In dieser neuen Artikelserie wollen wir euch die größten Comebacks der Fußballgeschichte vorstellen. Welche Mannschaften gaben komfortable Führungen aus der Hand, welche Teams schafften... Die größten Comebacks der Fußballgeschichte (3) – Die unbelohnte Aufholjagd der jungen, unbezähmbaren Löwen aus Kamerun

Kamerun FlaggeIn dieser neuen Artikelserie wollen wir euch die größten Comebacks der Fußballgeschichte vorstellen. Welche Mannschaften gaben komfortable Führungen aus der Hand, welche Teams schafften das Unmögliche und egalisierten mit großem Kampfgeist einen Rückstand? An einige Aufholjagden werdet ihr euch gut erinnern können, andere wiederum sind weniger bekannt. Sofern vorhanden, liefern wir euch zudem das passende Video zum jeweiligen Spiel, damit ihr die Comebacks noch einmal miterleben könnt.

Portugal – Kamerun 5:5 (FIFA-U17 Weltmeisterschaft 2003)

Die 4723 Zuschauer im Ratina-Stadion kamen im Jahr 2003 beim Besuch der Partie zwischen Portugal und Kamerun voll auf ihre Kosten, denn sie bekamen nicht nur zehn Tore zu sehen, sondern auch eine der spektakulärsten Aufholjagden in der Geschichte des Fußballs. Obwohl die Portugiesen bis zur 70. Minute mit 5:0 in Führung lagen, gingen sie nicht als Gewinner vom Platz! Dennoch hat die Aufholjagd der Kameruner kein wirkliches Happy-End, denn die Punkteteilung reichte den Portugiesen für den Aufstieg, während die Afrikaner als Gruppendritte die Heimreise antreten mussten.

Die Ausgangslage vor dem Duell

Portugal und Kamerun wurden zusammen mit Brasilien und Jemen in die Gruppe C gelost und erwischten einen guten Start. Die Portugiesen setzten sich gegen den Außenseiter Jemen knapp mit 4:3 durch, während Kamerun dem Favoriten Brasilien ein 1:1-Unentschieden abtrotzte. Am zweiten Spieltag setzte es für Portugal eine bittere 5:0-Niederlage gegen die Brasilianer und Kamerun fabrizierte gegen Jemen das gleiche Ergebnis wie gegen Brasilien. Am dritten Spieltag ging es beim Duell zwischen Portugal und Kamerun um den zweiten Gruppenplatz und damit um den Aufstieg ins Viertelfinale. Die Brasilianer gewannen im Parallelspiel wie erwartet gegen Jemen deutlich mit 3:0.

Traumtor eröffnet Torflut

Die Zuschauer mussten bis zur 21. Minute auf den ersten der zehn Treffer der Partie warten – dieser hatte es dann aber in sich. Adelino André Vieira de Freitas, besser bekannt als Vieirinha, stand in der eigenen Hälfte, als er sah, dass Torhüter Luc Kalapach zu weit vor seinem Gehäuse stand. Der Flügelspieler, der mittlerweile beim VfL Wolfsburg unter Vertrag steht, nahm sich ein Herz und überhob den Goalie aus knapp 60 Metern (das Spielfeld im Ratina-Stadion ist laut FIFA 105 Meter lang).  Beide Trainer meinten nach der Partie, dass sie live noch nie so ein Tor gesehen hätten. Der portugiesische Coach schwärmte von den Qualitäten seines Schützlings und sagte, dass Vieirinha einfach Dinge sieht, die anderen Spieler nicht sehen. Während von der gesamten Partie keine Videos im Internet zu sehen sind, ist zum Glück wenigstens dieser Treffer für die Nachwelt erhalten geblieben.

Zwischen der 36. und der 44. Minute erzielte Manuel Curto, der mittlerweile beim FK Taras in Kasachstan spielt, einen lupenreinen Hattrick, sodass die Portugiesen mit einer mehr als komfortablen Führung in die Kabine gingen.

Grandiose Aufholjagd nach 70 Minuten

Zur Pause mussten die jungen Kameruner ein Gewitter über sich ergehen lassen, denn Coach Anatole Abee war wütend aus seiner Mannschaft. Nach dem Spiel meinte er, dass er wusste, dass seine Truppe ebenbürtig wäre und er deshalb in der Pause an die Moral seiner Spieler appellierte. Als Zeichen, dass er noch an einen Umschwung glaubte, wechselte er einen zusätzlichen Stürmer für einen Mittelfeldspieler ein. Zunächst kam es aber noch schlimmer für sein Team, denn Bruno Gama erhöhte nur sieben Minuten nach Wiederanpfiff auf 5:0. In weiterer Folge fand Kamerun aber besser in die Partie und kam zu den ersten Chancen, die der portugiesische Torhüter Mario Felgueiras vorerst jedoch vereiteln konnte. In der 70. Minute brach endlich der Bann, als der portugiesische Rechtsverteidiger Tiago Costa per Eigentor seinen Schlussmann zum ersten Mal bezwang. Die Kameruner schöpften neuen Mut und der zur Halbzeit einwechselte Serge Ngal erzielte zwischen der 74. und 76. Minute einen Doppelpack.  Der Anschlusstreffer zum 4:5 fiel zwei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit, als Landry Nguema  eine Flanke seines Mitspielers Joseph Mawaye verwertete. In der 94. Minute gelang dem eingewechselten Stephane Mbia der Ausgleich zum 5:5, der den Schlusspunkt dieser außergewöhnlichen Partie markierte.

Nach dem Schlusspfiff gaben die Zuschauer „Standing-Ovations“ und die Kameruner lagen von der Aufholjagd erschöpft am Rasen. Die Nachwuchskicker kämpften mit den Tränen, da das tolle Comeback schlussendlich nicht für den Aufstieg ins Viertelfinale reichte. Die Kontrahenten aus Portugal trösteten sie und zollten ihnen viel Respekt für die fulminante Schlussphase. Die Aufholjagd begann schlussendlich ein wenig zu spät, aber die Nachwuchsspieler verdienten sich an diesem Nachmittag den Spitznamen ihrer Nationalmannschaft, “die unbezähmbaren Löwen“, vollkommen zurecht.

Was wurde aus…

Einige Protagonisten dieses denkwürdigen Spiels haben es weit gebracht und stehen bei namhaften Klubs unter Vertrag. Stephane Mbia, der Torschütze zum 5:5, spielte lange Zeit in Frankreich bei Stade Rennes und Olympique Marseille, und kam nach einer Saison bei den Queen Park Rangers leihweise beim FC Sevilla unter. Der defensive Mittelfeldspieler absolvierte mittlerweile 50 Spiele für die Nationalmannschaft Kameruns. Vieirinha spielt wie bereits oben erwähnt beim VfL Wolfsburg, nachdem er drei Jahre lang bei PAOK Saloniki unter Vertrag stand. Der portugiesische Torhüter Mario Felgueiras, der ganze fünfmal hinter sich greifen musste, steht in Rumänien beim CFR Cluj unter Vertrag und gewann in der vergangene Saison immerhin ein Champions-League-Spiel gegen Manchester United mit 1:0. Der damalige Kapitän der Portugiesen, Miguel Veloso, spielt momentan für Dynamo Kiev und stand beim 2:2-Unentschieden im Ernst-Happel-Stadion gegen Rapid Wien über 90 Minuten lang am Platz. Am bekanntesten ist jedoch Alex Song, der langjährige Arsenal-Spieler, der seit der Saison 2012/13 beim FC Barcelona unter Vertrag steht und dem beim 4:1-Sieg über Real Valladolid das Kunststück gelang, 102 Zuspiele mit einer erfolgreichen Passquote von 100% zu spielen. Erwähnenswert ist zudem, dass der ehemalige FC-Porto-Mittelfeldspieler João Moutinho, der für 25 Millionen Euro zum AS Monaco wechselte, während des gesamten Spiels nur auf der Ersatzbank saß.

Stefan Karger, www.abseits.at

Stefan Karger

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