Jobrotation ist im modernen Fußballgeschäft an der Tagesordnung. Ob im Unterhaus oder beim internationalen Spitzenklub: Spieler wie Trainer kommen und gehen. Während es für... Ein Gedankenexperiment: Trainerwechsel nur in der Transferperiode…

Jobrotation ist im modernen Fußballgeschäft an der Tagesordnung. Ob im Unterhaus oder beim internationalen Spitzenklub: Spieler wie Trainer kommen und gehen. Während es für das kickende Personal seit etwa Anfang der 1990er Jahre eine geregelte Transfer-Übertrittszeit gibt, wechseln die Übungsleiter quasi tagein tagaus ihren Arbeitgeber. Was mittlerweile ganz normal ist, wirft trotzdem die Frage auf, warum ist das so? Könnte oder sollte es auch nicht Transferperioden für die vielleicht wichtigste Position im Verein geben, die des Trainers? Wir schauen uns ein paar Fakten und dann die Pros und Contras an, ehe wir dem Placebo „Trainereffekt“ auf den Zahn fühlen.

Fakten aus den letzten anderthalb Spielzeiten

In der österreichischen Bundesliga wechselten mit Mattersburg, Sturm Graz, Rapid, St. Pölten und die Admira heuer schon fünf Klubs ihren Übungsleiter. In der Vorsaison waren es am Ende sechs von zehn Vereinen, also mehr als die Hälfte, die vorzeitig den Trainer tauschten.

Auch in der zweiten österreichischen Liga besetzte ein Viertel der Klubs (FAC, Horn, Ried und Klagenfurt) den Trainerposten seit dem Saisonstart schon neu. Vorige Saison in der Zehnerliga waren es sechs, also wie in der Bundesliga ganze 60 %.

In England sind es heuer erst zwei Klubs, in der Vorsaison waren es deren neun (45 %), die den Personalwechsel auf der Trainerbank vollzogen. In Deutschlang bislang heuer einer, im Vorjahr sieben (39 %). Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in den anderen europäischen Topligen: Spanien heuer 4 bzw. im Vorjahr 10 (50 %) und Italien 4 bzw. 9 (45 %). Dies sind aber jeweils nur die Anzahl der Vereine die sich eines Trainerwechsels während der Saison bedienten, nicht die der verbrauchten Trainer. Mancher Klub wechselte gar öfter den Coach und einige mehr taten dies in der Sommerpause, also der eigentlichen (Spieler)Transferzeit – die in dieser Statistik hier nicht enthalten sind.

Eine Trainer-Transferzeit würde bringen…

Auf jeden Fall positiv wäre eine vordefinierte Wechselperiode für die amtierenden Trainer. Ho-Ruck-Entscheidungen oder Schnellschüsse nach einer Negativphase würden so minimiert bzw. zumindest verkompliziert. Der Übungsleiter an der Seitenoutlinie erhält so eine gewisse Planungssicherheit, seine Philosophie für mehrere Monate durchziehen zu können. Trainer hätten mehr Zeit ihre Handschrift und Ideen im Verein umzusetzen. Dort wiederum könnte so mehr Kontinuität einkehren, wovon ja dann auch der Klub längerfristig profitieren würde.

Die Vereinsbosse müssten sich ähnlich wie bei Spielertransfers die Trainerentscheidung noch besser überlegen, ist ein Entgegensteuern – ähnlich wie beim Kader – erst nach einigen Monaten wieder möglich. Tendenziell kleinere Vereine (bis runter ins Unterhaus) mit gut arbeitenden Trainern hätten so auch mehr Planungssicherheit und müssten sich nicht mit Abwerbeversuchen während der Saison herumschlagen. Das Trainerkarussell würde damit etwas entschleunigt, der laufende Bewerb fairer.

Und möglicherweise könnte auch der Schatzmeister davon öfters mal profitieren: Entlassene Trainer würden so auch eher dazu gebracht werden, ihre Verträge aufzulösen statt sie beim Spaziergehen abzusitzen, während auf ein neues, lukratives Angebot gewartet wird. Ein vertraglich gebundener Trainer hätte nämlich auch erst in den Transferperioden wieder die Möglichkeit, bei einem neuen Klub anzuheuern.

Gegen solch ein Wechselfenster spricht

Klar, es wäre ein Paradigmenwechsel. Ein wesentlicher Einschnitt in die gelebte Tradition, den Trainer zu jeder Zeit – sofern es das Bankkonto erlaubt – zu beurlauben. Das Entgegensteuern nach einem Fehlgriff wird so schwieriger. Fehler könnten nur mehr deutlich später korrigiert werden, dann vielleicht zu spät. Einer durchwachsenen Saison könnten man nicht mehr mit dem beliebten Hebel „Trainereffekt“ – dem wir später noch auf den Zahn fühlen – frischen Wind verleihen.

Eingegangene Vereinbarungen müssten beiderseitig länger ausgesessen bzw. eingehalten werden. Winkt dem Trainer eine seltene oder vielleicht einmalige Chance, heißt es auch da: Bitte warten!

Die realistischen Chancen…

… für solch eine Idee stehen gleich null. Jede Seite sieht den Vorteil der Möglichkeit, sich jederzeit „zu verändern“. Vor allem die einflussreichen Klubs mit dem nötigen finanziellen Polster, werden sich dieses „Recht“ nicht so einfach beschneiden lassen. Aber nicht nur die, eigentlich runter bis ins Unterhaus lebt jeder Verein gut mit der Möglichkeit im Hinterkopf, die vielleicht wichtigste Position im Verein jederzeit zu verändern.

Dazu müsste man diese Linie natürlich auch bei den Nationalteams durchziehen, wo sich ob der Turniere in der regulären „Transferperiode“ dieses Vorhaben schon etwas komplizierter gestaltet. Natürlich müsste man auch eine Lösung bei Krankheiten oder anderen ungeplanten wie unbeeinflussbaren Faktoren finde.

Trotzdem wäre es unterm Strich sicherlich ein Denkanstoß im Sinne eines faireren Wettbewerbs.

Und noch etwas zum „Trainereffekt“

Wenn wir schon beim Thema sind noch kurz zum Stichwort „Trainereffekt“. Über diesen lässt sich bekanntlich streiten, denn meist ist es nur ein – kurzfristig vielleicht nötiger aber langfristig wirkungsloser – Placebo. Mehrere deutsche Studien haben den „Trainereffekt“ wissenschaftlich emotionslos untersucht, immer samt mit dem gleichen Ergebnis. Kurzfristig kehrt der neue Besen zwar oft besser, doch der Leistungsanstieg ist eher der frischen Motivation geschuldet und verpufft statistisch gesehen meist ebenso rasch wieder. Ähnliche Untersuchungen gibt es auch für den englischen Fußball.

Doch wir alle kennen natürlich das Positivbeispiel oder wohl auch mehrere davon. Den geglückten Trainerwechsel der schließlich zur Trendwende führte und langfristig ein voller Erfolg war. Aber vielleicht sind dies auch nur die Gegenbeispiele? Die Glückstreffer die eher die Ausnahme sind, um die Regel zu bestätigen. Geht man nochmals auf die doch etwas erschreckenden Zahlen aus dem ersten Abschnitt ein, fallen dem fußballinteressierten Leser nämlich wohl auch gleich ums Ganze mehr Negativbeispiele ein.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

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