Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (53): Lieber Kevin Kühnert!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief erstmals an einen deutschen Politiker…

Lieber Kevin Kühnert!

Jetzt ist die Zeit für Podcasts: Und so kam es, dass mir ein Interview mit dir in die Hände gefallen ist. Man kennt dich ja in Österreich nicht so gut: Du bist ein streitbarer deutscher Jungpolitiker – ja, ich weiß solche Etiketten findest du blöd. Du bist Bundesvorsitzender der Jusos und stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Du hast eine klare Meinung zur großen Koalition, zu Mietenverhältnissen, Flüchtlingspolitik und … zu Fußball. Wenn man schon nach dem Kultstürmer Kevin Keegan benannt wurde, dann liegt eine Leidenschaft für das runde Leder nahe. Und tatsächlich bist du Fan von gleich drei Klubs: TeBe Berlin, Bayern München und Arminia Bielefeld. Vor kurzem wurde mir ein FUMS-Videogespräch mit dir vorgeschlagen.

Lieber Kevin, ich war begeistert! Du bist ein Politiker, wie er mir selten untergekommen ist. Du bist authentisch. Egal, ob man deiner Meinung ist oder nicht, man versteht dich. Du schaffst es nicht so stromlinienförmig zu wirken, wie es Volksvertreter gleich welchen Alters sonst sind. Dieses Gespräch über Fußball war sehr erfrischend. Fußball ist politisch, findest du: Engagement in der Fanszene ist von gesellschaftlicher Relevanz. Du gibst die notwendige Seriosität nicht auf, steigst aber auch nicht aufs „hohe Ross“, wenn du dich zum Hopp-Zwist äußerst. Das ist sehr wohltuend. Du bist nicht übercoacht, drischt Worthülsen oder legst linguistische Köder – garniert mit lauwarmem Blablabla. Es gibt kein vorgestanztes Draufhauen auf politische Gegner, kein halbherziges Verteidigen von Parteipositionen, kein Verkaufen der eigenen Lebensgeschichte. Bei dir wirkt Politik nicht wie ein Sport, sondern wie eine echte Leidenschaft. Das ist sehr erholsam.

Wie es sich für einen echten „Sozi“ gehört – ja, ich weiß, das wird dir wieder nicht gefallen – hast du angegeben, dich als Arminia-Fan zwar irgendwie über den „drohenden“ Aufstieg zu freuen, aber auch erklärt, warum du die zweite Liga eigentlich magst: keine utopischen Gehälter, fette Logen oder gekaufte Choreos. Am Fußball reizt dich die Parabel auf die Gesellschaft: Im Block findet man unterschiedliche Menschen, die einem gemeinsamen Interesse frönen und so ihre Energie bündeln. Außerdem kann man abschalten und den Herrgott für 90 Minuten einen guten Mann sein lassen. Da sprichst du mir aus der Seele. Zwar hast auch du keine Patentlösung für die Coronakrise, die Vermarktung des Fußballes, die großen Probleme der Zeit, aber du bietest Stoff für eine Diskussion. Und das auf eine Art, wie ich sie eigentlich noch nie erlebt habe. Das würde ich mir wirklich öfters wünschen.

Liebe Grüße aus der Quarantäne in die Quarantäne sendet dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag