In den 90er-Jahren noch höchstpopulär scheint die Dreierkette mehr als eine Dekade lang aus dem Sprachgebrauch der Fußball-Fans verschwunden gewesen zu sein. Im Amateurfußball... Modern oder veraltet? – Die Vor- und Nachteile einer Dreierabwehrkette

In den 90er-Jahren noch höchstpopulär scheint die Dreierkette mehr als eine Dekade lang aus dem Sprachgebrauch der Fußball-Fans verschwunden gewesen zu sein. Im Amateurfußball ist sie, vor allem in den unteren Ligen, nach wie vor das beliebteste Mittel um den Gegner auszubremsen. In der österreichischen Bundesliga erfuhr sie ihre Renaissance durch Paul Gludovatz, der mit der SV Ried im 3-3-3-1-System für großes Aufsehen sorgte. Doch was macht die Dreierabwehrkette so besonders? Wo ist sie verwundbar? abseits.at arbeitet die Vor- und Nachteile heraus.

„Mit welcher Kette, ob Dreierkette, Achterkette oder Fahrradkette wir spielen, war nicht entscheidend, sondern das Zweikampfverhalten in verschiedenen Situationen“, sagte Peter Pacult einst als Trainer vom SK Rapid Wien nachdem sein Team beim SV Mattersburg mit 2:3 verloren hatte. Es mag durchaus stimmen, dass dies damals der Fall, aber in aller Regel ist es möglich sich durch die Wahl der richtigen Abwehrformation einen entscheidenden Vorteil zu schaffen.

Die Dreierkette gegen Zwei-Stürmer-Systeme

Im Allgemeinen reicht es aus Mannschaften, die mit zwei Angreifern agieren, eine Dreierabwehr entgegenzustellen. Man verfügt über eine drei-zu-zwei-Überzahl in der Abwehrzentrale und kann einen zusätzlichen Spieler für das Mittelfeld abstellen um dort ein ähnliches Szenario zu schaffen. Im Falle einer Manndeckung ist die Zuordnung ziemlich simpel. Die beiden äußeren Innenverteidiger übernehmen die gegnerischen Stürmer 1:1, während der zentrale Verteidiger jeweils für Rückendeckung sorgt – „Libero“ wird er gerne genannt. Die Automatismen, die für die Manndeckung essentiell sind, sind überschaubar. Es bedarf lediglich der Absprache zwischen den Verteidigern um Stürmer zu übergeben oder sie abseits zu stellen. Gerade deswegen stößt man in unteren Amateur- und Hobbyligen, in den ausschließlich Manndeckung praktiziert wird, hauptsächlich auf Dreierabwehrketten. Das Einspielen erfordert viel weniger Zeit als das dies bei Raumdeckung oder gar einer Viererkette der Fall wäre. Wie sich ein Team, das die Prinzipien des Zonenfußballs verfolgt und mit einer Dreierkette verteidigt, verhält ist in der Grafik zu sehen.

Der rechte Innenverteidiger rückt auf die Seite raus um seinen Vordermann im Duell mit dem gegnerischen Mittelfeldspieler Rückendeckung zu geben. Auf seine Position verschiebt der zentrale Verteidiger, dessen Aufgaben wiederum der linke Innenverteidiger übernimmt. Der ballferne Mittelfeldspieler lässt sich so weit fallen um in Schlagdistanz zum zweiten Stürmer zu sein und gleichzeitig Steilpässe auf den rechten Mittelfeldspieler des gegnerischen Teams zu verhindern. Es ist daher wichtig, dass die äußeren Mittelfeldspieler die entsprechenden defensivtaktischen Grundabläufe verinnerlicht haben – im Englischen werden derartige Spieler als wing-backs bezeichnet. Verfügen sie nicht über derartige Fähigkeiten, macht das die eigene Mannschaft anfällig gegenüber schnellen Spielverlagerungen.

Die Dreierkette gegen Ein- und Drei-Stürmer-Systeme 

Wie vorhin ausgeführt ist eine Dreierabwehrkette gegen Mannschaften, die ein System mit zwei Stürmern präferieren, ein durchaus legitimes und wirkungsvolles Mittel, da man sich in der Defensive in Überzahl befindet und gleichzeitig einen zusätzlichen Spieler fürs Mittelfeld oder den Angriff abstellen kann. Probleme bekommen Dreierketten-Formationen wenn es gegen Teams mit einem oder drei Stürmer geht – wobei die Übergänge zwischen beiden fließend sind und in aller Regel auch im Laufe eines Spiels vonstattengehen. Die Nachteile der Dreierabwehrkette seien nun anhand einer 4-2-3-1-Formation, die sich mittlerweile einen hohen Stellenwert erarbeitet hat, des Gegners demonstriert.

Die Frage, die sich in dieser Konstellation stellt, ist, wer die gegnerischen Flügelspieler übernimmt. Setzt man die äußeren Mittelfeldspieler auf sie an, hat man im Abwehrzentrum die klare Majorität gegenüber dem Stürmer – aus defensiver Sicht sehr komfortabel, allerdings tritt der bereits erwähnte Effekt ein, dass der mehr oder weniger überflüssige Defensivspieler einem offensiver ausgerichteten Kollegen den Platz wegnimmt. Die größte Gefahr geht aber von den Flanken aus. Drängen die Flügelspieler des Gegners nämlich ihre Bewacher zurück entstehen enorm große Räume für die Außenverteidiger, die den jeweiligen Flügel mit Tempo überladen können. Übernehmen die äußeren Innenverteidiger die Deckung der Flügelspieler ist die Gefahr groß, dass sie aus ihrer Position gezogen werden und so Räume auf der Zentralachse im Abwehrzentrum freiwerden – dies ist in erster Linie der Fall wenn der Gegner in einer 4-3-3-Formation spielt.

Erfolgreiche Teams mit Dreierkette

Nichtsdestotrotz gab und gibt es Mannschaften, die in diesem Jahrtausend ein Dreierketten-System durchaus erfolgreich praktiziert haben. Als zeitnahestes Beispiel sei an dieser Stelle Napoli erwähnt. Die Italiener setzen auf schnelles Umschaltspiel über ihr gefürchtetes Angriffstrio Hamsik, Lavezzi und Cavani. Da Trainer Walter Mazzarri explizit auf diese Kontertaktik besteht, macht es ihm auch nichts aus, dass man fürs Abwehrzentrum einen überflüssigen Spieler abstellen muss. Dementsprechend decken die beiden Außenspieler im Mittelfeld, typische wing-back-Vertreter und gelernte Verteidiger, die gegnerischen Außenspieler ab. Aber auch Teams, bei denen man in erster Linie an Angriffsfußball und spektakuläre Offensivkombination denkt, vertrauten in jüngster Vergangenheit auf einen Dreierkette in der Verteidigung. So hielten beispielsweise Lucio, Roque Junior und Edmilson, flankiert von Roberto Carlos und Cafu, während der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea den brasilianischen Dribbelkünstlern Denilson, Ronaldinho, Rivaldo und Ronaldo den Rücken frei und waren die Basis für Brasiliens fünften WM-Titel.

axl, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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