 1:0 im Rückspiel für das Aufsteigen ins Halbfinale. Der paraguayische Club Libertad wurde souverän mit 2:0 und 3:1 geschlagen und die Braga Boys standen im Finale. Eine Rückkehr kann kaum besser verlaufen. Der andere Endspielteilnehmer hieß Athletico Paranaense und war somit ein Gegner, den man aus der Liga bereits kannte. Diese galten als Favorit, holten sie doch bereits 2018 den Titel und sind eine der besten Mannschaften ihres Bundesstaates Paraná.

Das Team von Trainer Maurício Barbieri hatte gute Chancen, schließlich verwandelte man einen Eckball beinahe direkt, verfehlte das Tor oft nur knapp und hatte sogar mehr Ballbesitz, doch ein Seitfallzieher von Nikão im Strafraum führte Athletico Paranaense zum Sieg. Nichtsdestotrotz war das Erreichen des Endspiels ein großer Erfolg für eine Mannschaft, die in den Jahren vor der Red Bull-Übernahme in der zweiten und dritten brasilianischen Liga herumdümpelte.

https://www.youtube.com/watch?v=w97uaYkJ6FE

Finale der Copa Sudamericana 2021

In der Saison 2022 konnte Bragantino nicht an die Leistungen des Vorjahres anknüpfen und wurde nur 14, was immerhin noch für die Copa Sudamericana reichte. In der Copa Libertadores schied man als Gruppenletzter hinter Estudiantes de la Plata, Vélez Sarsfield (beide Argentinien) und Nacional (Uruguay) aus. Am Ende des Jahres wurde es also auch Zeit für personelle Veränderungen an der Seitenlinie und Maurício Barbieri, der seit September 2020 die Geschicke der Mannschaft leitete, musste seinen Posten räumen. Für das neue Jahr verpflichtete man den Portugiesen Pedro Caixinha, dessen letzte Station CA Talleres in Argentinien war. Im Interview mit der Medienabteilung seines neuen Vereins sprach Caixinha über die Art von Fußball, die er in Bragantino implementieren will: „Ein aggressiver und attraktiver Spielstil. Eine Mannschaft, die immer auf Angriff setzt. Du hast den Ball? Greif den gegnerischen Strafraum an. Du hast nicht den Ball? Greif auch an. Ein Team, das weiß, wie man den Ball angeht, das weiß, wie man das Spiel angeht. Wir wissen, dass die Mannschaft bereits diese Philosophie hat. Das ist es im Grunde, was wir verstärken und woran wir noch weiterarbeiten wollen, damit wir als Mannschaft noch mehr wachsen können“

Fazit

Der Red Bull-Fußball hat sich in Europa mittlerweile als sehr erfolgreich erwiesen. Schließlich gewann RB Leipzig 2022 den DFB-Pokal und Salzburg dominiert seit Jahren den österreichischen Fußball. Zudem wurden Talente nach und nach aufgebaut und anschließend um ein Vielfaches verkauft, wie beispielsweise Sadio Mané, Patson Daka oder Erling Haaland. Doch währenddessen lief es mit der brasilianischen Sparte nicht wirklich erfolgreich, erst seit der Übernahme von Bragantino kann man sich auch dort größere Ziele auf die Agenda schreiben.

Das Projekt Bragantino steckt gerade erst in den Kinderschuhen und man hat noch einiges vor sich, um sich unter den Größen des brasilianischen Fußballs zu etablieren. Dennoch kann man sich von den Braga Boys viel erhoffen, denn aus finanzieller und infrastruktureller Perspektive ist man unter den besten Vereinen in Südamerika mit dem Einzug in das Copa Sudamericana-Finale 2021 wurde bereits ein kleiner Erfolg erreicht. Die Entwicklung wird weiterhin zu beobachten sein und vielleicht findet sich in Zukunft der ein oder andere Bragantino-Spieler in den Reihen südamerikanischer oder europäischer Top-Klubs wieder.

Tim Bosnjak, abseits.at

Tim Bosnjak