Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (23): Lieber Falter!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief an Kollegen, die sich nur ein bisserl mit Fußball beschäftigen…

Lieber Falter!

Ich mag eure Zeitung und lese sie gerne. Hin und wieder stößt mir aber etwas sauer auf. Selbstverständlich nicht, wenn mir ein Artikel inhaltlich nicht passt. Redakteure sollten eine Meinung haben und nicht dem Leser nach der Goschn schreiben. Doch mir ist aufgefallen, dass einige eurer Darstellungen, die meinen Wirkungsbereich betroffen haben, einfach verkürzt sind. Es ist nicht immer möglich den Nagel pointiert auf den Kopf zu treffen. Man muss manchmal ein bisschen tiefer schürfen, differenzierter schreiben und nicht bequeme Statements in ein paar Zeilen packen.

Im Juli habt ihr etwa den Richter im berühmten Wiener-Polizeikessel-Prozess zum „Hero der Woche“ gekürt und behauptet, er habe „vor allem […] die Unprofessionalität der Polizei, die schneller hätte arbeiten müssen“ kritisiert. Das war wohl Journalismus vom Hören-Sagen, denn weder die Verhandlungsführung des Richters noch das Urteil waren polizeiunfreundlich. Schwamm drüber, die Geschichte ist vorbei. Doch jetzt war ich wieder erstaunt, als ihr in eurem Feuilleton Martin Hinteregger nach seiner Post-Zapfenstreich-Geburtstagsparty inklusive (zu viel) Hochprozentigem als „gut“ gefeiert habt. Es sei nur wichtig, dass ein Spieler „am Platz nüchtern“ sei, findet ihr. Eure Conclusio lautet: „Lieber ein echter Fußballer als ein Instagram-Abziehbild!“. Was, lieber Falter, ist denn ein echter Fußballer? Und was ist ein Instagram­-Abziehbild?

Eins ist klar, Martin H. ist in erster Linie ein Mensch, der ein Recht auf Privatsphäre hat. Und – bevor ich mein Argumentationspulver verschieße – eigentlich könnte es uns blunzn (mit Kraut und Knödel) sein, ob bzw. wann er saufen geht. Mit Stammtischweisheiten Franco Fodas Entscheidung, ihn auf der Bank zu lassen, abzutun, ist aber bizarr: Denn Fußball ist nicht Hintereggers Hobby, sondern sein Beruf. Er trägt eine gewisse Verantwortung, muss ausreichend Einstellung mitbringen. Sich in eine schlechte Verfassung zu hieven, ist eine Frechheit den anderen Mitstreitern gegenüber. Ins Nationalteam einberufen zu werden, sollte noch immer als Privileg gelten, dort werden nämlich die Besten des ganzen Landes versammelt. So drückt man Wertschätzung für ein solches Privileg aber nicht aus. Ergo war die Entscheidung Fodas (und der anderen Letztverantwortlichen) den nunmehr 27-jährigen bankdrücken zu lassen nicht nur verständlich, sondern auch unabdingbar. Wenn man noch das Statement des Teamchefs dazu liest – „Er hat einen Fehler begangen, er hat diesen Fehler eingesehen und wir haben das intern dementsprechend geregelt und abgehandelt und damit ist das Thema für mich erledigt.”- könnte es ja jetzt genug sein.

Könnte. Oder steckt hinter dem moralischen Minimieren, der abwinkenden Handbewegung, die sich in euren vier Sätzchen versteckt, doch mehr. Martin Blumenau ortet in der gesamten Presseberichterstattung über das neueste „Hinti-Gate“ Vorurteile, die (un)bewusst vorherrschen: Alkoholprobleme als Kavaliersdelikt. Willkommen im Weinland Österreich. Und auch eine sehr subtile Form der Xenophobie: Im Wirtshaus bin I wia zaus.

Das Paradoxe ist, dass das eigentlich „gut“ für euch ist, denn Übelmeinende – allen voran Kollegen, die ich hier namentlich sicher nicht erwähnen werde, da verweigern meine Finger die Mitarbeit – werfen euch vor, Links-Propagandisten zu sein. Das war jetzt euphemistisch hoch 10. Solche Ausrutscher beweisen aber, dass ihr nicht das Monopol auf die moralische Wahrheit habt, das andere (!) gern in eure Texte hineinlesen. Ihr habt Meinungen und macht Meinungen. Ich mag eure Zeitung und lese sie gerne. Auch wenn ich nicht immer d’accord bin. Lieber Falter, macht so weiter!

Das wünscht sich

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag