Als „vierte Gewalt“ im Staat hat sich die (multi)mediale Berichterstattung längst ihren Platz im gesellschaftspolitischen Ring erkämpft, ist gleichsam Informationsquelle wie Zankapfel, vereint und... Willy Schmieger – der Tausendsassa unter den Sportjournalisten

Als „vierte Gewalt“ im Staat hat sich die (multi)mediale Berichterstattung längst ihren Platz im gesellschaftspolitischen Ring erkämpft, ist gleichsam Informationsquelle wie Zankapfel, vereint und spaltet quer durch alle Gruppierungen menschlichen Zusammenlebens. Wenn man sie nun noch inhaltlich-thematisch mit der Zutat „Sport“ vermengt, übertönt die emotionale Note im multi- und massenmedialen Musikstück vieles Andere, entwickelt nicht selten eine ihr ureigene Dynamik. Sportjournalist*innen stellen damit den nicht eben geringen Anspruch an sich selbst, Dompteure und Dirigenten derselben zu sein. Noch lange bevor ein gewisser Rainer P. in häufig ausbaufähigem Englisch über die heimischen Bildschirme flimmerte, wurde der Protagonist des folgenden Beitrags zu einem der schillerndsten Vertreter der österreichischen Sportjournalistenzunft.

Ein Kind des Sportclubs

Wilhelm „Willy“ Schmieger wurde im April 1887 in Wien-Währing geboren, wuchs später unter anderem in Dornbach auf. Nicht nur geographisch erschien die Liebe und Verbundenheit zum Wiener Sportclub daher naheliegend, bei dem Schmieger mehr oder minder sein gesamtes Leben lang eine sportliche Heimat fand. Zu Schmiegers Zeit trug der Dornbacher Traditionsclub allerdings noch den Namen „Wiener Sportvereinigung“.

Im Alter von 14 Jahren trat Schmieger dem Verein bei und sollte dessen Geschichte in unterschiedlichen Funktionen mitprägen. Zunächst gelang ihm dies als Aktiver auf der Position des Mittelstürmers, die er auch im österreichischen Nationalteam bekleidete. Unter anderem gelang ihm der Ehrentreffer der Heimmannschaft bei einer 1:6-Niederlage gegen England im Juni des Jahres 1908. Gespielt wurde damals auf der Hohen Warte. Im Rahmen des 1897 ins Leben gerufenen Challenge Cup – einem für alle Vereine der österreichisch-ungarischen Monarchie offenen Fußballwettkampf – konnte Schmieger als Teil des Sportclub-Teams in den Jahren 1905 und 1911 den Sieg davontragen. Im Zuge des ersten Titelgewinns besiegten Schmieger & Co. den Magyar AC aus Budapest im Finale mit 2:1. Bei der 1:2-Finalniederlage gegen Ferencvaros vier Jahre später kann der zwischenzeitliche Ausgleich der Wiener mutmaßlich Schmieger zugeschrieben werden.

Seine karriereübergreifende Torquote ließe wohl den einen oder anderen aktiven Angreifer vor Neid erblassen. In 39 ausgewiesenen Bundesligaspielen gelangen Schmieger nicht weniger als 27 Treffer. Auch international traf er nicht nur bei erwähnter Niederlage gegen England, sondern trug sich bereits bei seinem Debüt – einem 1:4 gegen Ungarn – in die Schützenliste ein und durfte in insgesamt lediglich sieben Länderspieleinsätzen gleich fünf Mal jubeln. Andere Quellen weisen sogar noch einen Treffer mehr aus.

Lehrer, Funktionär, Schiedsrichter

Noch während seiner aktiven Zeit inskribierte Schmieger an der Universität Wien, studierte dort von 1907 bis 1912 klassische Philologie und absolvierte 1913 zusätzlich die Lehramtsprüfung für Mittelschulen. In der Zeit des Ersten Weltkriegs wurde Schmieger zudem auf höchster Funktionärsebene in Österreichs Fußball vorstellig, leitete von 1915 bis 1918 die Geschicke des Verbandes, gleiches galt im Übrigen für den Niederösterreichischen Landesverband, der zur damaligen Zeit eine Führungsrolle innerhalb der österreichischen Fußballverbände innehatte. Dem nicht genug betätigte sich Schmieger als Unparteiischer, leitete im Jahr 1914 sein erstes Länderspiel, welches Österreich auf dem WAC-Platz knapp mit 1:2 verlor. Neben seiner Unterrichtstätigkeit war Schmieger in den frühen 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts zudem Leiter der Fußballsektion des Wiener Sportclubs, welcher unter seiner Ägide in den Jahren 1922 und 1923 den Meister- bzw. Cuptitel erringen konnte.

„Schall zu Vogl, Vogl zu Schall“ – Das Sprachrohr des Wunderteams

In der Zwischenkriegszeit avancierte Willy Schmieger zum wohl populärsten heimischen Sportreporter. Dabei profitierte er mit Sicherheit von drei Dingen. Einerseits der Tatsache, dass Österreich in den frühen 30er-Jahren so etwas wie der Nabel der Fußballwelt wurde. Die herausragenden Leistungen des Wunderteams um Rudi Hiden, Matthias Sindelar & Co. mussten schließlich rund um den Globus transportiert werden. Willy Schmieger lieh dieser großartigen Reise seine Stimme, erwarb sich durch eine Mischung aus Fachwissen, Humor und Sprachgewandtheit, der zweiten Zutat auf Schmiegers Weg zur Bekanntheit, den Ruf eines Radio-Stars. Der Siegeszug des Radios als Medium der Massen vollendet das Trio an Faktoren, welche Willy Schmieger zu einem Pionier der Sportberichterstattung aufsteigen ließen.

Dabei war es zunächst nicht der Fußball, im Rahmen dessen Schmiegers Kommentatorenkarriere ihren Ausgang nahm. Vielmehr berichtete er im Oktober 1928 für die Radio Verkehrs-Aktionsgesellschaft (RAVAG) erstmals live von einem Eishockey-Spiel. Bald darauf folgte jedoch die Übertragung eines Fußball-Länderspiels Österreichs gegen Ungarn. Neben den Auftritten des Wunderteams berichtete Schmieger auch von den Begegnungen des damals bekanntesten internationalen Fußballwettbewerbs, des Mitropa-Cups. Schmieger war auch journalistischer Hauptakteur der berühmten 3:4-Niederlage Österreichs an der Stamford Bridge gegen England, die sogar zur Unterbrechung einer Finanzausschuss-Sitzung im österreichischen Parlament zugunsten des Mitverfolgens ebenjener Begegnung führte.

Notiz am Rande: Trotz Niederlage gilt dieses Spiel gemeinhin als „Durchbruch bzw. Höhepunkt“ der fußballerischen Schaffenskraft des Wunderteams hin zu höchster internationaler Bekanntheit, da man die Massen mit mitreißend schönem Fußball begeisterte. Mittendrin: Willy Schmieger, den Wunderteam-Trainer Hugo Meisl einmal als „seinen Mitbetreuer“ bezeichnete. Die Beschreibung des Doppelpass-Spiels der Admira-Spieler Anton Schall und Leopold Vogl im Rahmen eines Aufeinandertreffens der Mannschaften aus Österreich und Schottland überdauerte die Generationen. Neben diversen Fußballmatches berichtete Schmieger auch von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin sowie 1948 in London.

„Ist geschrieben das Wort…“ – Willy Schmieger als Redakteur

Noch lange bevor Schmiegers Stimme die österreichischen Haushaltsradios durchbrach und die Ohren ihrer Eigentümer*innen beschallte, startete er seine Karriere in der Journaille. So leitete der ehemalige Nationalspieler in den 1920er-Jahren das Illustrierte Sportblatt, bekleidete 1925 die Leitung der Sportredaktion der Wiener Neuesten Nachrichten. Schon zu dieser Zeit vernachlässigte Schmieger aus nachvollziehbaren Gründen seine Lehrerlaufbahn, um sich mehr und mehr seiner Redakteurs- und Moderatorenpassion zu widmen.

Mitte der 30er-Jahre beendete er erstere vollends, dies ging einher mit der Übernahme des Postens als stellvertretender Chefredakteur der Kronen Zeitung. Nach 1945 arbeitete Schmieger als Sportredakteur für das Kleine Volksblatt. Das nahende Ende seiner großartigen Laufbahn markierten die bereits erwähnten Sommerspiele 1948 in London. Schmiegers Berichterstattung wurde in Fachkreisen ebenso kritisiert wie von Seiten des Publikums. Ein geschriebenes Vermächtnis des studierten Pädagogen war die Hymne des Wiener Sportclubs mit dem Titel „Heil Wiener Sportclub unser Hort“. Ein Titel, der zu einem der dunklen Kapitel in Willy Schmiegers Leben überleiten muss.

Von Arierparagraphen und grenzüberschreitenden Äußerungen

Je näher man seinen Helden kommt, desto eher ermattet ihr Glanz. Dies kann und muss wohl auch für Willy Schmieger gelten. Denn so unbestritten herausragend seine Arbeit als Sportredakteur gewesen sein mag, zieht sich ein ebenso fragwürdiges Verhältnis zu den schwärzesten Stunden, Tagen und Jahren österreichischer Geschichte durch seine Biographie. In seinen Präsidentschaftsjahren etablierte Schmieger in den Gründungsdokumenten des Sportclubs einen Arierparagraphen, zumindest behauptete er selbiges. Dies machten sich spätere Sportclub-Mitglieder zunutze, um in die NSDAP aufgenommen zu werden. Schmieger sprach weiters davon, dass der Sportclub seit seiner Gründung niemals Juden aufgenommen hätte.

Mitte der 30er-Jahre wurde Schmieger von Vizekanzler Starhemberg zum „Obersten Sportführer“ bzw. „Gruppenführer Sport“ ernannt, hatte also auch in der Zeit des Ständestaates eine führende Funktion innerhalb seiner Branche inne. Im Zuge des Anschlusses Österreichs an Deutschland 1938 hatte Schmieger im Vergleich zu einigen Kollegen kaum Probleme, seiner Tätigkeit unter dem NS-Regime weiter nachzugehen. Dies mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass sein ehemaliger Arbeitgeber, die Wiener Neuesten Nachrichten, eine stark deutschnational geprägte Blattlinie verfolgte.

Während des Zweiten Weltkriegs war er zudem Sportredakteur der „Kleinen Kriegszeitung“. Schon das Anschlussspiel des in „Ostmark“ umbenannten Österreich gegen Deutschland titulierte Schmieger als dessen Kommentator als, verkürzt wiedergegeben, „großen sportgeschichtlichen Augenblick, bei dem 60.000 Zuschauer dem Führer ein begeistertes „Ja“ zukommen ließen“.

Im Herbst 1941 wurde Schmieger schließlich Mitglied der NSDAP, wobei er in seinem Aufnahmeansuchen explizit auf seine positive Berichterstattung über den Nationalsozialismus im Rahmen der Olympischen Spiele 1936 verwies. In diesem Olympischen Fußballturnier ist auch eine Anekdote zu verorten, die Schmiegers Legendenbild deutlich verzerrt. Nach der 2:4-Niederlage Österreichs gegen Peru schrieb Schmieger vom „etwas absonderlichen Aussehen der Anhänger Perus“ weiters von „Negertänzen, Wildheiten und Kampfgesängen“. Historiker stuften Schmiegers Äußerungen als fragwürdig ein. Andere Quellen sehen ihn als Pendant zur damals jüdisch dominierten Sportpresse.

Nach Kriegsende wurde Willy Schmieger als „Minderbelasteter“ eingestuft, gab an, seine Ablehnung dem Nationalsozialismus gegenüber sowohl nach innen wie nach außen getragen zu haben und nur auf Druck der NSDAP beigetreten zu sein. Ein trauriger, privater Einschnitt in Schmiegers Leben während des Zweiten Weltkriegs bleibt im Übrigen der Tod seines Sohnes Wilhelm an der Kriegsfront im Jahr 1943. Ein Ereignis, welches den begnadeten Reporter zeitlebens prägen sollte. Willy Schmieger verstarb nur sieben Jahre später nach kurzer, schwerer Krankheit.

Heute erinnert die Schmiegergasse im 18. Wiener Gemeindebezirk an Schmiegers journalistisch zweifelsohne eindrucksvolle Biographie, deren Namensgebung allerdings bis in die Gegenwart zu einer Vielzahl umstrittener Straßennamen der Bundeshauptstadt zählt.

Julian Berger, abseits.at

Julian Berger